Wie neue Strategien gegen die Pandemie der Resistenzen aussehen

Im globalen Kampf gegen resistente Bakterien versiegt der Antibiotika-Nachschub. Nötig sind alternative Wirkstoffe und neue Strategien.

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Um die Wirkung von Antibiotika zu testen, werden auf dem roten Nährmedium Bakterien aufgetragen – die darauf eigentlich gut wachsen. Die weißen Filterpapiere sind mit Antibiotika getränkt. Je größer der klare Hof um das Papier, desto wirksamer ist das Antibiotikum.

(Bild: Ajay Kumar Chaurasiya)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Mathias Pletz sieht viele der nach Deutschland eingeflogenen verwundeten Soldaten aus der Ukraine – und er ist besorgt. Der Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena sorgt sich nicht nur um seine verletzten Patienten, sondern auch um das, was sie aus dem Krieg mitbringen: gegen nahezu alle Antibiotika resistente Bakterien. Die Behandlung seiner Patienten werde damit zur "therapeutischen Herausforderung", sagt er.

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Die Verletzten in Pletz’ Klinikum werfen allerdings nur ein besonders dramatisches Schlaglicht auf ein Problem, das die Medizin seit Jahren beschäftigt. "Antimikrobielle Resistenz mag nicht so dringend erscheinen wie eine Pandemie, aber sie ist genauso gefährlich", mahnte Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zuletzt im November und nannte sie "eine der größten Gesundheitsbedrohungen unserer Zeit." Das Perfide an dieser "stillen Pandemie", wie die WHO Antibiotikaresistenzen seit 2021 nennt, ist, dass sie so schwer zu erfassen und zu quantifizieren ist. Denn auf den Totenscheinen der Menschen, die ihnen erliegen, steht nicht Antibiotikaresistenz als Todesursache. Sie gehen wegen diverser Erkrankungen ins Krankenhaus – für eine geplante Operation, nach einem Unfall oder wegen irgendeiner anderen Erkrankung. Im Krankenhaus erst kommen sie mit den resistenten Keimen in Kontakt. Besonders groß ist das Risiko für Ältere und Immungeschwächte wie Krebspatienten.

Weltweit gehen pro Jahr rund 1,3 Millionen Todesfälle direkt auf antimikrobielle Resistenz zurück, schätzt das Institut für Health Metrics und Evaluation. In der Europäischen Union zusammen mit Norwegen, Island und Liechtenstein sind es laut der ECDC (Europäisches Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten) jedes Jahr mehr als 35 000. Tendenz steigend. In Deutschland kalkuliert das Robert-Koch-Institut (RKI) jährlich bis zu 9700 resistenzbedingte Todesfälle. Wenn sich nichts ändert, könnten bis 2050 weltweit jedes Jahr 10 Millionen Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien sterben, schätzte eine britische Forschergruppe bereits 2014.