Innenministerium plant keinen "Internet-Ausweis" zur Nutzerverfolgung

Das federführende Ressort weiß nichts von einem Vorhaben der Bundesregierung, Netzbürger online zu identifizieren oder zurückzuverfolgen, und weist somit anders lautende Medienberichte zurück.

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Das Bundesinnenministerium weiß nichts von einem Vorhaben der Bundesregierung, Netzbürger identifizieren und ihren Online-Aktivitäten besser auf die Spur kommen zu wollen. "Pläne zu einem Internet-Ausweis mit der Möglichkeit der Rückverfolgung" lägen im federführenden Ressort nicht vor, erklärte eine Sprecherin von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am heutigen Dienstag gegenüber heise online. Sie wies damit indirekt einen Bericht der "Rheinischen Post" zurück, wonach bei der Bundesregierung über die Schaffung eines entsprechenden Mittels zur Nutzeridentfizierung "bereits nachgedacht" werde.

Der Bundestag hatte im Dezember ein Gesetz beschlossen, mit dem von November 2010 an der neue elektronische Personalausweis eingeführt werden soll. Es ist vorgesehen, dass darauf auch ein elektronischer Identitätsnachweis gespeichert werden kann. Darüber hinaus bietet der geplante E-Perso die Möglichkeit, eine elektronische Signatur auf einem kontaktlos auslesbaren Chip zu hinterlegen. Die Zusatzfunktion fürs Internet soll die verbindliche elektronische Übermittlung von Identitätsmerkmalen ohne biometrische Daten in Online-Anwendungen und in lokalen Verarbeitungsprozessen etwa an Automaten gestatten. Insgesamt sollen damit Online-Einkauf, allgemein elektronische Kaufverträge und Behördengänge via Internet erleichtert werden, da sie mittels des neuen Ausweisdokuments elektronisch unterschrieben werden können.

Nach Angaben des Innenministeriums bleibt dabei der Datenschutz gewahrt. Die Verwendungsmöglichkeit von Pseudonymen beim elektronischen Personalausweis sei eine Maßnahme, gerade die Rückverfolgung von Nutzern zu verhindern, betonte die Sprecherin. Gleiches gelte für andere E-Government-Initiativen des Bundes.

In den vergangenen Wochen waren die Rufe aus der großen Koalition lauter geworden, das Internet stärker zu regulieren. Als Aufhänger für die Vorstöße gilt die Angst vor einem "rechtsfreien Raum", obwohl die Online-Welt vielfach bereits stärker von Regelwerken umfasst ist als der Offline-Bereich. Vor allem Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert auch nach der Verabschiedung der von ihr besonders befürworteten Sperren kinderpornographischer Webseiten eine umfassende Debatte über die Internetfreiheiten. Beispielsweise machte sie sich jüngst für einen Verhaltenskodex für soziale Netzwerke stark. Zuletzt befürwortete der Chef des Bundeskanzleramts, Thomas de Maizière (CDU), "Verkehrsregeln" fürs Internet. Der "Spiegel" sieht unterdessen in einer Titel-Geschichte die Rolle des Staates als Ordnungsmacht der Netzgesellschaft in Frage gestellt. Online-Aktivisten würden für die traditionellen Politiker vermehrt zum Problem.

Laut Thorsten Wirth, Spitzenkandidat der Piratenpartei in Hessen, bricht sich in der gesamten Diskussion die Geringschätzung der Bürgerrechte in der großen Koalition Bahn: "Ob 'Zensursula' oder jemand von der SPD ist mittlerweile einerlei: Die Politik des Grundrechtsabbaus wird munter fortgeführt", meint der Pirat. CDU/CSU und SPD seien dabei, das Internet als staatliches Kontrollinstrument auszubauen. Dabei würden sie die Medien mit alten Litaneien von einem Chaosraum Internet beschwören. Rechtsfrei werde der Cyberspace aber erst durch das, "was die aktuelle Bundesregierung aus dem Internet macht". Terrorgefahr oder Kinderpornographie seien immer wieder gern bemühte Aufhänger, um Rechte zu beschneiden, die eigentlich auch fürs Internet gälten.

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(Stefan Krempl) / (jk)