Klimaschutz: Dänemark speichert CO₂ unter der Nordsee

In einem ausgeförderten Ölfeld in der Nordsee sollen jährlich bis zu 8 Millionen Tonnen CO₂ gelagert werden. Der dänische Kronprinz hat das Projekt eröffnet.

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Plattform über dem ausgeförderten Ölfeld Nini West.

(Bild: Ineos)

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Dänemark setzt nun sein Vorhaben um, Kohlendioxid in seinem Teil der Nordsee unter dem Meeresgrund zu speichern. Zunächst sollen in einer Pilotphase bis Anfang April 15.000 Tonnen in Belgien verflüssigtes CO₂ im ausgeförderten Ölfeld Nini West in 1800 Meter Tiefe eingelagert werden. Der dänische Kronprinz Frederik eröffnete nun in der dänischen Stadt Esbjerg offiziell das Projekt "Greensand". Neben den Beteiligten vor Ort äußerte sich auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen per Videobotschaft positiv. "Dies ist ein großer Moment für den grünen Wandel in Europa."

Die dänische Energieagentur hatte Anfang Februar dem Konzern TotalEnergies und einem Konsortium aus den Unternehmen Ineos und die BASF-Tochter Wintershall Dea Zulassungen erteilt. Sie wollen die Technik Carbon Capture and Storage (CCS) anwenden. Dabei wird CO₂ etwa bei industriellen Prozessen eingefangen, zu einer unterirdischen Lagerstätte gebracht und dort eingespeichert. Es sei die weltweit erste grenzüberschreitende Offshore-CO₂-Einspeicherung, die explizit den Zweck hat, den Klimawandel zu mindern, teilte Wintershall mit.

Mit dem Projekt Greensand wird angestrebt, jährlich bis zu 8 Millionen Tonnen CO₂ dauerhaft einzuspeichern, erläutert INEOS. Das würde 40 Prozent dessen entsprechen, was Dänemark als Einsparziel vorgegeben habe. Die EU-Kommission schätzt, dass die EU bis 2050 jährlich 300 Millionen Tonnen CO₂ speichern muss, um die Klimaziele zu erreichen.

Dänemark sieht in der CO₂-Einlagerung einen wichtigen Schritt, um bis 2050 wie geplant CO₂-neutral zu werden. Zudem werde das Projekt dazu beitragen, der wachsenden Nachfrage nach CO₂-Speicherung in Nordeuropa zu entsprechen, teilte die Energieagentur im Februar mit. Die beteiligten Firmen hoffen, dass die Politik den gesetzlichen Rahmen für die Technik auch in Deutschland schafft.

In Deutschland ist die CO₂-Speicherung laut Gesetz nur zur Erforschung, Erprobung und Demonstration begrenzt erlaubt. Die Bundesregierung möchte das ändern, um den Bau von CO₂-Leitungen zu erleichtern, die CO₂-Nutzung zu regeln und Hindernisse für dessen Export abzubauen. Ein wichtiges Zielland für deutsche CO₂-Exporte wäre Norwegen, wo Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Anfang des Jahres zu Gast war.

Habecks Ministerium stellt CCS bereits als Teil der deutschen Klimastrategie dar. Die Bundesrepublik will bis 2045 klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder gebunden werden können. Ab 2050 soll der Atmosphäre mehr Treibhausgas entzogen werden, als ihr zugefügt wird. Damit das klappt, könne für unvermeidbare oder schwer vermeidbare CO₂-Emissionen eine Abscheidung mit anschließender Nutzung oder Speicherung infrage kommen, heißt es auf der Website des BMWK.

Im August 2022 haben Wintershall Dea und das norwegische Energieunternehmen Equinor Pläne für die unterirdische Einspeicherung von CO₂ aus Deutschland vor der Küste Norwegens vorgestellt. Auch hier sollen ausgeförderte Lagerstätten in der Nordsee genutzt werden.

Für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist CCS und die damit verbundene, auf CO₂-Wiederverwendung setzende Technik CCU (Carbon Capture and Utilization) unerlässlich, um Klimaneutralität zu erreichen. In Prozessen der Zement- und Kalkindustrie zum Beispiel seien Emissionen unvermeidlich.

Auch der Weltklimarat sieht es als notwendig an, CCS einzusetzen. In seinem Klimabericht schrieb er im April 2022, CO₂ sollte aus Abgasen und direkt aus der Luft mit Carbon Capture an Storage (CCS) beziehungsweise Carbon Dioxide Removal (CDR) herausgefiltert werden. Das CO₂ solle dann in unterirdischen Speichern dauerhaft gelagert werden. Ohne diese beiden Techniken sei es nicht möglich, die gesteckten Klimaziele zu erreichen; besonders dann, wenn die Erwärmung bereits über das 1,5-Grad-Ziel hinausgegangen ist und erst mühsam wieder reduziert werden muss.

Unter Umweltverbänden und Klimaschützern dagegen ist CCS dagegen umstritten. Sie befürchten, dass die Technik den Ehrgeiz im Klimaschutz und beim Ausbau erneuerbarer Energien dämpft, und warnen vor Gefahren für die Umwelt. "CCS ist eine Scheinlösung, die weder nachhaltig noch emissionsfrei ist", sagt Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. Die CO₂-Verpressung in der Nordsee berge erhebliche Risiken, etwa durch Leckagen. "Ausgediente Ölfelder in der Nordsee sind kein Ort für die Entsorgung von CO₂-Müll", betonte Smid. Das Klimaproblem lasse sich nur durch eine drastische Reduzierung der Emissionen an der Quelle lösen.

Dem hält Wintershall-Dea-Chef Mehren entgegen, dass es sich bei CCS um eine lang erprobte und sichere Technik handle. Das geologische Konstrukt rund um die Öl- und Gasvorkommen habe zudem über Jahrmillionen bewiesen, dass es dicht sei. Allerdings sei "CCS nicht die Wunderwaffe für alles in der Energiewende", sagte Hugo Dijkgraaf, im Wintershall-Vorstand zuständig für das Kohlenstoff-Management. "Aber es ist ein extrem wichtiges Element für den industriellen Sektor, wo es eigentlich keine Alternative gibt."

Momentan gibt es laut dem Global CCS Institute weltweit knapp 200 kommerzielle CCS-Projekte. Die meisten davon pumpen CO₂ in den Untergrund, um per EOR die Ölproduktion zu steigern. Bisher werde nur in einem Projekt CO₂ über nationale Grenzen hinweg transportiert, beim Weyburn-Midale Carbon Dioxide Project von den USA nach Kanada. Auch hier geht es darum, die Ölproduktion zu steigern.

(anw)