Ammoniak ist Japans Energie-Alternative zur Kohle

Er ist giftig und brennt – dennoch gewinnt der Wasserstoffträger Ammoniak an Bedeutung. Japan plant ihn auch als Brennstoff in Kohlekraftwerken ein.

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Ammoniak-Tank

Ammoniak-Tank, hier bei einer Bioethanol-Fabrik in Frankreich.

(Bild: Shutterstock / Niwat panket)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Die ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen stehen für das Wochenende an. Bundeskanzler Olaf Scholz reist dann mit einer Handvoll Ministern nach Tokio, um unter anderem über Energiesicherheit zu sprechen. Für die Bundesregierung gilt Japan in dem Bereich als Partner und Vorbild. Darüber hinaus ist Japan auch ein Ideengeber, wie man bestimmte Themen anders angehen kann – etwa in Bezug auf den Hoffnungsträger für die Wasserstoffwirtschaft: Ammoniak (NH3).

Gerade Reeder hoffen darauf, in dem wasserstoffhaltigen Rohstoff eine Alternative zu dreckigen Schiffstreibstoffen gefunden zu haben. In Japan wird ein weiterer Nutzen gesehen: als Treibstoff für Kraftwerke – und sogar als Alternative zu Kohle.

Einer der Pioniere dieser Bewegung ist der japanische Schwerindustriekonzern IHI. In seinem Forschungszentrum in Yokohama demonstriert das Unternehmen eine kleine Zwei-Mega-Watt-Turbine, die zu 100 Prozent mit Wasserstoff läuft. Es sei die erste dieser Art, sagt Nobuhiko Kubota, Entwicklungschef des Konzerns.

Einen weiteren technologischen Durchbruch will der Konzern in diesem Jahr vorstellen: Ein großes Kohlekraftwerk bekommt einen neuen IHI-Kessel, mit dem Ammoniak zusätzlich zur Kohle verfeuert werden kann. Zu Beginn ist ein Ammoniakanteil von 20 Prozent geplant, der dann langsam gesteigert werden soll. Nur bei sehr hohen Anteilen von Ammoniak würden größere Umbauten fällig, weil dann weniger Glut anfällt und sich damit der Hitzetransport verändert.

IHI hofft, dass diese Technologie, die eine relativ preiswerte Umrüstung von bestehenden Kraftwerken erlaubt, sich gerade in Asien zum Verkaufshit entwickeln wird. Denn viele Länder bauen derzeit Kohlekraftwerke, die noch in 40 oder 50 Jahren laufen und damit Kohlendioxid in die Atmosphäre abgeben könnten.

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Auch Japans Regierung wettet auf das Wasserstoffderivat. In der jetzigen Energiestrategie sollen Wasserstoff und Ammoniak zehn Prozent des japanischen Energiebedarfs decken. Ein Grund für Japans Wette ist dabei, dass der stinkende und giftige Stoff, der aus Stickstoff und Wasserstoff besteht, eine interessante Alternative zu Wasserstoff als Brennstoff darstellt.

Zum einen ist Ammoniak generell billiger als Wasserstoff, da es vor allem im Transport weniger aufwendig ist. Wasserstoff wird bei atmosphärischem Druck bei minus 253 Grad Celsius flüssig und damit transportfähig, Ammoniak bereits bei minus 33 Grad und relativ moderatem Druck von 9 bar. Zum anderen hat flüssiges Ammoniak eine 70 Prozent höhere Energiedichte als flüssiger Wasserstoff.

Tatsuya Terazawa, Chef des Institute of Energy Economics, nennt zwei weitere Gründe: Seines Erachtens würden Japans Lage und Geologie eine vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien erschweren. 90 Prozent der Landmasse des Inselreichs besteht aus Bergen mit oft steilen Hängen, die sich kaum für Sonnen- und Windkraftwerke eignen. Auch Off-Shore-Windkraftanlagen sind schwieriger aufzubauen als in Europa, denn große Teile des Archipels liegen vergleichsweise weit im Süden, wo die Winde generell schwächer, aber die Stürme, sprich Taifune, stärker sind.

"Ein anderer Grund ist, dass wir wie Deutschland sehr stark in der verarbeitenden Industrie sind", sagt der Experte. "Und viele Industrien benötigen viel Hitze, für deren Erzeugung sich Strom nicht sehr gut eignet." Die Stahl- und Chemieindustrie gehören dazu. Aus diesem Grund wird derzeit viel Erdgas eingesetzt, das durch Ammoniak verdrängt werden könnte. "Da diese Wirtschaftsbereiche nur schwer zu elektrifizieren sind, ist es wahrscheinlich am pragmatischsten, kohlenstoffarmen Wasserstoff oder kohlenstoffarmes Ammoniak zu verwenden." Zudem kann Japan auf diese Weise Sonnen- und Windkraft aus anderen Ländern wie Australien importieren. Dort würden große Kraftwerke die Energie liefern, um Wasserstoff aus Wasser abzuspalten und dann mit Stickstoff in Ammoniak umzuwandeln.

(jle)