Nach Pleite der Silicon Valley Bank: Start-ups mit "blauem Auge" davongekommen

Die Insolvenz der Silicon Valley Bank hat in der Techszene für große Unsicherheit gesorgt. Die deutsche Start-up-Szene ist wohl aber unbeschadet geblieben.

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Firmenschild auf dem Grundstück des Hauptquartiers der Silicon Valley Bank in Santa Clara, US-Bundesstaat Kalifornien.

(Bild: Sundry Photography/Shutterstock.com)

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Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) und die darauf durch die Finanzmärkte brandende Schockwelle scheint die deutsche Start-up-Szene vorerst nur wenig betroffen zu haben. "Im Ursprung ist das keine Start-up-Krise. Es handelt sich um Refinanzierungsprobleme einer Bank", sagte der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutsche Start-ups, Christian Miele, der dpa. "Ich bin zuversichtlich, dass es in der Breite zu keiner größeren Zurückhaltung bei Wagniskapitalgebern kommt."

"Die SVB-Pleite war für deutsche Start-ups weniger relevant, weil nur sehr wenige dort ihr Hauptkonto hatten – in den USA und Großbritannien sah das ganz anders aus", sagte etwa auch der Investor Filip Dames, Gründer des Risikokapitalgebers Cherry Ventures, gegenüber dem Handelsblatt. Auch der Investor Christoph Janz von Nine Point Capital sprach in einem Linkedin-Posting davon, dass die Tech-Community "mit einem blauen Auge davongekommen" sei.

Dennoch sieht Janz Anlass zur Selbstkritik: "Was ich mir wirklich vorwerfe, ist, dass ich den Gründern nicht gesagt habe, sie sollten ihr Geld auf verschiedene Banken verteilen. Es ist in Ordnung für einen Gründer in den Zwanzigern, nicht daran zu denken, aber ich hätte es besser wissen müssen. Ich bin alt genug, um mich an Lehman Brothers zu erinnern." Risikokapitalgeber hätten das Thema gründlich vermasselt, befindet Janz.

Bei einer Umfrage des Handelsblatts unter den 36 deutschen Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden, habe rund ein Drittel angegeben, keinerlei Kontakte zur SVB zu unterhalten. Teil des Drittels seien Unternehmen wie N26, Volocopter, Forto, Enpal, Flix, Trade Republic, Flink, Solaris, Omio und Grover. Andere Firmen wie Personio, Celonis und Mambu hätten entweder Einlagen oder Kredite bei der SVB gehabt, aber auch auf andere Banken gesetzt. Die Mehrheit habe die Anfrage nicht beantwortet.

Die Niederlassung der SVB in Deutschland, die am Montag von der Finanzaufsicht Bafin geschlossen wurde, hat kein Einlagengeschäft betrieben. Einige Start-ups hierzulande hätten aber die Angebote der britischen SVB-Tochter genutzt, sagte Christian Miele vom Bundesverband Deutsche Start-ups. Mit deren Übernahme durch die britische Großbank HSBC scheine sichergestellt, dass deutsche Start-ups, die dort Einlagen haben, wieder Zugriff auf ihr Geld haben. "Das war ein wichtiger Schritt, um kurzfristige Liquiditätsengpässe bei betroffenen deutschen Start-ups zu vermeiden." Auch habe die Sicherung sämtlicher SVB-Einlagen durch US-Behörden die Situation in den USA entschärft.

Dennoch ist der Kollaps der Bank für die deutsche Gründerbranche kein gutes Signal. Denn vor allem wegen der steigenden Zinsen hielten sich Geldgeber zuletzt ohnehin mit großen Kapitalspritzen zurück und scheuten riskante Geschäftsmodelle. Hatte die Start-up-Branche 2021 ein Rekordjahr gefeiert, brachen die Finanzierungen für deutsche Start-ups 2022 ein. In der Folge stürzten die Bewertungen von Start-ups ab, einige Wachstumsfirmen strichen reihenweise Jobs.

Die kalifornische Finanzaufsicht Department of Financial Protection and Innovation (DFPI) erklärte Ende vergangener Woche die SVB für insolvent und übernahm die Geschäfte der Bank. Zuvor hatten Kunden der SVB am Donnerstag 42 Milliarden US-Dollar an Einlagen abgezogen. Dem war der Versuch einer Kapitalerhöhung vorausgegangen, die eine finanzielle Schieflage aus Anleihe-Verkäufen ausgleichen sollte. Technologiefonds wie Peter Thiels Founders Fund, Coatue Management oder Union Square Ventures sollen ihren Partnern geraten haben, ihre Einlagen abzuziehen. Der Kundenkreis der SVB bestand vor allem aus Technologiefirmen, Start-ups und Risikokapitalgebern, weshalb infolge der Pleite ein Domino-Effekt im Ökosystem des Silicon Valley erwartet wurde.

Der blieb aber aus, denn bereits am Sonntag hatten die US-Finanzministerin Janet Yellen, der Notenbankchef Jerome Powell und die US-Einlagensicherung (FDIC) angekündigt, dass sie die Einleger vollständig schützen werden. Normalerweise kommt die US-Einlagensicherung nur für 250.000 US-Dollar pro Konto auf. Derzeit läuft noch die Auktion für die verbleibenden Teile der SVB – bislang scheint kein Käufer willens zu einer kompletten Übernahme, schreibt die New York Times. Gewinner der Pleite sind Berichten nach vor allem die großen US-Banken wie JPMorgan Chase, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo, die sich über viele neue Kunden aus der Start-up-Szene und deren Einlagen freuen konnten.

Auch wenn die Techszene wohl ohne größere Schäden aus der Sache kommt, sind die Nachwirkungen an den Finanzmärkten und in der Bankenwelt inzwischen auch in Europa spürbar. Erst am heutigen Donnerstag musste die Schweizer Notenbank der ohnehin angeschlagenen Großbank Credit Suisse mit einer Kreditlinie von bis zu 50 Milliarden Franken unter die Arme greifen (rund 51 Milliarden Euro), um die Finanzmärkte zu beruhigen und eine Krise zu verhindern.

Für Deutschland werden bislang keine größeren Auswirkungen erwartet. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte noch am Mittwochabend: "Wir haben mit der Bafin eine leistungsfähige Finanzaufsicht, und wir haben die Bundesbank, die ebenfalls eine stabilitätspolitische Tradition hat. Wir können deshalb sehr klar sagen: Das deutsche Kreditwesen - private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute - ist stabil." Zuvor hatte auch die Bundesbank bekräftigt, dass deutsche Banken "robust, stabil und widerstandsfähig" seien.

(axk)