Bundeskriminalamt fühlt sich gerüstet für Web-Sperren [Update]

Das BKA kann nach eigenen Angaben "ab Beginn des Wirkbetriebes" der Infrastruktur zum Blockieren kinderpornographischer Inhalte die von ihm zu erstellende Filterliste zur Verfügung stellen. Der netzpolitische Dialog über das Vorhaben geht derweil weiter.

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Das Bundeskriminalamt (BKA) kann nach eigenen Angaben "ab Beginn des Wirkbetriebes" der geplanten Infrastruktur zum Blockieren kinderpornographischer Inhalte die von ihm zu erstellende Filterliste zur Verfügung stellen. Es werde dabei "im Benehmen mit zuständigen Stellen" sichergestellt, dass allen nach dem Gesetz verpflichteten Provider die Liste erhalten, erklärte eine Sprecherin der Polizeibehörde gegenüber heise online. Auch für die "Kompatibilität" des Filterverzeichnisses mit den Systemen der Zugangsanbieter werde gesorgt, lautet die Versicherung aus Wiesbaden. Details zu den technischen Abläufen könnten "aus Sicherheitsgründen" aber nicht bekannt gegeben werden.

Zuvor war aus Providerkreisen zu hören gewesen, dass das BKA derzeit noch Probleme habe, die Sperrliste zu erstellen. Zudem sorgen sich zur Umsetzung des Zugangserschwerungsgesetzes verpflichtete Zugangsanbieter, dass sie das Verzeichnis nicht einfach übernehmen können für den praktischen Einsatz. Bei Verbänden von Internetprovidern und Telekommunikationsunternehmen kann ferner keiner sagen, wie viele Firmen hierzulande konkret von dem umkämpften Gesetz erfasst werden. Eine Liste sämtlicher Zugangsanbieter mit mehr als 10.000 Kunden gebe es hierzulande nicht.

Zudem fürchten die Provider, dass die Sperrlösungen deutlich teurer werden, als ursprünglich berechnet. So lägen vom US-Unternehmen Nominum, einem Experten für Anwendungen auf Basis des Domain Name Systems (DNS), Angebote für Zusatzleistungen zur Umsetzung der Filter vor. Diese würden sich bei größeren Konzernen bei Summen im sechs- und siebenstelligen Bereich bewegen. DNS-Blockaden sind die Minimalanforderung der gesetzlich vorgeschriebenen Sperren.

Keine Prognose kann das BKA unterdessen zum Umfang der geheimen Filterliste und möglichen Wachstumsquoten machen. "Es handelt sich hier um einen dynamischen Prozess", erläuterte die Sprecherin. Es könnten mangels vergleichbarer Bedingungen zu anderen Staaten, die bereits "Access Blocking" betreiben, aus deren Erfahrungswerten keine Rückschlüsse für Deutschland gezogen werden. Grundsätzlich nicht äußern wollen sich die Wiesbadener zur Anzahl von Mitarbeitern, die zur Betreuung des Filterverzeichnisses abgestellt werden.

Vor oder im Rahmen der Aufnahme eines Webangebots auf die Schwarze Liste sollen nach BKA-Angaben "ausländische Dienststellen" über kinderpornographische Webseiten unterrichtet werden. Diese könnten dann "Maßnahmen in eigener Zuständigkeit" ergreifen. Eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hatte zuvor ausgeführt, dass das BKA in der Lage wäre, Hostprovider auch direkt über möglicherweise zu sperrende Kinderporno-Seiten auf ihren Servern hinzuweisen und so zu deren Löschung beizutragen.

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur wird derweil am heutigen Donnerstagnachmittag in Ludwigsburg wieder Gespräche mit der Politik aufnehmen. Zum Auftakt der Reihe "netzpolitischer Dialoge" mit den Parteien des Bundestags wollen die Vertreter der viel beschworenen Netzgemeinde versuchen, eine gemeinsame Verständigung über grundsätzliche Positionen just mit netzaffinen Politikern der SPD zu erzielen. Die Sozialdemokraten gelten nach ihrer Zustimmung zum Aufbau einer Zensurinfrastruktur bei vielen Angehörigen der Netzgeneration als "Verräter". Zu den Teilnehmern der Runde gehören vor allem Mitglieder, die schon im Entstehungsprozess des Zugangserschwerungsgesetzes vernehmbar gegen die Entscheidung ihrer Bundestagsfraktion protestiert haben, wie etwa der Ludwigsburger SPD-Bundestagskandidat Jan Mönikes. Martin Dörmann, der Verhandlungsführer der SPD-Fraktion beim Sperrgesetz, hat dagegen am Abend zu einer Gesprächsrunde über das Thema in seinen Wahlkreis Köln geladen. [Update: Laut Informationen der SPD Köln ist die Veranstaltung öffentlich und kann ohne Voranmeldung besucht werden.]

Ziel des Ludwigsburger Dialogs ist die Verabschiedung eines Papiers, wonach es im Bereich der inneren Sicherheit seit einigen Jahren eine bedrohliche Tendenz gebe, Bedrohungen und Bekämpfungsstrategien isoliert voneinander zu betrachten. Es würden mit einer "Aufrüstung" – ohne das von der SPD eigentlich immer wieder für sich beanspruchte "Augenmaß", aber mit einzelnen Instrumenten wie der Vorratsdatenspeicherung, heimlichen Online-Durchsuchungen und den Web-Sperren – "Infrastrukturen mit Repressionspotenzial" geschaffen. Die Diskussion über die Gefahr einer Erosion der Grundrechte müsse nun wieder in den Parteien und Parlamenten stattfinden. Das Internet dürfe nicht "zum bürgerrechtsfreien Raum" werden.

Auch bei den Liberalen werden die Web-Sperren verstärkt zum Wahlkampfthema. So versicherte der FDP-Bundestagskandidat Jörg Behlen auf der Plattform Abgeordnetenwatch, dass er sich "entschlossen dafür einsetzen" werde, das Zugangserschwerungsgesetz wieder abzuschaffen. Die Liberalen würden ihr Vorgehen vom Ausgang der Bundestagswahl abhängig machen. Einen Gang vor das Bundesverfassungsgericht halte er persönlich für wahrscheinlich, "sofern eine Regierungsbeteiligung der FDP ausbleiben sollte". Eine Politik, die mit einem "ungeeigneten Gesetz" nur dem Eindruck des "Wir tun was" diene, lehnt Behlen "entschieden ab".

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)