Rundfunkgebühren: Unbeliebte Haushaltsabgabe kommt auch in Österreich

Österreichs Regierung einigt sich auf eine Haushaltsabgabe zur ORF-Finanzierung. Für manche Österreicher wird es deutlich teurer, für andere ein wenig billiger.

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Das ORF-Logo am Eingang zur ORF-Zentrale am Küniglberg in Wien

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.
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Pauschale Gebühren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen ORF (Österreichischer Rundfunk) müssen österreichische Haushalte und Unternehmen ab 2024 entrichten – unabhängig davon, ob sie Fernseher oder Internetzugang haben. Derzeit lösen nur in Gebäuden zum Empfang bereit gehaltene Rundfunkempfangsgeräte die Gebührenpflicht aus, Autoradios sind gebührenfrei. Ab dem nächsten Jahr müssen alle Haushalte monatlich "rund 15 Euro", zuzüglich etwaiger Landesabgaben, zahlen. Darauf hat sich die Regierungskoalition aus rechtskonservativer ÖVP und Grünen am Donnerstag verständigt.

Das geht aus einem Umlaufbeschluss des österreichischen Ministerrats hervor. Unternehmen sollen demnach "gestaffelte" Gebühren zahlen müssen. Nähere Details dazu gehen aus dem Dokument nicht hervor. Was genau "rund 15 Euro" pro Haushalt sind, glaubt die Tageszeitung Der Standard zu wissen: Interne Berechnungen des Finanzministeriums hätten 15,20 Euro ergeben, also 182,40 pro Jahr, zuzüglich der Landesabgaben.

Abgeschafft werden jene Bundesabgaben, die derzeit gemeinsam mit den Rundfunkgebühren eingehoben werden, aber nicht dem ORF, sondern dem Bundesbudget zufließen. Das sind monatlich Umsatzsteuer (0,50 bis 1,86 Euro), Radioentgelt (0,36 Euro), Fernsehentgelt (1,16 Euro) sowie Kunstförderungsbeitrag (0,48 Euro). Sieben der neun Bundesländer heben zusätzlich eigene Landesabgaben ein. Die Bundesregierung lädt diese Länder ein, ebenfalls darauf zu verzichten, doch haben die Länder dazu bislang keine freundlichen Nasenlöcher gezeigt.

Deutlich teurer wird es für Haushalte, die keinen Fernseher haben. Das sind einerseits Haushalte, die nur Radioapparate haben und dafür inklusive aller Abgaben 6,31 bis 7,91 Euro monatlich zahlen. Sie müssen in Zukunft mehr als das Doppelte zahlen. Sollten die Länder ihre Rundfunkabgaben wie derzeit für Fernsehhaushalte generell einfordern, dürften je nach Bundesland 15,20 bis 20,30 Euro pro Monat (182,40 bis 243,60 Euro pro Jahr) fällig werden, eine Verteuerung um 141 bis 163 Prozent.

Andererseits gibt es Haushalte, die weder Fernseher noch Radio in einem Gebäude zum Empfang bereithalten. Laut Schätzungen sind das 400.000 Haushalte. Sie kommen dieses Jahr noch ungeschoren davon, müssen ab 2024 aber den vollen Betrag abliefern, womit der ORF in Summe mehr Geld bekommen wird als jetzt.

Die bisherige, seit Jahrzehnten bestehende Regelung der Rundfunkgebühren hat der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) letzten Juli überraschend für verfassungswidrig erklärt (Az. G 226/2021-12). Demnach verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz der österreichischen Verfassung, Rundfunk-Haushalte und -Unternehmen zu ORF-Gebühren zu verpflichten, andere Haushalte und Unternehmen mit Internetzugang aber nicht, obwohl sie online Zugang zu großen Teilen des ORF-Programmangebots haben können.

Nach diesem Gedankengang müsste es auch verfassungswidrig sein, Haushalte zu belasten, die weder Rundfunkgeräte noch Internetzugang haben. Doch darauf lassen es ÖVP und Grüne ankommen: Anstatt aufwendig zu erheben, wer keinen Internetzugang hat, werden alle belangt.

Teurer könnte es auch für Seh- und Hörbehinderte werden. Gehörlose und schwer Hörbehinderte müssen derzeit nur die deutlich günstigeren Radiogebühren zahlen, selbst wenn sie einen Fernseher haben. Für Blinde und Sehbehinderte gibt es keine Sonderregelung – der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass sie sowieso selten Fernseher haben und dann nur die Radiogebühren zahlen müssen. Der Ministerratsbeschluss stellt keine Ausnahme oder Rabattierung für körperlich Behinderte in Aussicht. Beibehalten werden soll allerdings die Gebührenbefreiung für sozial Hilfsbedürftige.

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Billiger wird es für jene Haushalte, die die vollen Fernsehgebühren zahlen. Sie sparen, je nach Bundesland, etwa ein Viertel bis zirka ein Drittel. Derzeit sind die Gebühren auch für Nebenwohnsitze fällig, ab kommendem Jahr sind diese befreit. Dem Vernehmen nach sollen zur Feststellung, ob es sich um einen Nebenwohnsitz handelt, nicht nur das Melderegister, sondern auch Stromrechnungen herangezogen werden.

Die österreichische Bevölkerung ist gegen eine Haushaltsabgabe. Nicht einmal ein Drittel der Österreicher kann sich dafür erwärmen, unter Jugendlichen nur jeder Neunte. Die absolute Mehrheit wünscht eine Finanzierung aus dem Bundesbudget, also dem allgemeinen Steueraufkommen. Dennoch hat sich die Regierungskoalition für die Haushaltsabgabe entschieden.

Das ist Wasser auf die Mühlen der rechtsnationalen FPÖ. "ÖVP und Grüne leisten nichts, außer die Bevölkerung immer offensichtlicher für blöd zu verkaufen und ihnen noch tiefer in die Taschen zu greifen", reagierte FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker am Donnerstag. Die Partei hat eine Petition gegen die Haushaltsabgabe aufgelegt.

Die liberalen NEOS kritisieren, dass die Regierung nur an den Gebühren fummelt, anstatt die politische Einflussnahme beim ORF zu bekämpfen: "Wo bleibt die Entpolitisierung? Wo bleibt die Gremienreform? Wo bleiben Antworten auf Desinformation und Fake News? Wo bleibt die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute?", sagte NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter, "Der Kernauftrag des ORF ist nicht, irgendwelche Parteien glücklich zu machen, sondern qualitätsvolle Information zu liefern. Und das ist nur möglich, wenn der Einfluss der Parteien im ORF endlich ein Ende hat und die Bundesregierung auch tiefgreifende Reformen anpackt, die weit über die Finanzierungsfrage hinausgehen."

Die Regierungskoalition verweist auf ein Sparpaket des ORF im Ausmaß von 325 Millionen Euro. Außerdem soll der ORF zukünftig in einem Jahresbericht bestimmte Gehälter und Nebenbeschäftigungsverhältnisse offenlegen sowie Angaben zu Einschaltquoten und Werbung machen.

(ds)