Krieg auf deutschen Straßen

Der Urlaub beginnt und auf deutschen Autobahnen herrscht Krieg. Zwei Gruppen stehen sich gegenüber: Hier die Lkw-Fahrer, von Sommerfahrverboten drangsaliert und dort die Pkw-Fahrer, die einfach nur in den Urlaub wollen.

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Von
  • Gernot Goppelt
Inhaltsverzeichnis

Der Sommer ist da, der Urlaub beginnt und auf deutschen Autobahnen herrscht Krieg. Zwei Gruppen stehen sich gegenüber: Hier die Lkw-Fahrer, von diversen Sommerfahrverboten drangsaliert und durch miserabel parkende Pkw-Wohnwagen-Gespanne zusätzlich schikaniert. Dort die Pkw-Fahrer, die einfach nur in den Urlaub wollen. Für sie sind die rollenden Brummis ärgerliche Hindernisse.

Ein Krieg kann viele Ursachen haben. Gebietsansprüche und Verständnisschwierigkeiten stehen an erster Stelle, so auch in diesem Fall. Schlicht formuliert hat die Mehrzahl der deutschen Pkw-Fahrer absolut keine Ahnung vom Alltag der Lkw-Fahrer und von der Technik, mit der diese Fahrer arbeiten (müssen). Im größten Transitland Europas wird die Ignoranz mit Leidenschaft gepflegt, vor allem an Stammtischen und in der kleinen Politik.

Krieg auf deutschen Straßen (5 Bilder)

Der Sommer ist da und auf Deutschlands Autobahnen steigt das Adrenalin. (Bild: BMW)

Aus dem auf der Landstraße fahrenden Lastlenker wird prompt ein Mautflüchtling und jedes Überholmanöver auf der Autobahn ist dann ein Elefantenrennen – dabei überholen sich Elefanten niemals, sondern trotten in der Reihe. Schnell wird da die Forderung nach einem absoluten Überholverbot laut, wie es Luxemburg tagsüber eingeführt hat. Aber Deutschland ist nicht Luxemburg.

Keinen Bock auf den Bock

Unter den deutschen Pkw-Fahrern gibt es noch eine wirklich kleine Minderheit, die sich für Lkw-Technik interessiert, aber nicht für die Fahrer. Durch die aktuelle Lektüre der Motorpresse informiert, stellen sie sich einen hoch technologisierten Arbeitsplatz vor. Einen Lkw, der nur nach Pusten eines Alkoholtesters startet, mit automatischem Abstandshalter- und Notbremsystem, komplett mit Spur-Guide und digitalem Tachographen, der rigide die Arbeitszeit überwacht.

Euphorische Berichte über all diese Systeme, die es tatsächlich gibt, aber in den wenigsten Lkw eingebaut sind, verstärken nur den Ärger über die Lkw-Fahrer, der eigentlich nur noch ein bisschen lenken muss. Das bisschen Fahren? Von wegen. „Es gibt wohl kaum eine Branche, in der die schlechten Arbeitsbedingungen so sichtbar sind“, heißt es in einem Fazit der Bundesanstalt für Straßenwesen. Doch hinsehen will niemand, was sich da oben „auf dem Bock“ abspielt: Eine nordrhein-westfälische Initiative, die Pkw-Fahrer zum Mitfahren und Kennenlernen der Arbeitswelt der Trucker vermittelte, musste ihre Aktion mangels Interesse der Pkw-Fahrer einstellen.

Brummi-Fahrer wollen nicht die Prügelknaben sein

Verständnisschwierigkeiten gibt es auch auf der anderen Seite. Lkw-Fahrer wollen verständlicherweise nicht die Prügelknaben der Nation sein. Sie betonen immer wieder, dass es die Pkw-Fahrer sind, die für die gereizte Stimmung auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen verantwortlich sind. Gefährliche Überholmanöver, die Lkws zur Notbremsung zwingen und Unfälle auslösen, werden den Pkw-Fahrern angelastet.

Besonderer Beliebtheit erfreut sich neuerdings eine Studie der Internationalen Straßentransportunion, die feststellt, dass lediglich 25 Prozent aller Unfälle auf das Konto von Lkw gehen. Dabei scheint die Studie geschönt zu sein, berücksichtigt sie offenbar nicht die Unfälle infolge allgemeiner Übermüdung. Gerade die schlimmen Folgen von Auffahrunfällen mit Lkw-Beteiligung werden gerne heruntergespielt. Entsprechende Bilder dürfen in den Fachblättern nicht einmal veröffentlicht werden. Beschönigend wird vom Kollegen gesprochen, der nach einer Wasserflasche hangeln musste – und auf einen Reisebus auffuhr, in dem 13 Menschen starben. Und über den (französischen) Kollegen, der mit hohem Alkoholspiegel gestoppt wurde, während er in voller Fahrt auf dem Laptop einen Pornofilm goutierte, werden Witze gemacht.