Österreich: Gesetzentwurf für Vorratsdatenspeicherung

Die österreichische Verkehrsministerin Doris Bures hat einen Entwurf für eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG 2003) veröffentlicht, der vorsieht, dass Telekommunikationsanbieter künftig Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Kunden auch ohne konkrete Verdachtsmomente ein halbes Jahr lang speichern müssen.

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Die österreichische Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) hat einen Entwurf für eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG 2003) zur Begutachtung veröffentlicht. Mit den neuen Normen soll in dem Land die Vorratsdatenspeicherung eingeführt werden. Telekommunikationsanbieter müssen demnach künftig Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Kunden auch ohne konkrete Verdachtsmomente ein halbes Jahr lang speichern.

Da die in einer EU-Richtlinie für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung vorgesehene Frist längst verstrichen ist, muss sich die Republik Österreich gegenwärtig vor dem EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren verantworten. Am Dienstag ist eine Stellungnahme fällig. Davor musste aus verfahrenstechnischen Gründen die Novelle in die Wege geleitet werden. Allerdings könnte der Entwurf im weiteren Prozess noch Veränderungen erfahren. Weder die Opposition noch der Koalitionspartner ÖVP sind mit dem Entwurf zufrieden, wenngleich aus unterschiedlichen Motiven.

Interessierte Personen haben nun acht Wochen Zeit, Stellung zu nehmen, was ungewöhnlich lange ist. Ungewöhnlich ist auch die Entstehungsgeschichte des Entwurfs: Er wurde weder von Ministerialbeamten noch von Parlamentsmitgliedern erstellt. Vielmehr hatte Bures das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte damit beauftragt. Dieses bildete eine Arbeitsgruppe, der neben Juristen und Gesandten betroffener Telekommunikationsanbieter auch Vertreter der Ministerien für Inneres sowie Justiz angehörten.

Trotzdem rührt sich nun aus diesen ÖVP-geführten Ressorts Widerstand. Den Entwurf ohne Placet des Koalitionspartners in Begutachtung zu schicken sei "ein bisschen ein Affront", heißt es aus dem Justizministerium, während man laut Presse im Innenministerium "äußerst irritiert" reagierte. Dort zweifelt man an der Praktikabilität des Entwurfs und hegt "schwerste Bedenken", ob der Entwurf den Bedürfnissen der Polizei entspricht. Insbesondere wird ein Zugriff auf die Vorratsdaten auch bei leichten Straftaten mit weniger als einem Jahr maximaler Strafdrohung gefordert.

Im Entwurf selbst ist von "schweren Straftaten" die Rede – was genau das ist, soll das Justizministerium festlegen. Dort fordert man "keinen Rückschritt bei den bisherigen Möglichkeiten der Kriminalitätsbekämpfung." Bures dazu: "Tatsächlich werden durch die Umsetzung der EU-Richtlinie die rechtlich zulässigen Möglichkeiten für Polizei und Justiz erweitert." Begleitend müsse aber die datenschutzrechtliche Kontrolle erweitert werden. "Die Zeit der Begutachtung ist dazu da, um die Gespräche mit dem Koalitionspartner und mit allen Interessengruppen weiterzuführen. Ich erwarte hier eine rege Beteiligung der Zivilgesellschaft."

BZÖ und Grüne lehnen eine Zustimmung zum Entwurf ab. "Es ist eine Frechheit, wenn die über acht Millionen Österreicher generell zu potenziellen Terroristen erklärt werden, die man ja zu ihrer eigenen Sicherheit unbedingt überwachen muss. Den Staat geht es nichts an, wer mit wem was telefoniert", äußerte sich etwa BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler, "Hier haben die staatlichen Datenschnüffler nichts verloren". Die FPÖ schoss sich derweil auf die dem Entwurf zu Grunde liegende EU-Richtlinie ein.

Der Entwurf enthält auch einige Passagen, die verfassungswidrig sein könnten. Diese Teile sollen daher selbst in den Verfassungsrang gehoben werden, um dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Kontrolle darüber zu entziehen. Dieses Vorgehen hat in Österreich Tradition. Die dafür erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit würde aber die Zustimmung von mindestens 14 Nationalratsabgeordneten der Opposition erfordern.

Unabhängig von der Vorratsdatenspeicherung haben die drei Oppositionsparteien vereinbart, bis März keine Zustimmung zu Zwei-Drittel-Materien zu geben. Anlass ist die Weigerung von SPÖ und ÖVP, bestimmte Minister und ehemalige Minister aus ihren eigenen Reihen in einen laufenden Untersuchungsausschuss zu laden. Die Opposition möchte die (ehemaligen) Regierungsmitglieder zu Abhör- und Geheimdienstthemen befragen.

Siehe dazu in c't-Hintergrund:

(vza)