Politik: Wissing fordert EU-Regeln für KI und Ende des Datenschutz-Föderalismus

Künstliche Intelligenz ist im Kommen. Wo sind Grenzen – und wo braucht es Regeln und weniger Kontrolle? Politiker haben dazu konkrete Vorschläge.

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(Bild: LuckyStep/Shutterstock.com)

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  • dpa
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In der Bundesregierung gibt es Rufe, schnell Regeln für die Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) zu schaffen. Digitalminister Volker Wissing (FDP) sagte der "Bild am Sonntag" (BamS): "Wir müssen jetzt klug reagieren und künstliche Intelligenz vernünftig regulieren, bevor es dafür zu spät ist. Das darf nicht wieder Jahre dauern." Er forderte, in Europa schnell einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen. SPD-Chefin Saskia Esken sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, KI dürfe nicht zur Überwachung am Arbeitsplatz missbraucht werden.

Aktuell sorgen ChatGPT, Googles Konkurrenz-Software Bard sowie Programme, die Bilder auf Basis von Text-Beschreibungen erzeugen können, für viel Aufsehen. Zugleich gibt es Sorgen, dass solche Technik auf Basis von KI etwa für die Verbreitung falscher Informationen missbraucht werden könnte.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte dem Handelsblatt: "Wesentlich kommt es dabei auf eine Balance an zwischen Innovationsoffenheit und einem klaren Rechtsrahmen, der Standards für vertrauenswürdige KI definiert." Inwiefern eine Zertifizierung eine Rolle spielen könne, werde sich zeigen. Die Bundesregierung habe sich im Rahmen der diskutierten EU-Verordnung zur KI-Regulierung dafür eingesetzt, die Nutzung bestimmter Hochrisiko-KI-Systeme durch die öffentliche Verwaltung in einer öffentlich zugänglichen Datenbank sichtbar zu machen. Gemeint sind Systeme, die zum Beispiel in den Bereichen Grenzkontrolle oder Strafverfolgung verwendet werden könnten – etwa für Vorhersagen zur Wahrscheinlichkeit von Verbrechen.

Wissing sagte der BamS, ein gesetzlicher Rahmen müsse sicherstellen, dass die neue Technologie nur dann eingesetzt werden dürfe, wenn sie sich an europäische Werte wie Demokratie, Transparenz und Neutralität halte. "KI-Systeme dürfen uns nicht manipulieren, sie müssen uns unterstützen." Dabei sieht er in der Nutzung von KI auch riesige Chancen.

SPD-Chefin Esken wies auch auf Risiken hin. Mit künstlicher Intelligenz könnten "absolut echt wirkende Bilder, Audios und Videos" erstellt werden, die aber reine Fälschungen seien. "So könnten zum Beispiel authentisch wirkende Aussagen von Politikern verbreitet werden, die diese nie getätigt haben. Durch so etwas könnten Kriege entstehen", sagte sie. Es müsse sichergestellt werden, dass echte Aufnahmen als solche zu erkennen seien – etwa durch ein digitales Wasserzeichen.

Zugleich trat Esken Befürchtungen entgegen, dass durch KI unter dem Strich Jobs verloren geben könnten. "Diese Befürchtung gibt es bei jedem Technologiesprung, und doch sind bisher immer mehr neue Jobs entstanden als ersetzt wurden." Außerdem gebe es schon jetzt einen großen Fachkräftemangel. Allerdings dürfe der Einsatz künstlicher Intelligenz nicht zur Überwachung am Arbeitsplatz missbraucht werden. "Dafür muss der Gesetzgeber sorgen."

Die Personalchefin des Softwarekonzerns SAP, Sabine Bendiek, sieht das ähnlich. Sie sagte der Deutschen Presse-Agentur, KI könne einen enormen Produktivitätsbeitrag leisten und eine Unterstützung für die Menschen sein. So könnten extrem monotone, sich wiederholende Aufgaben von KI übernommen werden. "Unsere Mitarbeitenden können sich dann wirklich darauf fokussieren, das einzusetzen, was Menschen so stark macht: Kreativität und die Fähigkeit, die Resultate mit einer anderen Perspektive zu bewerten und entsprechend umzusetzen." Esken ist dergleichen Meinung: "Dann können wir uns auf die Aufgaben konzentrieren, für die es menschliche Fähigkeiten braucht: Empathie, Kreativität, das Über-den-Tellerrand-hinaus-Blicken und das Lösen komplexer, neuartiger Aufgaben."

Die Gefahr, dass durch KI viele Jobs komplett wegfallen, sieht Bendiek so nicht. Jobs veränderten sich und es würden auch viele Jobs neu geschaffen. "Wir sehen dadurch eine Verschiebung der Kompetenzen und damit natürlich auch die Notwendigkeit, wie wir unsere Mitarbeitenden und Kunden in der Zukunft mit diesen Kompetenzen ausstatten." Angesichts des Fachkräftemangels, insbesondere im Digitalen, könne KI auch dazu beitragen, die beständig steigende Nachfrage nach digitalen Fähigkeiten mit dem richtigen Mix aus Mensch und Maschine besser abzufedern.

Es gehe jetzt vor allem darum, die Geschäftsprozesse der Kunden von SAP weiter mit KI zu automatisieren und die Qualität von Entscheidungen zu erhöhen. SAP nutze KI zum Beispiel unter anderem im Personalwesen in Form eines Chatbots. Dieser habe laut Bendiek im vergangenen Jahr rund 42.000 Anfragen von Mitarbeitern angenommen und eigenständig geklärt. Da gehe es um ganz klassische Fragen von Angestellten, die nach Informationen suchten, etwa zu Benefits, zum Urlaub oder auch zum flexiblen Arbeitsmodell von SAP.

Um die KI-Anwendungen innerhalb des Unternehmens weiterzuentwickeln, schaue sich SAP zum Beispiel auch den populären KI-Textroboter ChatGPT des kalifornischen Start-ups Open AI genau an. "Wir glauben, dass da viel Potenzial für uns drinstecken kann", sagte Bendiek. Auch mit dem Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha teste SAP verschiedene Anwendungsfälle. "Wir bewerten dann, wie spannend das tatsächlich ist, auch für potenzielle Partnerschaften."

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Wissing hat die Bundesländer zusätzlich aufgefordert, stärker digital zusammenzuarbeiten und ihre Datensysteme kompatibel zu machen. "Es ist doch absurd, wie oft man im Laufe seines Lebens auf dem Amt seinen Namen, sein Geburtsdatum und seine Anschrift angeben muss. Einmal sollte reichen. Das scheitert im Moment daran, dass die Verwaltung mit ganz unterschiedlichen Systemen arbeitet", sagte der FDP-Politiker der BamS. "Die Verwaltung in Hessen kann nicht ungehindert mit der in Thüringen kommunizieren und deshalb dort auch nicht alle Daten abrufen. Wir brauchen Schnittstellen, die das ändern."

Zugleich plädierte Wissing für Änderungen beim Datenschutz. "Der Datenschutz in Deutschland muss vereinfacht werden. Es geht nicht mehr, dass die Datenschutzbehörden in jedem Bundesland unterschiedlich entscheiden", sagte er. "Wir wollen Kompetenzen klarer sortieren und die Rolle einer übergeordneten Stelle stärken."

(bme)