Apple ohne Frühjahrs-Event 2023: Warum das Unternehmen aus dem Takt geraten ist

Verspätete Macs und eine fehlende Frühjahrs-Keynote: Apple hat das Jahr 2023 ungewöhnlich begonnen. Dafür gibt es mehrere Gründe.

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Apple-Logo neben verschiedenen Einzelteilen

(Bild: Erstellt mit Midjourney durch Mac & i)

Lesezeit: 5 Min.
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Das gab es bei Apple seit weit über einem Jahrzehnt nicht mehr: Gleich zum Jahresbeginn ist mit MacBook Pro und Mac mini neue Hardware erschienen, obwohl der Hersteller die Wochen nach dem großen Weihnachtsgeschäft für Produkteinführungen sonst meidet. Schnell war klar, dass die Macs mit den Chips M2 Pro und M2 Max eigentlich im Herbst 2022 auf den Markt hätten kommen sollen, sich aber um mehrere Monate verspätet haben. Im Anschluss wurde es dann sehr ruhig, auf ein meist im März oder spätestens April stattfindendes "Special Event" mit neuen Produkten scheint Apple diesmal gleich ganz zu verzichten.

Apples Frühjahrs-Events sind gewöhnlich keine Randveranstaltungen, nur um iPhones in einer neuen Farbe vorzustellen. Im vergangenen Jahr brachte die Keynote mit dem Mac Studio immerhin ein komplett neues Desktop-Modell, das die riesige Lücke zwischen Mac mini und Mac Pro schließt. Während die Profi-Notebooks inzwischen auf den M2-Zug aufgesprungen sind, steht das erste Update des Mac Studio aber weiterhin aus, wie übrigens auch der längst überfällige Umstieg des Mac Pro, der als letzter Mac immer noch mit Intel-Prozessoren ausgeliefert wird – statt mit Apple-Chips.

Klar ist, dass die durch die Coronapandemie ausgelösten Verwerfungen und Probleme in der Lieferkette vieles durcheinander gebracht haben und auch an Apple nicht spurlos vorbeigegangen sind. Es ist noch nicht lange her, da musste der Konzern vor massiven Lieferschwierigkeiten bei seinem iPhone-Flaggschiff – und damit dem mit Abstand wichtigsten Produkt – warnen, was letztlich das Geschäftsergebnis im Weihnachtsquartal belastete. Auslöser waren Lockdowns in den riesigen chinesischen Fabriken, in denen Auftragsfertiger die Hardware für Apple montieren.

Die Lockdowns sind inzwischen beendet, doch Apples Lieferkette steht vor dem wohl größten Umbruch der letzten Jahrzehnte: Um ebenso immense wie zunehmend riskante Abhängigkeit von China zu verringern, beschleunigt das Unternehmen die Verlagerung von Fertigungskapazitäten in andere Länder wie Vietnam und Indien (siehe auch Riesenmarkt und Produktionsstandort Indien: Warum Apple sich von China löst).

Doch nicht nur in der fernen Lieferkette knirscht es, sondern auch zu Hause im Apple Park: Im Unterschied zu den anderen US-IT-Giganten hat Apple zwar bislang auf Massenentlassungen verzichtet, doch auf der oberen Führungsebene ist ein auffälliger "Brain-Drain" zu verzeichnen. Eine größere Zahl teils langgedienter Topmanager hat das Unternehmen in den vergangenen Monaten verlassen, darunter auch der Machine-Learning-Chef, der offenbar nicht verpflichtend aus dem Home-Office ins Büro zurückkehren wollte. Insgesamt gilt Apple im großen KI-Wettrüsten derzeit als schlecht aufgestellt, zumindest was große Sprachmodelle wie ChatGPT angeht (siehe auch Wo bleibt Siri 2.0? Die Magie der KI – und was Apple aufzuholen hat).

Die wohl größte Lücke klafft ausgerechnet in Apples einst so mächtiger und zentraler Design-Abteilung, der demnächst wohl die Führung fehlt: Hardware-Design-Chefin Evans Hankey verlässt den Konzern, hieß es im Oktober, ein Nachfolger wurde nicht benannt. Die Produktdesigner des Konzerns sind dann nicht etwa direkt CEO Tim Cook unterstellt, sondern dem Leiter des operativen Geschäfts. Auf oberster Ebene spricht bei Apple seit dem Weggang von Jony Ive kein Designer mehr mit. Steve Jobs' Apple, dessen Produkte über 15 Jahre die Marschrichtung ganzer Branchen vorgaben, ist damit endgültig Geschichte.

Jony Ive (links) prägte Apples Design für gut 20 Jahre – vom iMac und iPod über das iPhone bis zur Apple Watch. Nun scheint der Konzern ganz auf einen Design-Chef zu verzichten.

(Bild: Apple)

Viele Ressourcen bindet fraglos auch die kommende Regulierung in Europa durch den Digital Markets Act und Digital Services Act, zum ersten Mal greifen gesetzliche Vorgaben massiv in iOS & Co ein. Widerwillig dürften die Entwickler des Konzerns an Schnittstellen für Sideloading und alternative App Stores feilen, gegen die sich Apple so lange erfolgreich gewehrt hat. Auch die Öffnung der Plattform für vollwertige Browser, die Freigabe der NFC-Schnittstelle für andere Bezahldienste und die Interoperabilitätsvorgaben für das bisher auf Apple-Geräte beschränkte iMessage binden sicherlich intern Ressourcen.

Der Elefant im Raum ist jedoch Apples Mixed-Reality-Headset. Der Endspurt zur Einführung der ersten großen neuen Produktkategorie seit rund zehn Jahren dürfte höchste Priorität genießen und manch anderes Projekt auf die lange Bank schieben. Nachdem die Einführung des Headsets zunächst für 2022, dann für Anfang 2023 erwartet wurde, hat sich die Gerüchteküche inzwischen auf die Entwicklerkonferenz WWDC im Juni als Termin eingeschossen.

Nach dem ungewöhnlichen Jahresauftakt könnte Apple bald in den gewohnten Rhythmus zurückzufinden: Auf einer vollgepackten WWDC-Keynote dürfte Apple neben iOS 17, iPadOS 17, macOS 14 und watchOS 10 mit "xrOS" ein neues Headset-Betriebssystem vorstellen, inklusive SDK und weiteren Entwickler-Tools für das Headset. Auch frische Macs zeichnen sich bereits ab, die ebenfalls im Juni erscheinen könnten, darunter wohl ein 15" MacBook Air. Den überfälligen Mac Pro, einen neuen Mac Studio und einen aktualisierten iMac erwarten manche Beobachter aber erst später – und im September stehen schon das iPhone 15 und neue Apple Watches an.

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