Kein Staatstrojaner für deutsche Bundespolizei

Die Regierungsfraktionen novellieren das Bundespolizeigesetz, ohne Lizenz zur Quellen-TKÜ. Quittungen sollen Racial Profiling erschweren.

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Auf einem Tisch liegt ein Smartphone. Aus dem Smartphone ragt ein Pferdekopf in den Farben Schwarz-Rot-Gold
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Die Bundespolizei soll keinen Staatstrojaner einsetzen dürfen. Darauf haben sich die Fraktionen der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP nach langen Auseinandersetzungen geeinigt, berichtet die FAZ. Im Gegensatz zur vorherigen schwarz-roten Koalition soll die Polizei also keine staatliche Malware direkt auf dem Endgerät eines Verdächtigen installieren dürfen, um Daten vor einer Verschlüsselung oder nach einer Entschlüsselung zu kopieren (Telekommunikationsüberwachung an der Quelle, Quellen-TKÜ).

Eigentlich ist der Koalitionsvertrag hier klar. Darin heißt es: "Das Bundespolizeigesetz novellieren wir ohne die Befugnis zur Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung". Trotzdem drängte das Bundesinnenministerium laut dem Bericht darauf, "an diesem Punkt noch weiterzugehen".

Der Bundestag hat im Juni 2021 zwar bereits einen Entwurf zur Novelle des Bundespolizeigesetzes beschlossen. Diese enthielt eine Erlaubnis zum Einsatz von Staatstrojanern. Die Strafverfolger sollten so an Kommunikation herankommen, die über verschlüsselte Dienste wie WhatsApp, Signal oder Threema läuft. Der Bundesrat stimmte der Initiative wenig später aber nicht zu. Er rieb sich vor allem an den damit verknüpften weiten Einschnitten in die Kompetenzen der Länderpolizeien. Der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wollte neben der Lizenz für heimliche Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ auch die biometrische Gesichtserkennung zulassen. Die SPD hat bei letzterer aber Bedenken, sodass der Kompromiss auf die Quellen-TKÜ hinauslief. Dagegen legten dann Grüne und FDP ihr Veto ein, unter Verweis auf das Koalitionsabkommen.

Neu gefasst werden sollen mit dem jetzigen Anlauf laut FAZ die Vorschriften zum Erheben und Auswerten von Bestands-, Nutzungs- und Verkehrsdaten. Bund und Länder haben sich schon im März 2021 im Vermittlungsausschuss auf Korrekturen an einem umstrittenen Gesetzentwurf verständigt, mit dem die Regeln für die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 2020 angepasst werden sollen. Damit darf neben dem Bundeskriminalamt auch die Bundespolizei im Kampf gegen schwere Straftaten Passwörter bei Telemediendiensten wie WhatsApp, eBay, Facebook, Gmail, YouTube oder Tinder abfragen.

Die Innenpolitiker des Regierungsbündnisses vereinbarten zudem eine Klausel gegen Racial Profiling, schreibt die FAZ. Diese soll Polizeikräften eine rechtssichere Grundlage für Kontrollen geben, ohne dass dabei der Verdacht entsteht, sie würden ausschließlich aufgrund äußerer Merkmale durchgeführt. Ein entsprechendes Erscheinungsbild soll einer Überprüfung aber nicht im Wege stehen, wenn Erfahrung oder aktuelle Ereignisse sie angemessen erscheinen lassen. Im Gegenzug können überprüfte Personen eine Kontrollquittung erhalten, wenn sie das verlangen. Damit soll der Verlauf einer Personenprüfung dokumentiert werden, ohne Polizeiarbeit unter Generalverdacht zu stellen.

Die Zeit drängt bei der Reform: Die EU-Kommission hat bereits voriges Jahr ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil es die EU-Richtlinie zum Datenschutz bei Polizei und Justiz von 2016 immer noch nicht komplett umgesetzt hat. Grund dafür sind fehlende Vorgaben für die Bundespolizei. Daher kann der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber Datenschutzverstöße dort nur beanstanden, wirksame Durchsetzungsbefugnisse fehlen.

Der SPD-Innenexperte Sebastian Hartmann erläuterte, die Ressorts der Regierung hätten sich bei der längst geplanten Reform verhakt, die Fraktionen jetzt selbst eine Lösung gefunden. Seitens der Grünen ist von einer "Richtungsentscheidung für die Modernisierung der Bundespolizei" die Rede, seitens der FDP von einer Einigung, die Freiheit und Sicherheit der Bürger gleichermaßen stärke.

(ds)