Klimawandel: Anti-Innovations-Innovationen

Statt den Klimawandel schnell und mit viel Geld zu bekämpfen, bevor es noch schlimmer wird, lähmen kleinliche Diskussionen über Randprobleme die Gesellschaft.

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Der Internet-Stromverbrauch zerstört unseren Planeten, 2035 tanken wir E-Fuels, die alte Gasheizung läuft in 20 Jahren mit Wasserstoff und Windräder rotten den Rotmilan aus. Diese unterschiedlichen Behauptungen haben eine gemeinsame Wurzel: Sie sollen dringend notwendige Veränderungen ausbremsen, die wir seit einem Vierteljahrhundert verschleppen. In jeder Aussage steckt zwar ein Fünkchen Wahrheit, aber die wesentlichen Teile des Gesamtbilds werden verdreht oder verschwiegen. Das Konzept kennt man von Donald Trump, Coronaleugnern und anderen Bauernfängern.

Vor uns liegen gewaltige und milliardenteure Aufgaben, um den Klimawandel mit möglichst wenigen Schäden und Leid zu überstehen. Der unbequeme Austausch einer Gasheizung könnte uns als lächerliches Randproblemchen erscheinen, wenn wir in 25 Jahren vor existenziellen Schwierigkeiten stehen. Und dass solche drohen, befürchten weit über 90 Prozent der Wissenschaftler, die an den jeweiligen Themen arbeiten. Die Realität überholt derzeit sogar einige düstere Prognosen, etwa zu Temperaturanstieg und Dürren.

Eine seltsame Allianz streut trotzdem Sand ins Getriebe, wo immer sie kann. Ja, die IT frisst viel Strom und das muss sich auch ändern. Doch um den Faktor 20 längere Hebel zum Energiesparen liegen etwa bei Wohnungsheizung und Autoverkehr. Alleine schon Tempo 100 auf Autobahnen würde den CO2-Ausstoß aller Rechenzentren annähernd kompensieren. Und selbst in Deutschland nutzen mehr Menschen täglich das Internet als ein Auto. Aber ein Tempolimit darf nicht sein – genau davon lenkt der Verweis auf stromfressende Rechenzentren ab.

Bis E-Fuels breit verfügbar sind, gibt es möglicherweise kaum noch Tankstellen mit Zapfsäulen, weil sich das nicht mehr lohnen wird. Ein flächendeckender Umbau von Erdgasverteilnetzen für Wasserstoff dürfte angesichts schrumpfender Kundenzahl in 20 Jahren unwirtschaftlich sein. Und tatsächlich geraten Vögel in Windräder, aber die hiesige Rotmilan-Population schrumpfte vor allem durch industrielle Landwirtschaft und zubetonierte Naturräume. Statt unnütz auf Nebenschauplätzen zu streiten, müssen wir jetzt loslegen: Windräder, Solarzellen, Akkus, Dämmung und Wärmepumpen stehen bereit. Teuer wird es sowieso – und je länger wir zögern, desto teurer.

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(ciw)