Razzia wegen Link: Landgericht nimmt Anklage gegen "Radio Dreyeckland" nicht an

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ist vor Gericht mit ihrer Anklage gegen Radio Dreyeckland wegen eines Links abgeblitzt. Sie wurde nicht angenommen.

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(Bild: VGV MEDIA/Shutterstock.com)

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Das Landgericht Karlsruhe hat die Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen den Verfasser eines Onlineartikels wegen der Verlinkung auf das Archiv der verbotenen Vereinigung "linksunten.indymedia" nicht angenommen. Das berichtet das Radio Dreyeckland (RDL), wo der Redakteur angestellt und der Artikel erschienen ist. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte spricht von einem wegweisenden Beschluss. Festgestellt wurde demnach auch, dass die Razzien in Wohnungen und Geschäftsräumen im Januar rechtswidrig waren. Die Kopien der beschlagnahmten Datenträger müssten gelöscht werden, habe das Landgericht angeordnet.

Die Bürgerrechtler der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützten den Radiosender bei der rechtlichen Aufarbeitung und nennen die Entscheidung aus Karlsruhe ein "Signal für freie und kritische Presseberichterstattung in ganz Deutschland". Es sei festgestellt worden, dass das Setzen von Links zum geschützten Bereich der freien Berichterstattung gehört und Medien für verlinkte Inhalte "nicht ohne Weiteres strafrechtlich belangt werden können". Darauf war bereits im Januar öffentlich hingewiesen worden, auch weil nicht nur der Radiosender, sondern Medien in ganz Deutschland auf die Seite verlinkt haben.

Für rechtswidrig erklärt wurden damit die Durchsuchungen der Geschäftsräume von Radio Dreyeckland, genauso wie die Razzien in Privaträumen von Angestellten. Begründet wurde die viel kritisierte Maßnahme mit einem Link in einem Onlineartikel. Der führte zu jenem Artikelarchiv und wurde als unzulässige Weiterverbreitung gewertet. Mit dem juristischen Vorgehen dagegen wollte die Gesellschaft für Freiheitsrechte ein Präzedenzurteil erstreiten und notfalls bis vors Verfassungsgericht ziehen. Das wird wohl nicht nötig sein. Noch kann die Staatsanwaltschaft aber Beschwerde gegen die Nichtzulassung einlegen. Über die von den Betroffenen eingelegten Beschwerden gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsbeschlüsse muss dagegen noch entschieden werden.

Die Internetplattform "linksunten.indymedia" galt Sicherheitsbehörden als einflussreichstes Medium der linksextremen Szene in Deutschland – und als Forum für gewaltbereite Autonome. Bei dem Verbotsverfahren wandten die Sicherheitsbehörden einen Kniff an: Formal handelte es sich um ein Vereinsverbot – die Betreiber wurden von den Behörden als Verein eingestuft. Dagegen reichten mehrere Personen Klage ein, die Existenz des Vereins bestritten sie aber. Deswegen scheiterten sie 2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht aus formalen Gründen, denn zur Anfechtung eines solchen Verbots sei "regelmäßig nur die Vereinigung" befugt. Radio Dreyeckland ist der älteste freie Radiosender Deutschlands; er entstand in den 1980er-Jahren aus der Anti-Atomkraft-Bewegung.

(mho)