"KI-Überregulierung": OpenAI droht mit Einstellung von ChatGPT in der EU

Die geplante EU-Verordnung für Künstliche Intelligenz geht Sam Altman, dem Chef der ChatGPT-Firma OpenAI, zu weit. Google-Chef Sundar Pichai sieht das anders.

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Europaflagge

(Bild: Svetlana Turchenick/Shutterstock.com)

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Im US-Senat mahnte Sam Altman, Chef des ChatGPT-Anbieters OpenAI, jüngst nachdrücklich eine Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) und insbesondere von großen Sprachmodellen wie dem hauseigenen GPT-4 an. Was die EU aktuell mit der kommenden KI-Verordnung plant, schießt laut dem Programmierer aber weit übers Ziel hinaus. "Der derzeitige Entwurf des EU-KI-Gesetzes wäre eine Überregulierung", erklärte er laut Agentur- und Medienberichten am Mittwoch auf einem Panel am University College London (UCL). "Wenn wir die Vorschriften einhalten können, werden wir dies tun", lautete seine Ansage. Sei dies nicht machbar, "werden wir den Betrieb einstellen".

"Es gibt technische Grenzen für das, was möglich ist", zitiert etwa das US-Magazin "Time" Altman. Laut des derzeitigen Gesetzentwurfs könnten sowohl ChatGPT als auch GPT-4 als Hochrisiko-System behandelt werden. Dies würde es erfordern, dass der Microsoft-Partner zahlreiche Anforderungen erfüllen und etwa eine Risikoabschätzung vornehmen müsste. Der 38-Jährige warb stattdessen für eine Mischung aus einem "traditionell europäischen" Regulierungsansatz und dem US-amerikanischen Laissez-Faire-Prinzip. Sonst würden vor allem kleine Unternehmen und Open-Source-Entwickler unter unerfüllbaren Auflagen leiden.

Ausschüsse des EU-Parlaments beschlossen vor zwei Wochen ihre Linie zur geplanten KI-Verordnung. Neue Dienste wie ChatGPT sollen demnach zwar nicht von vornherein als hochriskant eingestuft, aber trotzdem besonders streng reguliert werden. Betreiber von KI-Basismodellen, die auf einer umfangreichen Menge nicht-kategorisierter Daten im großen Stil trainiert wurden, müssten aber vorhersehbare Risiken für Gesundheit, Sicherheit, Grundrechte, Umwelt, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unter Einbeziehung unabhängiger Experten prüfen und gegebenenfalls abmildern. Hersteller generativer KI-Modelle wie OpenAI wollen die Abgeordneten auch verpflichten, "eine hinreichend detaillierte Zusammenfassung der Verwendung von urheberrechtlich geschützten Trainingsdaten zu dokumentieren und öffentlich zugänglich zu machen".

Altman hob in London hervor, er sei gegen Vorschriften, die den Zugang der Nutzer zu der Technik einschränkten. Ihm schwebt eine Behörde vor, die KI-Basismodelle prüft. In der EU laufen dagegen schon Untersuchungen von ChatGPT. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) etwa hat Mitte Mai eine Taskforce rund um den Chatbot gegründet und erste "offene Diskussionen" geführt. Er reagierte damit auch auf ein kurzzeitig ausgesprochenes Verbot für ChatGPT durch die italienische Datenschutzbehörde. Die Arbeitsgruppe soll eine einheitliche Rechtsdurchsetzung in der EU sicherstellen und verhindern, dass diverse Kontrolleure der Mitgliedsstaaten auf Beschwerden hin im Alleingang Sanktionen verhängen.

Google hat sein eigenes ChatGPT-Pendant Bard jüngst in 180 Ländern veröffentlicht, nicht aber in EU-Staaten. Dem Vernehmen nach will der US-Konzern erst die noch ausstehenden Verhandlungen über die KI-Verordnung abwarten. Google-Chef Sundar Pichai hat bei einem Treffen mit dem EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton am Mittwoch nach dessen Angaben aber erklärt, dass der Internetriese alle einschlägigen Vorschriften der Gemeinschaft einhalten wolle. Dazu gehörten neben den künftigen KI-Regeln etwa auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und der Digital Services Act (DSA).

"Sundar und ich waren uns einig, dass wir es uns nicht leisten können, zu warten, bis die KI-Regulierung tatsächlich in Kraft tritt", unterstrich Breton gegenüber TechCrunch. Man wolle mit allen einschlägigen Entwicklern zusammenarbeiten, "um bereits vor Ablauf der gesetzlichen Frist auf freiwilliger Basis einen KI-Pakt zu entwickeln". Im aktuellen KI-Wettrennen dürfe keine Zeit verloren werden, um eine sichere Online-Umgebung zu gewährleisten. Google sei der erste Anbieter, mit dem die Kommission diese Idee besprochen habe. Anfang der Woche schlug die für Digitales zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager auf dem G7-Gipfel in Japan vor, dass vor allem die EU und die USA für eine Übergangszeit vor dem Greifen neuer Gesetze Mindeststandards für KI festlegen sollten. Die G7-Staatenlenker vereinbarten, einen solchen "Hiroshima-KI-Prozess" in die Wege leiten zu wollen.

(mho)