Wehret den Anfängen. Wendet euch von Apple ab

Apple nimmt eine essenzielle Beschädigung von zivilisatorischen Errungenschaften wie der Meinungs- und Pressefreiheit in Kauf. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Bernd Oestereich

Ich bin ein PC-Nutzer. Dennoch mag ich die Produkte von Apple. Sie sind cool. Beim iPhone reichten mir die Leistungsmerkmale zwar nicht, und beim Notebook war ich nur kurz davor, zu konvertieren – aber trotzdem: Die Apple-Produkte sind cool, und das Design ist schick!

Nach der iPad-Ankündigung war mir klar: Das würde ich kaufen und benutzen. Die Eigenschaften des iPads und seiner Nachahmerprodukte werden den Umgang von uns Menschen mit Geräten aller Art revolutionieren. Es ist ein Meilenstein in der Technikhandhabung, davon bin ich überzeugt. Steve Jobs und seinem Unternehmen gebühren für diese innovative Kraft Anerkennung und Wertschätzung.

Meine ersten Gedanken zum iPad waren weiterhin: na ja, da kommt ja was auf die Zeitschriftenverleger zu! Das, was der Musikindustrie vor einiger Zeit widerfahren war, weil sie sich ans Alte geklammert hatten, wiederholt sich jetzt bei den Verlagen. Auch die haben viel verschlafen und können von ihren überholten Geschäftsmodellen nicht wegkommen. Mediapads werden einen Veränderungsimpuls auslösen, der stark genug ist, den Verlagsmarkt nachhaltig umzukrempeln.

Doch zwei interessante Entwicklungen haben mein Denken verändert:

Zum einen hat Apple vor einiger Zeit angefangen, Angebote von iPhones (und damit auch vom iPad) zu verbannen (siehe beispielsweise hier), die inhaltlich nicht den Apple-Vorstellungen entsprechen. Da es nicht um straftatsrelevante Aspekte, sondern um Geschmack geht, ist das inhaltliche Zensur.

Zum anderen lässt Apple auch nur noch solche Angebote zu, die mit Werkzeugen entwickelt wurden, die Apple genehm sind, wie folgende Passagen aus Apple-Bedingungen zeigt:

"3.3.1 – Applications may only use Documented APIs in the manner prescribed by Apple and must not use or call any private APIs. Applications must be originally written in Objective-C, C, C++, or JavaScript as executed by the iPhone OS WebKit engine, and only code written in C, C++, and Objective-C may compile and directly link against the Documented APIs (e.g., Applications that link to Documented APIs through an intermediary translation or compatibility layer or tool are prohibited)."

iPhone und iPad sind keine offenen und freien Geräte. Apple kontrolliert zentral den Zugang von Anwendungen und Inhalten. Dass Apple den Konkurrenten Adobe und dessen Flash-Plattform ausbremsen will, ist ein weitgehend normales kapitalistisches Spiel. Es geht hier um sehr viel Geld, und Adobe unterminiert schließlich die zentrale Kontrolle von Apple über die Anwendungen und Inhalte der Apple-Produkte. Wir alle kennen ähnliche Spielchen von Microsofts früherer Browser-Politik her. Neben Adobe gibt es noch andere Unternehmen, die Cross-Compiler gebaut haben, mit denen Anwendungen aus anderen Umgebungen einfach in iPhone- und iPad-Apps konvertiert werden könn(t)en.

Zeitschriften und Magazine sind nach Apples Vorstellungen wichtige Inhaltslieferanten für das iPad. Apple begegnet den Verlagen aber nicht auf Augenhöhe, sondern versucht von Anfang an, deren Macht in die eigene zu transformieren, sie zu Zulieferern zu degradieren. Auch das mag man für unfair halten, ist aber auch keine neue oder ungewöhnliche kapitalistische Intention.

Auf dem ersten Blick zumindest. Denn etwas ist doch anders: Apple stellt ja nicht nur das virtuelle "Papier" bereit und druckt virtuell die "Zeitschriften", Apple betreibt auch die virtuellen "Zeitungskioske" und gibt den Autoren die zu verwendenden "Schreibwerkzeuge" vor. Das ist in seiner Tragweite neu. Basis sind Geschäfts-, Nutzungs- und Lizenzbedingungen und inhaltliche Doktrinen, die der Zielerreichung des Unternehmens Apple gelten. Microsoft, Google und Apple sind Weltmächte, denen Staaten und Staatengemeinschaften (also unseren Selbstorganisationsformen auf Makroebene) längst nicht mehr genug entgegensetzen können.

Der Untergang der alten Musikindustrie war mir ja weitgehend egal. Unterhaltung. Na ja. Jetzt geht es um Meinungs- und Pressefreiheit!

Nicht dass ich das "Girl von Seite eins" in der "Bild", die Geschmacklosigkeiten der Titanic-Titelseiten oder Mohammed-Karikaturen gut fände, aber wir sind so frei. Müssen wir uns jetzt prüden amerikanisch-konservativen Werten oder den privaten Wertvorstellungen von Steve Jobs unterwerfen? Ich glaube, wir können uns noch gar nicht vorstellen, welche Konsequenzen die Weltmachtstellung von Apple letztlich bedeuten würden. Dagegen ist Google derzeit richtig sympathisch, schmücken die sich immerhin noch mit dem Eigenanspruch, geliebt werden und nicht "teuflisch" sein zu wollen.

Der Teufel hat Apple gekapert. Steve Jobs nimmt eine essenzielle Beschädigung von zivilisatorischen Errungenschaften wie der Meinungs- und Pressefreiheit in Kauf. Ob aus Macht- oder Gewinnstreben ist gar nicht relevant.

Liebe App-Entwickler: Wehret den Anfängen! Nutzt schon rein aus Protest Cross-Compiler! Oder entwickelt gleich (oder für die Zaghaften meinetwegen zusätzlich) Flash-Lösungen.

Liebe iPad-Käufer: Prüft (leistungsfähigere!) Alternativen wie das WePad und nehmt mal für ein paar Monate in Kauf, dass es ein paar Apps weniger gibt.

Nachfolgende Generationen werden es euch danken. ()