Sauberes Kerosin aus Kohle
Ein neues Herstellungsverfahren soll der US-Luftwaffe in einigen Jahren erlauben, ihre Jets nur noch mit Treibstoffen aus heimisch hergestellten Energieträgern zu fliegen.
- Kevin Bullis
Ein neues Herstellungsverfahren soll der US-Luftwaffe in einigen Jahren erlauben, ihre Jets nur noch mit Treibstoffen aus heimisch hergestellten Energieträgern zu fliegen.
Das amerikanische Militär testet ein neues Flugbenzin, das auf absehbare Zeit Erdöl-basierte Treibstoffe für den Luftwaffenbetrieb ersetzen könnte. Das aus heimischer Kohle und Pflanzenbiomasse produzierte Kerosin wird weniger CO2 freisetzen als herkömmliche Energieträger. Möglich werden soll das durch einen neuen Produktionsprozess, den das Unternehmen Accelergy aus Texas entwickelt hat – basierend auf Forschungsarbeiten des Ölkonzerns ExxonMobil und des Wissenschaftszentrums für Energie und Umwelt an der University of North Dakota.
Bereits getestete experimentelle Biotreibstoffe für Jets setzten bislang voraus, dass mindestens 50 Prozent Erdöl-basierte Rohstoffe genutzt wurden, damit auch die Turbinen von High-End-Kampfflugzeugen ihre volle Leistung entfalten konnten. Accelergy verspricht nun, dass die US-Luftwaffe künftig ganz auf Erdölprodukte verzichten könne. Dort plant man bereits, bis 2016 mindestens die Hälfte des Treibstoffbedarfs aus heimischen Energieträgern mit geringerem CO2-Ausstoß zu decken. Neben Kerosin soll das Accelergy-Herstellungsverfahren auch reguläres Fahrzeugbenzin und Diesel erzeugen können.
Eine erste Untersuchungsrunde mit dem neuen Treibstoff wurde bereits erfolgreich absolviert, darunter Motorentests auf Laborniveau. Die ersten Prüfungen im Flug seien in anderthalb Jahren geplant, wie Rocco Fiato, Vizepräsident für Geschäftsentwicklung bei Accelergy, sagt.
Die Umwandlung von Kohle in flüssige Treibstoffe ist grundsätzlich ein altes Prinzip. Die bisherigen Verfahren sind allerdings ineffizient und produzieren selbst hohe CO2-Emissionen. Accelergy setzt deshalb auf die sogenannte Direktverflüssigung, die dem Raffinationsprozess bei Benzin ähnelt. Dabei wird die Kohle zunächst unter Einfluss eines Katalysators mit Wasserstoff behandelt.
Beim bisherigen Prozess wird die Kohle bei der Umwandlung in einen flüssigen Treibstoff zunächst in ein Synthesegas verwandelt, das vor allem aus Kohlenmonoxid und einer geringen Menge Wasserstoff besteht. Wasserstoff und Kohlenstoff werden dann rekombiniert, um flüssige Kohlenwasserstoffketten zu erzeugen. Dabei wird jeweils Kohlendioxid freigesetzt.
Weil der Accelergy-Prozess den energieintensiven Vergasungsprozess vor der Neuzusammensetzung weitgehend einspart, ist das Verfahren effizienter und insgesamt klimaschonender. "Wir zerstören nicht das Kohlemolekül. Stattdessen 'massieren' wir es, injizieren Wasserstoff und bauen es so um, dass die gewünschten Kohlenwasserstoffketten herauskommen", beschreibt es Accelergy-Chef Timothy Vail plastisch.
Der Wasserstoff stammt bei dem Prozess aus zwei Quellen: Kohle und Biomasse. Accelergy vergast nur ungefähr 25 Prozent der verwendeten Kohle, außerdem wird zellulosehaltige Biomasse aus Pflanzenstängeln und Samenhülsen verwendet. Das so entstandene Synthesegas wird dann mit Wasserdampf behandelt. Bei diesem Prozess reagiert das Kohlenmonoxid mit Wasser und bildet Wasserstoff und Kohlendioxid. Der Einsatz der Biomasse reduziert wiederum die CO2-Bilanz, weil die Pflanzen während ihres Wachstums das Treibhausgas aus der Atmosphäre ziehen.
Biomasse setzt Accelergy auĂźerdem noch anderweitig ein: Das Unternehmen verarbeitet Sojabohnen und Leindotter, die groĂźe Ă–lmengen enthalten, auch noch direkt. In einem Umwandlungsprozess wird daraus ein Treibstoff, der auch bei niedrigen Temperaturen flĂĽssig bleibt und sich als Flugbenzin eignet. All das verbessert die Klimabilanz weiter.
Daniel Cicero, Technologiemanager für die Bereiche Wasserstoff und Synthesegas beim US-Nationallabor für Energietechnologie (NETL), lobt die Effizienz des Accelergy-Prozesses. Bei der herkömmlichen Kohlevergasung gingen nur rund 45 Prozent der Energie der Kohle in den flüssigen Treibstoff über, während das neue Verfahren bis zu 65 Prozent erreiche. Auch der Gesamtertrag ist höher. Während die regulären Vergasungsprozesse nur 2,5 Barrel pro Tonne Kohle erzeugen können, sind es bei der Direktverflüssigung drei. Inklusive Biomasse ergeben sich sogar vier Barrel.
Fiato zufolge werden bei herkömmlichen Vergasungsverfahren 0,8 Tonnen CO2 pro Barrel Treibstoff in die Luft gepustet, während Accelergys Prozess nur 0,125 Tonnen ausstößt. Damit wird das Verfahren besonders im Bereich der schwereren Treibstoffsorten wettbewerbsfähig zur Erdölraffination, die ähnliche CO2-Mengen produziert.
Neben der Reduzierung von Klimagasen im Vergleich zu herkömmlichen Kohle-Verarbeitungsprozessen ergibt sich noch ein weiterer Vorteil bei dem neuen Verfahren: Es ist möglich, in einem Schritt qualitativ hochwertiges Kerosin zu produzieren. Bei dem Accelergy-Prozess entstehen nämlich Cycloalkane mit hoher Energiedichte, die die Reichweite der Flugzeuge erhöhen. Diese sind außerdem stabiler bei hohen Temperaturen, so dass sie auch in moderneren Triebwerken verbrannt werden können.
Einen Nachteil hat die Accelergy-Technik noch: Sie kostet mehr als die herkömmliche Erdölraffination. Laut einer NETL-Studie, die allerdings nur den alten Vergasungsprozess auf Kohle- und Biomasse-Basis untersuchte, ist eine Wettbewerbsfähigkeit erst bei Erdölpreisen zwischen 86 und 93 Dollar pro Barrel gegeben. Zwar könnte die Versorgung der US-Luftwaffe eine oder zwei kleine Accelergy-Fabriken auslasten. Für eine deutliche Marktausweitung müssten die Kosten für den Ausstoß von CO2 im Emissionsrechtehandel jedoch auf mindestens 35 Dollar pro Tonne steigen.
(bsc)