Twitter geht gegen Organisation vor, die Hassrede aufspürt

Twitter droht einer gemeinnützigen Organisation, die Hassrede und Fake News untersucht, mit rechtlichen Schritten. Das Vorgehen zielt wohl auf die Werbekunden.

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(Bild: Svet foto/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Knobloch

Das Center for Countering Digital Hate (Zentrum zur Bekämpfung von digitalem Hass) hat einen Brief von X Corp., der Muttergesellschaft des Kurznachrichtendienstes Twitter, erhalten, in dem es beschuldigt wird, der Social Media-Plattform mit seinem Handeln schaden zu wollen. Das berichtet die US-Tageszeitung New York Times am Montag.

Dem Bericht zufolge nimmt X-Chef Elon Musk damit nun auch eine Organisation ins Visier, die Hassreden und Fehlinformationen in sozialen Medien untersucht. Bereits im vergangenen Jahr hatte mit rechtlichen Schritten gegen Konkurrenten, Mitarbeiter und Nutzer von Twitter gedroht. Laut New York Times droht X Corp. in einem Brief vom 20. Juli an das Center for Countering Digital Hate, eine gemeinnützige Organisation, die Untersuchungen über soziale Medien durchführt, dieser mit Klage. Das Zentrum wird in dem Schreiben beschuldigt, "eine Reihe von beunruhigenden und unbegründeten Behauptungen aufzustellen, die offenbar darauf abzielen, Twitter im Allgemeinen und seinem digitalen Werbegeschäft im Besonderen zu schaden", heißt es.

In dem Schreiben wird eine im Juni veröffentlichte Studie des Center for Countering Digital Hate zitiert, in der Hassreden auf Twitter untersucht werden. Die Untersuchung hatte festgestellt, dass Twitter keine Maßnahmen gegen 99 Prozent der 100 Twitter Blue-Konten ergriffen hat, die das Zentrum wegen "Hass-Tweets" gemeldet hatte. Der Brief bezeichnet die Untersuchung als "falsch, irreführend oder beides" und wirft dem Zentrum eine unangemessene Methodik vor. Die Organisation wurde von Twitters Konkurrenten oder ausländischen Regierungen finanziert, "um eine hintergründige Agenda zu unterstützen", so der Brief weiter.

"Elon Musks Vorgehen ist ein dreister Versuch, ehrliche Kritik und unabhängige Forschung zum Schweigen zu bringen", trat Imran Ahmed, der Geschäftsführer des Center for Countering Digital Hate, gegenüber New York Times den Vorwürfen entgegen. Das Zentrum erklärte zudem, dass es "keine Finanzierung von Technologieunternehmen, Regierungen oder deren Tochtergesellschaften" akzeptiere.

Laut Ahmed versuche Musk, mit dem Vorgehen gegen seine Organisation "die Flut negativer Geschichten einzudämmen und seine Beziehung zu den Werbekunden wiederherzustellen". Seit der Twitter-Übernahme durch Musk im vergangenen Jahr hat das Werbegeschäft von Twitter Probleme bekommen. In den fünf Wochen zwischen dem 1. April und der ersten Maiwoche beliefen sich die Werbeeinnahmen in den USA auf 88 Millionen US-Dollar, ein Rückgang von 59 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Werbetreibenden könnten durch Musks Änderungen am sozialen Netzwerk verschreckt worden sein, vermutet das Blatt, und nennt die Abschaffung von Regeln, was in dem Dienst gesagt werden darf und was nicht, sowie die Zunahme von Werbung für Online-Glücksspiele und Marihuana-Produkte. Unter Musk wurden Kontrollinstanzen gegen Hassrede bei Twitter aufgelöst und die Regeln zur Eindämmung einschlägiger Begriffe gelockert. Im Mai stellte Musk die ehemalige Top-Werbefachfrau Linda Yaccarino als Twitter-Chefin ein. Yaccarino hat vor ihrem Wechsel zu Twitter mehr als elf Jahre bei dem Medienkonzern NBCUniversal gearbeitet und dort unter anderem das weltweite Werbegeschäft verantwortet.

Das Schreiben an das Center for Countering Digital Hate war mindestens die dritte rechtliche Drohung oder Maßnahme der X Corp. in den vergangenen zwei Monaten, so die New York Times weiter. Im Mai schickte das Unternehmen einen Brief an Satya Nadella, den Vorstandsvorsitzenden von Microsoft, in dem es den Tech-Riesen beschuldigte, seine Daten missbräuchlich zu verwenden. In diesem Monat drohte Twitter in einem Schreiben an Meta-Chef Mark Zuckerberg mit Klage. Der Vorwurf: Meta habe sich für den Aufbau seines Kurznachrichtendienstes Threads "systematisch, willentlich und rechtswidrig Geschäftsgeheimnisse und andere Immaterialgüter Twitters" angeeignet. Auch Meta soll Dutzende ehemalige Twitter-Mitarbeitende eingestellt haben, nachdem Musk seit der Übernahme Twitters etwa 80 Prozent der früheren Belegschaft gefeuert hat. Zudem verklagte X Corp. in diesem Monat auch Wachtell, Lipton, Rosen & Katz, eine führende Anwaltskanzlei für Unternehmensrecht, wegen angeblich ungerechtfertigter Zahlungen im Zusammenhang mit der 44 Milliarden US-Dollar schweren Übernahme von Twitter durch Musk.

(akn)