Marode Schienen, Brücken, Straßen: 372 Milliarden Euro Investitionsbedarf

Bis 2030 müssten viele Milliarden Euro investiert werden, um die kommunale Verkehrsinfrastruktur auf Vordermann zu bringen, ergibt eine Studie.

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Straßenschild in Bremen

Verkehrsschild in Bremen.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 3 Min.

Um die Schienennetze, Straßen und Brücken in Städten, Landkreisen und Gemeinden zu erhalten, müssten laut einer Studie bis 2030 rund 372 Milliarden Euro investiert werden. Das sei nötig, um die Kommunen für die Verkehrswende zu präparieren, schreibt das Deutsche Institut für Urbanistik (DfU). Es hat im Auftrag des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), des ADAC und des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie erstmals den Umfang des kommunalen Verkehrsnetzes bestehend aus Straßen und ÖPNV-Infrastruktur sowie dessen Zustand erhoben.

Demnach weist ein Drittel der 715.000 km Straßen größere Mängel auf, jede zweite der sich auf insgesamt 3600 km erstreckenden Straßenbrücken in den Kommunen ist in keinem guten Zustand. Das gelte auch für die ÖPNV-Netze aus 900 km U-Bahn-Gleisen und 6320 km Straßenbahngleisen. 451 km davon verlaufen laut der Erhebung unterirdisch. ÖPNV-Brücken und -Tunnel seien vergleichsweise besser erhalten: Etwa zwei Drittel davon seien neuwertig oder in einem guten Zustand.

Für die Sanierung der Straßen in den Kommunen setzt das DfU in seiner Studie "Investitionsbedarfe für ein nachhaltiges Verkehrssystem" (PDF) 283 Milliarden Euro Kosten an. Das betreffe vor allem Tunnel und Brücken im Osten sowie Hauptverkehrsstraßen in der Region Mitte-West, die ersetzt oder zumindest sehr umfassend saniert werden müssten. Den Bedarf für die ÖPNV-Infrastruktur schätzt das DfU auf 64 Milliarden Euro bis zum Ende dieses Jahrzehnts. 20,5 Milliarden Euro berechnet es für Investitionen in die Erweiterung der Infrastruktur. Die seien vor allem im Süden nötig, in dem viele Landkreise Bevölkerungswachstum erwarten, im Osten treibe besonders das Wachstum Berlins den Investitionsbedarf.

Ein Großteil der Verkehrsinfrastrukturen wurde wegen kriegsbedingter Zerstörungen in den Nachkriegsjahren bis in die 1960er- und 1970er-Jahre errichtet oder wiederhergestellt. Ein Teil der Verkehrsbauten stammt noch aus der Vorkriegszeit sowie aus der Periode gründerzeitlicher Stadterweiterungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Mit wachsendem Verkehrsaufkommen, zusätzlich angeschoben durch die deutsche Wiedervereinigung, haben Bund, Länder und Kommunen ihre Netze ausgebaut. Viele der Bauten und Anlagen haben laut DfU aber nun ein Alter erreicht, bei dem die Instandsetzungskosten überproportional steigen. Vor allem der stark zugenommene Schwerlastverkehr führe zu deutlich höheren Belastungen, als ursprünglich für die Bauten veranschlagt wurde.

Für rund zwei Drittel des gesamten deutschen Straßennetzes sind die Kommunen verantwortlich. Allerdings sei deren Haushaltslage angespannt, teilweise seien Landkreise, Städte und Gemeinden dramatisch verschuldet, steht in der Studie. Die Investitionen seien aber nötig, damit Deutschland sein Klimaziel erreichen kann, die CO₂-Emissionen bis 2030 um knapp 50 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Neben den nötigen Sanierungen und Erneuerungen müssten daher Schienen- und ÖPNV-Netze ausgebaut und die kommunalen Straßen so umgebaut werden, dass "aktive Mobilität" gefördert werden, sprich: mehr Rad- und Fußwege sowie Aufenthaltsqualität.

Wichtig sei es auch, die Infrastruktur für Elektromobilität zu erweitern, ebenso "geteilte Mobilität" wie Carsharing und Multimodalität durch Mobilitätsstationen zu fördern. Nötig sei es auch, die Infrastruktur für autonomes Fahren anzupassen und die Steuerungs- und Informationssysteme der Verkehrsinfrastruktur zu digitalisieren. Ohne weitere finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern sei das von den Kommunen nicht zu schaffen.

Zur Methodik

Die Länge des Straßennetzes mitsamt Fuß- und Radwegen und der ÖPNV-Netze in den Kommunen hat das DfU nach eigenen Angaben ermittelt, indem es Daten aus der GIS-Datenbank ausgewertet hat. Darüber hinaus hat es Kommunen nach dem baulichen Zustand dieser Verkehrsinfrastrukturen befragt und die sich daraus ergebenden Nachhol-, Ersatz- und Erweiterungsbedarfe für den Erhalt der vorhandenen Infrastrukturausstattung abgeschätzt.

Für die Schätzung hat das Difu das Alter und den Zustand der vorhandenen Infrastruktur berücksichtigt. Mit Blick auf die notwendige Verkehrswende hat es den bis 2030 zu erwartenden Umbaubedarf auf Basis vorliegender Schätzungen und Projektionen abgeleitet und an einem Referenzszenario gespiegelt, das einer Fortschreibung des Status quo entspricht.

Die Rücklaufquote der Kommunalumfrage weist laut DfU eine relativ gleichmäßige Verteilung über sämtliche kommunale Größenklassen und Regionen in Deutschland auf. So standen für alle Regionen und Einwohnergrößenklassen Nettostichproben zur Verfügung, die valide statistische Auswertungen und Hochrechnungen erlaubt haben.

(anw)