Hassrede: X/Twitter gibt deutlich mehr Nutzerdaten an deutsche Strafverfolger

Vor der Übernahme durch Elon Musk hat Twitter Strafverfolgern häufig widersprochen, wenn die Nutzerdaten wollten. Davon kann nun offenbar keine Rede mehr sein.

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Neues und altes Twitter-Logo

(Bild: Svet foto/Shutterstock.com)

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Seit der Übernahme durch Elon Musk überreicht der Kurznachrichtendienst Twitter beziehungsweise X deutlich freigiebiger Daten an deutsche Strafverfolgungsbehörden. Das hat die Washington Post von drei Staatsanwaltschaften der Bundesrepublik erfahren. Vor allem, wenn es um den Vorwurf der Hassrede gehe, habe sich das Bild komplett gedreht. Vor Musks Übernahme hat Twitter fast nie Daten zu vorgeworfenen Hassverbrechen weitergegeben. Inzwischen mache das Unternehmen dies hingegen fast immer, zitiert die US-Zeitung den zuständigen Staatsanwalt in Köln. Was genau für die stark gestiegene Kooperationsbereitschaft des Kurznachrichtendiensts verantwortlich ist, darüber kann nur spekuliert werden. X selbst habe einen Kommentar verweigert.

Im letzten Halbjahr vor der Übernahme hat Twitter nach eigenen Angaben in 285 Fällen Nutzerdaten an deutsche Behörden weitergegeben, mehr als die Hälfte der Anfragen hatte der Kurznachrichtendienst damals abgelehnt. Zuletzt habe X allein an bayerische Strafverfolger in 50 bis 100 Fällen pro Monat solche Daten gegeben. Typischerweise gehe es um Namen, E-Mail-Adressen und IP-Adressen. Auch in Frankfurt und Köln wurde demnach eine deutlich größere Bereitschaft von X registriert, angefragte Nutzerdaten herauszugeben. Laut den Vertretern der Staatsanwaltschaften hat im gleichen Zeitraum aber auch die Menge an problematischen Inhalten auf der Plattform zugenommen, Musk hatte tausenden verbannten Accounts die Rückkehr erlaubt.

Schon im Frühjahr war darauf hingewiesen worden, dass der Kurznachrichtendienst offenbar bereitwilliger mit Behörden zusammenarbeitet, vor allem in der Türkei, Deutschland und Indien. "Vor Elon Musk hat Twitter staatliche Anfragen nach Nutzerdaten regelmäßig bewertet und teilweise zurückgewiesen, wenn sie eine Gefahr für Dissidenten oder die freie Meinungsäußerung bedeutet haben", zitiert die Washington Post jetzt Yoel Roth. Der hat bei Twitter das Team für Vertrauen und Sicherheit geleitet und ergänzt jetzt, "die Einhaltung der Vorschriften ist dagegen die einfache Option". Eine mögliche Erklärung wäre demnach, dass X nach Elon Musks Massenentlassungen nicht mehr genug Angestellte hat, um Widerstand gegen die Anfragen zu leisten.

Insgesamt zeige das veränderte Vorgehen, dass die Eigentümer großer Plattformen einen enormen Einfluss darauf haben, wie diese mit Regierungen kooperieren oder auch nicht, zitiert die US-Zeitung den ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye. Yoel Roth weist außerdem noch auf die unterschiedlichen Reaktionen von X/Twitter auf Anfragen zu einfachen Nutzern und zu Donald Trump hin. Roth nennt es "Doppelmoral" und "offen gesagt lächerlich", welch große Mühe sich die Plattform gegeben hat, um die Daten des ehemaligen US-Präsidenten zu schützen, während anderswo offenbar jeder Widerstand aufgegeben wurde.

(mho)