Gesteine, die CO₂ emittieren: Studie berechnet die Menge mit einem Trick

Bisher war es schwierig zu messen, wie viel CO₂ aus organischem Kohlenstoff in Felsen frei wird. Forschende aus Oxford haben nun aber einen Ansatz.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 14 Kommentare lesen

Die starke Erosion in Südfrankreich setzt diese Sedimentgesteine der Verwitterung aus und setzt CO2 frei, wenn der alte organische Kohlenstoff abgebaut wird.

(Bild: Robert Hilton)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert

Wenn es darum geht CO₂ aus der Atmosphäre zu binden, geht es häufig um Biomasse, wie etwa Wälder oder auch bestimmte Algen in Ozeanen. Forschende haben aber seit Jahrzehnten auch die Fähigkeit von Gesteinen im Blick, der Atmosphäre CO₂ zu entziehen. Bei der sogenannten "beschleunigten Verwitterung" (enhanced weathering) beispielsweise wird vorgeschlagen, gemahlenen Basalt auf Feldern und in Wäldern auszubringen. Da das Steinpulver auch Mikronährstoffe enthalte, würde es zusätzlich zur CO₂-Speicherung sogar das Pflanzenwachstum unterstützen. Allerdings gibt es auch Gesteine, die genau das Gegenteil machen: Sie emittieren CO₂ in die Atmosphäre. Eine Forschergruppe der Universität Oxford hat nun herausgefunden, dass natürliche Gesteinsverwitterung auch eine große Quelle von Kohlendioxidemissionen (CO₂) sein kann, die sogar derjenigen von Vulkanen gleichkommt.

Das passiert in Felsformationen, die vor langer Zeit auf dem Meeresboden aus Sedimenten entstanden, in denen auch abgestorbene Pflanzen und Tiere begraben sind. Werden diese Böden im Laufe der Jahrmillionen als Gebirge an die Oberfläche gedrückt, reagieren die darin enthaltenen enormen Mengen an organischem Kohlenstoff mit dem Sauerstoff der Luft und mit Wasser. CO₂ entsteht.

Die meisten Modelle des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs berücksichtigen diese CO₂-Emissionen aus sogenanntem petrogenen Kohlenstoff allerdings noch nicht. Immerhin könnte dieser Mechanismus bedeuten, dass die Erdkruste quasi als Thermostat zur Regulierung der Erdtemperatur beiträgt, weil sie außer den Gesteinen, die als CO₂-Senke fungieren, auch solche beherbergt, die eine Quelle von CO₂ sind.

Bisher war es allerdings schwierig, die Freisetzung von CO₂ bei der Verwitterung von organischem Kohlenstoff in Gesteinen überhaupt zu messen. Die Forschenden aus Oxford wandten aber einen Trick an: Wenn nämlich organischer Gesteinskohlenstoff mit Sauerstoff reagiert, wird immer auch Rhenium freigesetzt. Das ist ein sehr seltenes, schweres Übergangsmetall, das in geringen Mengen einer Vielzahl von technischen Legierungen zugesetzt ist.

Wenn Gesteine erodieren, landet Rhenium letzten Endes in Flüssen. Also untersuchten die Wissenschaftler Flusswasserproben auf den Gehalt dieses Metalls und konnten so quantitativ auf die Menge von CO₂ schließen, die freigesetzt wird und berechnen, wie viel organischer Kohlenstoff in oberflächennahen Felsen vorhanden ist.

Mehr rund um den Klimawandel

Bei ihrer Untersuchung beschränkten sich die Forschenden auf Stellen, wo CO₂ besonders schnell durch Erosion in steilen Bergregionen freigesetzt wird. Dazu untersuchten sie unter anderem die Rhenium-Gehalte der großen Flüsse Amazonas, Yangtze, Mekong, Kongo und Nil.

"Wir haben alle unsere Daten in einen Supercomputer in Oxford eingespeist, der das komplexe Zusammenspiel von physikalischen, chemischen und hydrologischen Prozessen simuliert", sagt Jesse Zondervan, Leiter der Studie. "Indem wir dieses riesige planetarische Puzzle zusammensetzten, konnten wir schließlich die Gesamtmenge des Kohlendioxids abschätzen, die durch die Verwitterung dieser Gesteine und die Abgabe ihres alten Kohlenstoffs an die Luft freigesetzt wird."

Als Ergebnis fanden sie heraus, dass die Hotspots der CO₂-Freisetzung sich auf Gebirgszüge mit Sedimentgestein und hohen Hebungsraten konzentrieren. Dazu gehören etwa der östliche Himalaya, die Rocky Mountains und die Anden. Weltweit, so schätzten die Autoren, würden so um die 68 Megatonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangen, knapp 250 Megatonnen CO₂.

Das sei zwar hundertmal weniger, als die CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, meint Mitautor Robert Hilton, "aber es entspricht in etwa der Menge an CO₂, die von Vulkanen auf der ganzen Welt freigesetzt wird." Damit sei es durchaus ein wichtiger Faktor im natürlichen Kohlenstoffkreislauf der Erde.

Thorben Amann vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg sieht allerdings noch weiteren Forschungsbedarf, wie er in einer E-Mail mitteilt. Er weist darauf hin, dass es auch Studien gibt, die zeigen, dass mobilisierter, petrogener Kohlenstoff in Seen wieder zurückgehalten und sedimentiert wird, also nicht vollständig als CO₂ in die Atmosphäre gelangt.

Er sei zwar kein Spezialist für die organische Kohlenstoffkomponenten in Gesteinen, schreibt Amann, hält aber der Oxford-Studie entgegen, dass darin Prozesse verschiedener Zeitskalen miteinander verglichen werden. Organischen Kohlenstoff als CO₂-Quelle und die silikatische Verwitterung als CO₂-Senke nahezu gleichzustellen, würde die unterschiedlichen Zeitskalen nicht berücksichtigen. Die Karbonatisierung von Material, wie es die Forschenden um Zondervan und Hilton beschreiben, sei auf langfristigen Zeitskalen von 10.000 bis wohl eher 100.000 Jahren relevant.

Amann ist Mitautor einer Studie, die vor fünf Jahren die Möglichkeiten und Kosten für die CO₂-Entfernung durch erweiterte Verwitterung abschätzte. Sie kam zu dem Schluss, "dass eine beschleunigte Verwitterung insbesondere von Basaltgestein eine attraktive Option zur Förderung des Klimaschutzes sein könnte. [...] Aber in Anbetracht der Kosten und der Masse an Gestein, die bewegt werden müssten, wird es wohl nur einen überschaubaren zusätzlichen Beitrag leisten können."

In der Vergangenheit der Erde könnte sich das Wechselspiel von CO₂-abgebenden und -bindenden Gesteinen aber durchaus verändert haben, vermutet das Team aus Oxford. In Zeiten der Gebirgsbildung, in denen viel Gestein mit organischem Material aufgewirbelt wird, könnte die CO₂-Freisetzung höher gewesen sein und so das globale Klima vor Hunderttausenden oder Millionen von Jahren beeinflusst haben.

(jle)