CFP: Tauschbörsennutzer unbeeindruckt von Klagewellen

Experten sind sich einig, dass die gegenwärtigen Strategien der Musikindustrie im Kampf gegen P2P-Netzwerke nach hinten los gehen und die Zukunft pauschalen Online-Verwertungssystemen gehört.

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Die jüngsten Klagewellen der Musikindustrie gegen Power-User von Online-Tauschbörsen in den USA sowie die ersten Strafanzeigen gegen deutsche Nutzer von Peer-2-Peer-Netzwerken haben den Siegeszug der kontroversen Download-Services nicht gestoppt. "Wir sehen einen weiteren Anstieg der Popularität von Diensten wie Kazaa, sowohl was die Nutzerzahlen als die Menge der angebotenen Dateien angeht", erklärte Eric Garland, Chef der US-Firma BigChampagne, auf der Konferenz Computers, Freedom & Privacy (CFP) in Berkeley. Sein Unternehmen analysiert das Nutzungsverhalten in P2P-Netzen.

Sämtliche Versuche der großen Labels, dem Treiben durch das Lobbying für verschärfte Copyright-Gesetze, Gerichtsverfahren, technische Blockaden oder Aufklärungskampagnen ein Ende zu bereiten, sind seiner Meinung nach gescheitert. Das einzig messbare Ergebnis der Bemühungen ist laut Garland bisher die stärkere Popularisierung der Tauschbörsen. "Nach unseren Erkenntnissen ist das Download-Volumen kontinuierlich auf über eine Milliarde Songs pro Monat gestiegen", nannte der Marktforscher konkrete Zahlen. Besonders gefragt seien dabei in jüngster Zeit Stücke, die eigentlich "exklusiv" über Apples kostenpflichtigen Download-Dienst iTunes verkauft werden sollen. "Innerhalb von 15 Sekunden nach ihrer erstmaligen Veröffentlichung stehen die bei Kazaa ganz oben auf der Hitliste", wusste Garland zu berichten.

"Filesharing ist nicht mehr zu stoppen", resümierte auch Fred von Lohmann von der Electronic Frontier Foundation (EFF). Um an dem faktischen Online-Distributionsweg für Musik auch finanziell zu partizipieren, sollte die Musikindustrie daher pauschale Vergütungsmodelle unterstützen. Die EFF hat dafür jüngst einen Vorschlag unterbreitet, mit dem sie auf einen freiwilligen, kollektiven Lizenzansatz gegen Zahlung von Nutzerabgaben setzt. Mit dem über neue Verwertungsgesellschaften einzusammelnden und zu verteilenden Beträgen sollen die P2P-Netze von ihrem illegalen Touch befreit werden.

Der Druck auf die Industrie, sich nicht mehr gegen entsprechende alternative Kompensationssysteme für Künstler zu sperren, wächst momentan von vielen Seiten. Zahlreiche Wissenschaftler bevorzugen dabei aber Zwangslizenzen und verbindliche Vergütungsabgaben für Breitbandnutzer. Daniel Gervais, Professor an der Rechtsfakultät der University of Ottawa, rechnete auf der CFP vor, dass mit entsprechenden Pauschalabgaben jährlich problemlos 12 Milliarden US-Dollar eingespielt werden könnten. Das ist mehr, als die Labels momentan in den USA mit CD-Verkäufen umsetzen. Die Summe käme bereits zusammen, wenn Zweidrittel der Internetnutzer in den USA, Europa und Japan fünf Dollar im Monat, die Surfer in anderen wichtigen Musikmärkten einen Dollar und die afrikanischen Netznutzer 50 Cent in den großen Topf einzahlen würden.

Dass sich die Musikindustrie in nächster Zeit für solche Pauschalmodelle erwärmen wird, scheint allerdings überaus fraglich. Stattdessen mache sie sich dies- und jenseits des Atlantiks momentan verstärkt für die Kriminalisierung auch geringfügiger Urheberrechtsverletzungen stark, erläuterte Sarah Deutsch, Justiziarin des US-Internetproviders Verizon. Entsprechende Ansätze seien in Europa im Rahmen der umstrittenen Richtlinie zur Durchsetzung von Rechten an geistigem Eigentum bereits diskutiert worden. In den USA sei ein Gesetz zur "Piraterie-Abschreckung" auf den legislativen Weg gebracht worden, das Gefängnisstrafen zwischen drei und fünf Jahren für P2P-Nutzer vorsehe, die illegal mehr als 1000 Songs auf ihre Rechner oder iPods geladen haben. Die Provider müssten gleichzeitig Filesharer erfassen, vorwarnen und umfangreiche Datenbanken aufbauen, auf die das US-Justizministerien zugreifen können soll. Deutsch entnervt: "Wir sind offen für jedes Modell, das Filesharing endlich von der Agenda bringt".

Zur Konferenz Computers, Freedom & Privacy 2004 siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)