Apple schmeiĂźt VPNs aus dem russischen App Store
Russische Zensur und Überwachung zu umgehen, wird in dem Land zunehmend schwieriger. Apple folgt einem Behördenbefehl und sperrt VPN-Apps.​
Apple hat 25 VPN-Programme in der russischen Version des App Stores gesperrt – ausgerechnet am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag der USA. Damit können iPhone- und iPad-User in der russischen Föderation diese VPN-Apps nicht mehr installieren oder updaten. VPN (Virtuelle Private Netze) verschlüsseln den Datenverkehr und dienen einerseits Datenschutz und Datensicherheit, andererseits der Umgehung von Zensur im Internet. Apple nennt als Grund für die Sperre eine Anordnung der russischen Internetaufsichts- und Zensurbehörde Roskomnadsor in Verbindung mit den App-Store-Bedingungen, die die Einhaltung aller Vorschriften verlangen, die im jeweiligen Land gelten.
Der Treppenwitz: Die Behörde beruft sich ausgerechnet auf ein 2006 ergangenes Gesetz, das IT-Sicherheit und Datensicherheit stärken sollte – die Kernanwendung für VPNs. Das Gesetz sieht auch ein Zensurregister vor, das Webseiten dreier Kategorien bekämpfen soll: Aufrufe und Anleitungen zu Suizid, Produktion und Erwerb illegaler Drogen sowie pornografische Bilder Minderjähriger respektive Einladung zu deren Herstellung. Doch über die Jahre sind zahlreiche Informationsquellen, die keinem dieser Themen gewidmet sind, auf dem Index gelandet; immer wieder hat die Behörde auch VPN-Anwendungen verboten, obwohl das Gesetz für die Schwarze Liste nur Einträge mit "Domainnamen und/oder URLs von Internetseiten" vorsieht.
Schon seit 2018 berichten VPN-Anbieter von wiederholten Versuchen russischer Behörden, den Betrieb der Dienste zu stören. Im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022 hat der Kreml seine Zensur noch weiter verschärft. Seit damals stehen nicht bloß bestimmte VPN-Programme, sondern VPN-Protokolle an sich auf der Liste verbotener "Internetseiten und/oder URLs". Um den Druck auf Bürger, die sich unabhängig informieren und unbewacht austauschen möchten, zu erhöhen, hat die Zensurbehörde Anfang dieses Jahres den Aufbau einer nationalen GeoIP-Datenbank beschlossen; damit möchte sie den Standort jeder russischen IP-Adresse zu jedem Zeitpunkt ermitteln können. Im März folgte ein Werbeverbot für VPN-Dienste.
Die von der App-Store-Sperre betroffenen VPN-Anbieter haben drei Monate Zeit, den Zensurbefehl vor russischen Gerichten zu bekämpfen. Der Anbieter Le VPN möchte das auch versuchen. Mangels unabhängiger Justiz in der Russischen Föderation sind die Aussichten bescheiden. Der ebenfalls betroffene Anbieter Red Shield hat bereits 2018 den russischen Rechtsweg beschritten und ist – wenig überraschend – gescheitert. Anfang 2020 hat sich das Unternehmen dann an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, wo das Verfahren weiterhin anhängig ist (Private Networks LP v Russia, Az. 4945/20).
Petition an Apple
Gemeinsam mit anderen VPN-Betreibern hat Le VPN eine an Apple, dessen Chef Tim Cook sowie den US-Kongress gerichtete Petition unter dem Titel "Apple helps Putin’s censorship" aufgelegt. "Wir drängen Abgeordnete zum US-Kongress dazu, Apples offener Unterstützung der Zensur Putins Aufmerksamkeit zu schenken", sagt der Petitionstext, "Wir verlangen, dass Apple aufhört, Putin und sein Regime dabei zu unterstützen, die Redefreiheit in Russland zu unterdrücken, und die gesperrten VPN-Dienste im russischen App Store wiederzubringen." Dafür müsste Apple allerdings die Befehle Roskomnadsors unterlaufen.
Als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine hat Apple den Export von Hardware in die russische Föderation eingestellt. Bereits in Umlauf befindliche Geräte sowie grau importierte Ware unterstützt das Unternehmen jedoch weiter. Der Bezahldienst Apple Pay ist seither eingeschränkt, bestimmte Live-Daten in Apple Maps sind nicht mehr verfügbar, der App Store aber schon.
(ds)