Steve Jobs: Patentpool mit Ansprüchen gegen Ogg Theora und andere [Update]

In seiner Antwort auf einen offenen Brief des Free-Software-Aktivisten Hugo Roy ließ Apple-CEO Steve Jobs verlauten, dass ein Patentpool mit Ansprüchen gegen Ogg Theora und "andere Open-Source-Codecs" etabliert werde.

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Von
  • Volker Zota

Als Reaktion auf Steve Jobs "Thoughts on Flash" veröffentlichte der Open-Source-Aktivist Hugo Roy im Blog der Free Software Foundation Europe (FSFE) einen offenen Brief an Steve Jobs. Darin beglückwünschte er Apple für die – seiner Meinung nach allerdings ohnehin unausweichliche – Unterstützung von HTML5. Er wies Jobs jedoch darauf hin, dass der von Apple gewählte Videostandard MPEG-4 AVC (H.264) dem Verständnis der FSFE keineswegs offen sei, weil Lizenzgebühren für die Nutzung anfallen.

Daher unterstützten beispielsweise Mozilla und Opera nur das laut Xiph.Org Foundation patent- und lizenzkostenfreien Videoformat Ogg Theora, für das auch die FSFE plädiere. Letzteres wurde ursprünglich als obligatorischer Videocodec für HTML5 vorgeschlagen, von mehreren Unternehmen (unter anderem Nokia und Apple) jedoch wegen der Gefahr von "U-Bootpatenten" zu Gunsten von H.264 abgelehnt; auch Microsoft hatte sich jüngst zu HTML5 und H.264 bekannt.

In einer von seinem iPad geschickten, augenscheinlich authentischen Antwort auf den offenen Brief vertrat Apple-CEO Steve Jobs die Meinung, dass "alle Videocodecs durch Patente abgedeckt" seien. Unglücklicherweise gebe es keine Garantie dafür, dass etwas nur weil es Open Source sei keine anderen Patente verletzte, meinte Jobs. Derzeit werde ein Patentpool zusammengestellt, um Ansprüche gegen Ogg Theora und "andere Open-Source-Codecs" zu sammeln.

Fraglich ist, welche anderen Codecs Jobs anspricht. Infrage kämen beispielsweise das von der BBC initiierte, auf Wavelets aufsetzende Dirac-Projekt oder aber Googles Neuerwerbung VP8, die der Konzern angeblich in Kürze als Open Source freigeben will. Letzterer würde durchaus einen ebenbürtigen Kontrahenten für H.264 abgeben. Auch wenn VP8 nicht ganz an die Kodiereffizienz von H.264 heranreichen dürfte, könnte er sich dank Googles Unterstützung schnell verbreiten. Ein Vorteil von H.264 bliebe jedoch unbenommen: Seine weitreichende Hardware-Unterstützung, die dank Hardware-Beschleunigung inbesondere die Videowiedergabe auf die für die Internet-Nutzung immer wichtiger werdenden Smartphones ermöglicht.

Trotz Jobs' Ankündigung steht Mozilla weiterhin hinter Theora, heißt es in einem Statement der Firefox-Entwickler. Die eigentliche Frage laute jedoch nicht: H.264, Theora oder irgendein anderer x-beliebiger Codec? Vielmehr gehe es darum, welcher der beste, offene und lizenzkostenfreie Codec für das Web sei. Momentan sei dies nach Ansicht von Mozilla Theora, in Zukunft [falls die Lizenzbedingung geändert werden, A.d.R.] könnte es auch H.264 oder ein andere Codec sein.

Dieser Meinung schloss sich auch Operas Technikchef Håkon Wium Lie an: "Damit das freie Web gedeihen kann, müssen alle Medientypen – inklusive Video – ohne Lizenzzahlungen nutzbar sein. Browser-Anbieter, die wahrhaft ein offenes Web unterstützen, müssen daran arbeiten, einen lizenzfreien Baseline-Video-Codec zu etablieren." Der letzte Hinweis geht an die H.264-Patentinhaber, von denen im Laufe der Codec-Diskussion mehrfach gefordert wurde, das einfachste H.264-Profil (Basline Profile) für die lizenzkostenfreie Nutzung im Web freizugeben. Dazu konnten sich die Patentinhaber jedoch nicht durchringen, stattdessen hatten sie lediglich den Zeitpunkt aufgeschoben, ab dem für kostenfreie Webangebote H.264-Lizenzgebühren abgeführt werden müssen.

[Update]:
Auch Xiph.Org-Gründer Christopher "Monty" Montgomery hat sich zu Wort gemeldet. Demnach habe Thomson Multimedia (zuständig für die MP3-Lizenzvergabe) bereits vor zehn Jahren versucht, auf ähnliche Weise eine Patentdrohung gegen den von Montgomery entwickelten patent- und lizenzkostenfreien Audiocodec Ogg Vorbis aufzubauen; auch der für die Lizenzvergabe von H.264 zuständige License Administrator MPEG LA poltere seit Jahren. Herausgekommen sei dabei jedoch nichts.

MPEG LA deute bereits seit Jahren an, dass man keinen Videocodec programmieren könne, ohne Patente zu verletzen. Genau genommen wolle die MPEG LA deutlich machen, dass sie ein Monopol auf Videokodierung habe, mit dem kein andere konkurrieren dürfe, so der Xiph.Org-Gründer.

Sollte Jobs' Mail an Hugo Roy tatsächlich echt sein, habe sich der Apple-Chef mit der Aussage, alle Videocodecs seien durch Patente abgedeckt, einen gehörigen Ausrutscher erlaubt, weil er damit die Haltung der MPEG LA unterstreiche. Montgomerys Ansicht nach würde das lediglich zu noch größerer Ablehnung von Software-Patenten führen – was allerdings durchaus in seinem Sinne sein dürfte.


(vza)