Kommentar: Microsoft darf keine Standards mehr setzen!
Wieder muss sich Microsoft dem Kartellamt stellen. Bisher kam der Konzern ständig mit der gleichen Masche durch. Schluss damit, meint Moritz Förster.
Überrascht es irgendwen, dass Microsoft eine zu starke Machtstellung einnimmt? Nein, entsprechend offensichtlich ist die Entscheidung des Bundeskartellamts, den Konzern künftig intensiver zu beaufsichtigen. Egal, ob klassisch mit Windows oder Office, in der Cloud-Ära mit Azure oder bei SaaS mit MS Teams – Microsoft spielt überall mit und macht es den Mitbewerbern schwer. Nur beim Internet Explorer ist das nicht mehr so (die Situation bei Webbrowsern ist dadurch aber auch nicht besser geworden).
Um es gleich klar zu sagen: Das liegt nicht nur an dem Böswillen des Konzerns. Aber eben auch, denn die enge Verzahnung von Lizenzen und das praktische Bündeln von Anwendungen machen es schwer, in nur einem Bereich ein anderes Produkt zu wählen. Das ist zweifellos Absicht. Und immer wieder greifen hier die Aufsichtsbehörden ein; durch Europas Vorreiterrolle musste Microsoft MS Teams und Office zumindest etwas entflechten.
Alle rennen Microsoft hinterher
Doch das Bundeskartellamt spricht ebenfalls einen wunden Punkt an, der deutlich grundlegender ist: Microsoft kann durch seine herausragende Stellung immer wieder Standards setzen. Und an ihnen müssen sich Anwender, Entwickler und Mitbewerber orientieren, wenn sie mitspielen wollen. Doch wer den Standard beherrscht, kann das natürlich am besten; man sehe Office-Formate, denn trotz aller Open-Source-Fortschritte bleibt hier das Original seit Jahrzehnten vorn.
Offiziell sind das natürlich keine Standards, niemand hindert Dritte daran, es ohne Microsoft-Kompatibilität zu probieren. Genug freie Software versucht das, doch der Erfolg bleibt meist aufs Backend beschränkt. Und da ist es auch schön zu sehen, wie schwer sich Microsoft plötzlich mit der Kompatibilität und Feature-Parität tun kann. All das ist gut, aber nicht genug.
Denn: Microsoft muss nicht die ganze IT beherrschen, um für den freien Wettbewerb ein Problem zu sein. Zu viele Bereiche sind unter der direkten oder indirekten Kontrolle des Konzerns. Und es wird nicht helfen, einzelne Pakete zu entbündeln. Es braucht endlich freie Standards, die international gelten und durchgesetzt werden – komplett zugänglich für alle Entwickler. Software muss miteinander kommunizieren können, und zwar auf eine Weise, bei der nicht einer der Mitbewerber den Standard kontrolliert.
Keine Frage der Technik
Bei Messengern ist das bereits das erklärte Ziel. Doch wir sind bislang nicht weit genug gegangen. Modelle, das zu erreichen, gibt es genug: In der Technikgeschichte haben es Institutionen wie Universitäten oder selbst Behörden immer wieder geschafft, unabhängige Standards durchzusetzen. Konzerne haben selbst geforscht und ihre Ergebnisse anschließend komplett öffentlich gemacht. Technisch wäre all das kein Problem, die Frage ist die nach dem Wie beim Zwang.
Das wäre auch in Microsofts Interesse: Dann müsste der Konzern seine Kunden nicht mehr einsperren, sondern vielmehr von seinen Produkten durch gutes GUI-Design, knallharte Security, verlässliche Updates und professionellen Support überzeugen. Um es höflich auszudrücken: Bislang war da nicht genug – und deshalb muss sich Microsoft immer wieder aus den gleichen Gründen den Kartellbehörden stellen.
(fo)