Italienische Mengenlehre

50 Jahre Fiat Dino: Der Ferrari von Enzos Gnaden

Dieser Augenblick in der Geschichte des italienischen Automobilbaus ist so selten wie die blaue Mauritius. Enzo Ferrari, kompromissloser wie dickköpfiger Herrscher seines selbst erschaffenen Königreichs der Supersportler, wich 1966 von seiner persönlichen Marschroute ab. Das Ergebnis: der Fiat Dino

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Von
  • Bernd Kirchhahn
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Wien, 2. August 2016 – Wer Ende der 1960er Jahre einen Ferrari um wenig Geld wollte, der kaufte sich einen Fiat Dino. Man mag sich kaum vorstellen, was in Enzo Ferrari vorging.

Es überstieg alles Dagewesene. Dieser eine Augenblick in der Geschichte des italienischen Automobilbaus ist bis heute so selten wie die blaue Mauritius oder der Blue Moon Diamant. Enzo Ferrari, ebenso kompromissloser wie dickköpfiger Herrscher seines selbst erschaffenen Königreichs der Supersportler, wich 1966 von seiner persönlichen Marschroute ab. Gleich in dreifacher Hinsicht. Er bat Fiat um Hilfe (!), um einen Sechszylinder in Großserie (!!) zu bauen, der vorne (!!!) in einem Auto eingebaut werden sollte. Diese Kombination ist, gelinde gesagt, untypisch für das Unternehmen und den Comandante. Das Ergebnis: der Fiat Dino.

Enzo Ferrari war ein geschickter Taktiker. Ein Diplomat und Charmeur, wenn es darauf ankam, grundsätzlich aber ein Dickkopf, dessen Ego durch keine Tür mehr passte. Das Unternehmen genoss früh den Ruf, die besten Rennautos der Welt zu bauen. Einen Anteil daran hatte Alfredo „Dino“ Ferrari, der Sohn des Patriarchen. Der wurde früh auf sein Erbe vorbereitet, auf die besten Schulen geschickt und studierte Ingenieurswissenschaften. Zu Beginn der 1950er Jahre hatte er die Idee zu einem einzigartigen Sechszylinder-Motor – den weltweit einzigen 65-Grad-V6. Das war kurz vor seinem tragisch frühen Tod. 1956 starb Alfredo im Alter von 24 an Muskeldystrophie. Vittorio Jano, Ferraris Chefingenieur, entwickelte das Triebwerk fertig.

Ein Motor für den Formel-Sport

Und wie. Bereits bei dessen erstem Einsatz – dem großen Preis von Neapel 1957 – holte der Motor in einem Ferrari 156F2 den dritten Platz. Geschlagen nur von zwei Lancias, die wiederum mit Achtzylindern von Ferrari bestückt waren. Die Pokale blieben also in der Familie. Ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Der Motor war beispielsweise das Herzstück des Ferrari Dino 246F1, mit dem die Marke 1958 die Formel-1-Weltmeisterschaft holte. Nach diversen Modifizierungen und Regeländerungen schaffte es der Motor auch in anderen Rennklassen und mit bis zu 3,0 Liter Hubraum zu reüssieren.