ADAC-Antriebsvergleich

Weiße Weste?

Das ADAC überprüft im Technik Zentrum Landsberg viele massenrelevante Autos im EcoTest. Dabei wird in drei Zyklen gefahren, und die Emissionen der Vorkette des Kraftstoffs fließen mit ein. Über das Ergebnis werden Kenner nur mit den Schultern zucken: CNG-Antriebe und Batterie-elektrische Autos sind am saubersten

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  • Christoph M. Schwarzer
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Landsberg, 24. August 2015 – Wer Auto fährt, produziert Abgase. An dieser Einsicht führt kein Weg vorbei. Mit welchem Konzept aber belastet der Halter die Umwelt am wenigsten? Diese Frage beantwortet das ADAC Technik Zentrum durch den EcoTest. Ein neuer Vergleich der Antriebssysteme ergibt: Die Vorstellung, dass ein Konzept durchweg sauber und rein, ein anderes dagegen nur schmutzig ist, hält der Wirklichkeit nicht Stand. Trotzdem können sich das Batterie-elektrische und das mit CNG (Compressed Natural Gas, also Erdgas) betriebene Auto an die Spitze setzen. Sie verursachen bei Mensch und Natur die geringsten Schäden. Der klassische Ottomotor fällt zurück, und auch der Plug-In-Hybrid kann in der Wertung des ADAC nicht überzeugen.

Basis des aktuellen Kurzberichts ist der EcoTest des ADAC. Dem Automobilclub gehören mehr als 18 Millionen Mitglieder an. Der Verein musste viel berechtigte Kritik einstecken. Den Schatten, die im annus horribilis 2014 offenbar wurden, steht mit dem EcoTest ein Licht gegenüber: Es gibt in Deutschland keine andere regelmäßig durchgeführte Untersuchung, die so transparent, nachvollziehbar und umfassend das Abgasverhalten der Autos beleuchtet. Zu den Details des EcoTests später mehr – erst zum Volkswagen Golf. Die Vielfalt der angebotenen Antriebssysteme macht den Bestseller zum repräsentativen Beispiel für das Vergleichsergebnis.

Am besten schneidet der Golf TGI mit Erdgasmotor ab. Er erreicht 100 Punkte im EcoTest, dicht gefolgt vom e-Golf mit 99 Punkten. Die Sparversion des TDI mit dem Beinamen BlueMotion erzielt 91 Punkte, danach kommen der Plug-In-Hybrid GTE mit 85 und der besonders häufig verkaufte 1.2 TSI mit 82 Punkten.

Ein ähnliches Ranking ergibt sich bei anderen vom ADAC untersuchten Fahrzeugtypen, für die mehrere, wenn auch nicht ganz so viele Varianten wie im VW Golf am Markt sind. Bei der Mercedes B-Klasse etwa sind ebenfalls Strom- und Erdgasvariante vorne, allerdings hier mit leichtem Vorsprung für den electric drive. Und bei der E-Klasse gilt: CNG vor Diesel vor Benziner.

Wenig Applaus erhalten Plug-In-Hybride. Der ADAC scheut sich, die Doppelherzen direkt anzugreifen und verklausuliert seine Kritik: „Bei Hybriden findet man je nach Auslegung negative Beispiele, die eher die Leistungssteigerung als die Umweltfreundlichkeit zum Ziel haben, aber auch positive Beispiele für sehr umweltfreundliche Modelle mit fünf [Anm.: maximale Wertung] Sternen im EcoTest“, heißt es da. Mit ersterem dürften Autos wie der Golf GTE (Werbeslogan: „Das neue Schnell“) gemeint sein. Der GTE kommt seiner aufwändigen Bauweise zum Trotz im EcoTest kaum über die Punktzahl des Standard-Golf hinaus.

Alle Fahremissionen inklusive Vorkette

Zuständig für das Testverfahren des ADAC ist das erstklassig ausgestattete Technik Zentrum in Landsberg. Der Automobilclub versucht dort, alle massenrelevanten Modelle dem EcoTest zu unterziehen. Messprotokolle und Ergebnisse sind für jeden im Detail einsehbar. Wegen der Vergleichbarkeit wird bisher auf dem Rollenprüfstand gemessen; allerdings entwickelt das ADAC Technik Zentrum den EcoTest permanent weiter, und es ist kein Geheimnis, dass die Anschaffung eines mobilen Abgasmessgeräts (Portable Emissions Measurement System, abgekürzt PEMS) geplant ist. Mit diesem könnten in Zukunft im öffentlichen Straßenverkehr Daten erhoben werden.

Zurzeit berücksichtigt der EcoTest die Fahremissionen und unterscheidet dabei zwischen Kohlendioxid, das bei Verbrennungsmotoren direkt proportional zum Verbrauch ist, und Schadstoffen wie Partikelmasse- und zahl (PM, PN), Stickoxiden (NOx), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlenwasserstoffen (HC). Zum Vergleich der CO2-Emissionen zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor zieht der ADAC die Well-to-Wheel-Bilanz (WTW) heran. Die jeweilige Vorkette zur Produktion der Fahrenergie fließt also mit ein.

Beim Strom legt der ADAC für die Vorkette (Well-to-Tank, WTT) die Zahlen des Umweltbundesamtes zu Grunde, das 563 Gramm CO2 pro Kilowattstunde angibt. Beim Diesel addieren sich zu den auf dem Prüfstand gemessenen CO2-Werten im Mittel 17,8 zusätzliche Prozent für Produktion (Förderung, Transport, Raffinerie); beim Benziner sind es 16,2 Prozent.

Eine Besonderheit bei der Fahrt im Labor ist die Kombination aus drei Zyklen: Zum einem dem NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) in der Version „kalt“; hier werden Schwächen bei der Abgasreinigung deutlicher als mit warmer Maschine. Zum zweiten wird eine möglichst aktuelle Version des kommenden WLTC (Worldwide harmonized Light Vehicles Test Cycle) gefahren, und das mit eingeschalteter Klimaanlage. Zum dritten kommt der ADAC-Autobahnzyklus zum Tragen, der ein Gegengewicht zum langsamen NEFZ bildet: Es wird vorwiegend mit Richtgeschwindigkeit gefahren.

Käufer richten sich wenig nach Umweltkriterien

Verbesserungsfähig erscheint der ADAC EcoTest bei der Erhebung und Gewichtung der Stickoxid-Emissionen. Die werden vor allem von Dieselmotoren ausgestoßen, und es besteht wenig Zweifel, dass die unterschiedlichen Reinigungsansätze (innermotorische Maßnahmen, Speicherkat, SCR-Kat) eine hohe Bandbreite bei den Abgasen ergeben. Vielleicht führt die Anschaffung des PEMS mit einer Ausfahrt im realen Verkehr hier zu einer neuen, noch besseren Qualität der Messung.

Außerdem könnte darüber hinaus nachgedacht werden, wie die bei der Produktion eines Autos notwendige Energie mit einfließt. Allerdings wäre dafür der Rechercheaufwand extrem, und mutmaßlich ist man auf die Veröffentlichungen der Hersteller angewiesen. Nur ein Beispiel: BMW lässt die Karbonfasern für i3 und i8 bei SGL Carbon in Moses Lake, WA (USA) produzieren. Hierzu wird viel Strom benötigt, der wiederum komplett durch Wasserkraft erzeugt wird. Wie will man diesen energieintensiven, aber emissionsarmen Prozess in eine Bilanz einfließen lassen?

Zurück zum EcoTest-Bericht: Abschließend fällt auf, dass sich die Autokäufer dem Ranking des ADAC diametral entgegen gesetzt verhalten. Die saubersten Antriebe (CNG, Strom) werden am seltensten gewählt, während das Schlusslicht (Ottomotor) sich am besten verkauft. Umweltkriterien sind also zweitrangig bei der Entscheidung. Wichtiger sind die Kosten – und hier genügt ein simpler Blick in die aktuelle Preislisten als schlüssige Erklärung. Ein Golf 1.2 TSI ist ab 17.650 Euro zu haben. Der CNG-Golf startet bei 23.825 Euro. Und der e-Golf erst bei 34.900 Euro.