Alle wollen ihre gelben Engel zurückgeben. Wieso eigentlich?

Der Preis ist scheiß

„Quiek, quiek!“, grunzt die gelbe Sau, die gerade unter Schlägen den Spießrutenlauf durchs Pressedorf antreten darf. „Mea culpa!“, fügt sie etwas eloquenter hinzu. Nehmen wir ihr etwas Schuld ab: Autopreisverleihungen sind generell wertlos

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Eigentlich wollte ich zum ADAC Schweigen bewahren, weil jeder schon auf den Club einschlägt wie auf eine Piñata. Heieiei, sind da ein paar alte Rechnungen hochgegoren! Der Grund, aus dem ich jetzt selber meine Koprolalie nicht mehr unter Kontrolle habe, ist jedoch gar nicht die Nachricht, dass leitende ADAC-ler beim Mauscheln erwischt wurden (denn von einem gewissen Gemauschel-Grundrauschen muss ein vernünftiger Mensch ausgehen), sondern vom diskutierten Wert solcher Preise an sich. Denn jetzt haben sich VW, BMW und Daimler laut zu Wort gemeldet: „Ja, wenn das alles SO ist, dann geben wir die Preise zurück, denn dann sind sie WERTLOS.“ Liebe Hersteller: Diese Preise waren schon immer wertlos.

Wieso also zurückgeben? Wieso habt ihr die Preise überhaupt mit so viel eigenem Pomp angenommen? Wieso geht Daimlers Mister Schnurrbart persönlich auf die gelbe Glamour-Veranstaltung, um ein Stück Kitsch in die Kamera zu halten? Das wertet die Veranstaltung natürlich auf. Das Plus an Wert kommt daher, dass die Veranstaltung Herrn Zetsche als Person und die Firma Daimler mit ihren Marken entwertet – quasi ein Energieerhaltungssatz virtueller Werte im sozialen Kudos-Kosmos. Ich stelle mir vor, ich müsste einen Tag Daimlers Geschäfte leiten. Der ADAC ruft an: „Wir verleihen euch was! Wird super!“ Gute Antwort: „Schöne Idee! Viel Spaß! Schickt mir Bilder und das Geraffel mit der Post rum!“ Und dann die Adresse der Werks-Recyclingannahme für Plexiglas angeben.

Prakti lernt fürs Leben

Man könnte auch den Praktikanten der Presseabteilung auf so eine Veranstaltung entsenden, auf dass er am lebenden Beispiel lerne, wie das in sich geschlossene System gegenseitigen Schulterklopfens zwischen Herstellern, Presse, ADAC und Experten funktioniert. Manchmal kocht, wie in jeder anderen eheähnlichen Beziehungsform, ein bisserl Gestänker hoch. Aber am Ende wird immer alles wieder gut. Der Prakti sollte eine Preisverleihung als das erkennen, was sie ist: eine Geste der Zärtlichkeit. Die Verleihung des Plexiglasengels entspricht dem Mitbringen einer Packung Weinbrandbohnen für die bessere Hälfte, oder einem Strauß Blumen von der Auslage der Tankstelle. Das sind wichtige interne Vorgänge, doch sollte der Prakti verstehen, dass die Weinbrandbohnen für die Nachbarn nicht dieselbe Relevanz haben wie für das Paar. Genauso hat die Engelsskulptur keine Relevanz für Autokäufer außer vielleicht einem kleinen Anlass zum drüber Ratschen.

Vielleicht erklärt dieses Beispiel ein bisschen, warum in der Realität nicht der Prakti, sondern ein Herr Winterkorn persönlich auffährt, um sich lachend mit Sortenmüll ablichten zu lassen. Es wäre ja potenziell unhöflich, wenn die beschenkte Ehefrau die Blumen vom Kind abholen ließe oder ihm gar die Weinbrandbohnen anvertraute. Eine solche Geste schafft Distanz. Nun ist der ADAC aber nicht mit den Herstellern verheiratet, deshalb täte mehr professionelle Distanz der Arbeitsfreiheit beider Seiten eigentlich ganz gut. Das Gerede über den ADAC wäre eine gute Gelegenheit, mehr Abstand von allen Weinbrandbohnenverleihen zu gewinnen, denn der Club ist ja nicht die einzige Institution, die mit Preisen vollendeten Nonsens' um sich wirft.