Alles anders: Die Technik der Ducati 1199 Panigale

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Das Neue am Motor

Die Aprilia RSV4 war Ducatis Benchmark beim Handling. Die BMW S 1000 RR war ihr Benchmark auf den Geraden, denn BMWs Reihenvierzylinder spuckte in der Erstserie am Prüfstand fast immer über 200 DIN-korrigierte PS aus. Zwar haben Zweizylinder Traktionsvorteile am so wichtigen Kurvenausgang (an dem Motorräder durch den zusätzlichen Vorderraddruck aus Fliehkraft ihre maximale Beschleunigung erreichen), aber der Leistungsvorteil der BMW im Hobbysport war unerträglich. Am Ende langer Geraden gab sie regelmäßig die schnellste Maschine der offiziellen Endgeschwindigkeitsmessung. Um dort dranzubleiben, brauchte es massiv mehr Leistung. Gleichzeitig wollte Ducati aber beim V2 bleiben statt wie in der MotoGP zum V4 zu gehen. Dazu bauten sie den kurzhubigsten Motor des Serienbaus, der so spitz ausgelegt ist, dass er in seinen Fahreigenschaften nur noch wenig mit einem Zweizylinder zu tun hat.

Bisher maßen die größten Kraftrad-Kolben im Durchmesser ziemlich exakt so viel wie ein deutscher Standard-Bierdeckel: 107 mm bei Aprilias Dorsoduro 1200 und der Moto Morini Corsaro 1200. Die Panigale erhöht das bei gleichem Hubraum auf 112 mm bei einem Hub von 60,8 mm. Diese beiden Kolben stampfen nicht mehr, sie flattern nur noch. Das Verhältnis von Bohrung zu Hub beträgt 1,85, weswegen Ducati den Motor "Superquadro" getauft hat. Ein extremeres Verhältnis gibt es nur bei Ducatis Rennmotoren (2,02) und im Serienbau nirgends. Der Superquadro kommt damit auf eine Nennleistung von 195 PS, und er versammelt sein Drehmoment komplett im oberen Bereich. Über die gesamte Mitte des Drehzahlbandes hat er zehn bis zwanzig PS weniger als der Motor der 1198, was man sehr deutlich merkt: unter 7500 U/min verhungert der normales Zweizylinderdrehmoment erwartende Fahrer am Kurvenausgang. Darüber baut der Superquadro jedoch ein regelrecht erschreckendes Drehmomentplateau auf, das erst im Überdrehschniepel endet. Es fährt sich wie kein Twin, es erinnert eher an Ducatis V4-Motor in der Straßen-Desmosedici und genaugenommen fährt sich der Superquadro wie kein Motor vorher. Es ist mit dieser spitzen Leistungscharakteristik nicht ganz einfach, das am Hinterrad gewünschte Drehmoment per Gasgriff einzustellen, aber es ist – vielleicht wichtiger – ein erstaunliches Erlebnis.