Ausflug im Volvo V60 D3

Inhaltsverzeichnis

Haar, 8. Februar 2012 – Es gab eine Zeit, da waren Kombis von Volvo groß und immer auch etwas behäbig. Beides Eigenschaften, die Volvo über Jahrzehnte hinweg eine treue Fangemeinde sicherte, aber eigentlich schon seit ein paar Jahren nicht mehr gilt. Doch mit dem V60 hat sich der schwedische Hersteller von der einst so gepflegten Maxime weiter entfernt als mit jedem anderen Modell der Marke. Mit ihm richtet sich Volvo nicht an die klassische Kombi-Klientel mit einem gewissen Platzbedarf, sondern mehr an Menschen, die einen sportlichen Lifestyle-Wagen suchen. Wir wollten bei einer Ausfahrt wissen, wie gut der V60 in der Praxis ist.

Bequeme Sitze

Beim Sondermodell „Ocean Race“ ist eine Lederausstattung serienmäßig. Der Kunde hat dabei die Wahl zwischen Beige und Anthrazit. Die Sitze selbst überzeugen mit ausgeprägtem Seitenhalt für Rücken und Beine. Dabei hat Volvo auch eine seiner alten Stärken nicht vergessen: Bequemlichkeit. Sehr lange Strecken lassen sich auf den Polstern ermüdungsfrei durchhalten – vorne und hinten. Die dünnen Kopfstützen in der zweiten Reihe lassen sich nur per Hand umklappen – Umlegen per Knopfdruck kostet 150 Euro extra. Und im umgeklappten Zustand ragen die Kopfstützen dann waagerecht in den Innenraum, was ein bisschen unfertig aussieht.

Wenig Platz im Kofferraum

Die Lehnen der Rücksitze lassen sich zu einem ebenen Ladeboden umlegen. Der Kofferrauminhalt von 430 bis maximal 1241 Liter reißt allerdings keinen Kombi-Fan vom Hocker. Selbst für einen Premium-Kombi sind das sehr bescheidene Werte. Zum Vergleich: Der Kombi der Mercedes C-Klasse fasst zwischen 485 und 1500 Liter Gepäck. Somit bleibt der Volvo V60 ein Auto für alle, die einen Kombi aus formalen Gründen bevorzugen, tatsächlich aber keinen brauchen. Schwacher Trost: Bei der S60 genannten Limousine müssen mickrige 380 Liter reichen.

Klare Information

Die beiden Rundinstrumente des V60 sind in ihrer Klarheit kaum zu übertreffen. Tacho, Drehzahlmesser und die beiden Displays lassen sich sehr gut ablesen, was inzwischen leider keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Zwischen der Geschwindigkeitsanzeige links und dem Drehzahlmesser rechts sitzt noch die Anzeige für das Start-Stopp-System. Etwas gewöhnungsbedürftig: Die elektronische Parkbremse muss durch Drücken eines Schalters eingelegt und durch Ziehen des Selbigen wieder gelöst werden.

Aktive Helfer

Sehr helle Leuchtdioden auf Höhe der Außenspiegelfüße warnen vor Fahrzeugen im toten Winkel. Die Technik erkennt auch Radfahrer und warnt weder zu früh noch zu spät – der Totwinkel-Assistent ist einer der besten, die wir bisher im Test hatten.

Die Sicht des Fahrers nach rechts oben wird gestört: Dort sitzt ein riesiger schwarzer Plastik-Flatsch, aus dem der Innenspiegel herauswächst. Die Größe hat ihren Grund: Einige der schon erwähnten Sensoren und Kameras finden hier Platz. Die Dimensionen des Sensoren-Gehäuses erinnert an ähnlich klotzige Technik aus dem Opel Insignia – andere Hersteller kommen mit weniger Platz aus. Die Messtechnik arbeitet für einen adaptiven Abstandstempomat, für die Abstandswarnung bei in gleicher Richtung vor dem Volvo fahrenden Fahrzeugen, für die Crash-Verhinderung oder Crash-Abschwächung bei Fußgängern und stehenden Hindernissen und als Spurwechsel-Assistent. Der Abstandstempomat ist bei nicht zu dichtem Verkehr eine echte Entlastung. Die Abstandswarnung funktioniert mit einem im Ernstfall in die Frontscheibe gespiegelten orangefarbenen Balken und einem Warnton auch sehr gut.

Schlechte Rundumsicht

Da der V60 sehr unübersichtlich ist, sind auch die Einparksensoren vorne und hinten unverzichtbar, selbst die 450 Euro teure Rückfahrkamera empfehlen wir. Allerdings liefert diese ein eigenartig gestauchtes Bild und die Linse verschmutzt bei Regen sehr schnell. Wer oft aus engen Ausfahrten herausfährt, kann sich auch noch ein CAM-System in den Wagen holen: Dann werden die Bilder rechts und links von der Wagenschnauze auf dem Multimediabildschirm dargestellt. Ein Müdigkeitswarner überwacht den Fahrer und meldet sich, wenn dieser unkonzentriert agiert.

Variables Fahrwerk

Das Fahrwerk des V60 lässt sich gegen einen Aufpreis von 1540 Euro verstellen. Die Einstellungen werden über drei Tasten in der Mittelkonsole vorgenommen und nennen sich Comfort, Sport und Advanced. Im Comfort-Modus werden auch mittelschwere Schlaglöcher souverän überbügelt. Trotzdem hält sich die Kurven-Wankneigung in Grenzen. Sport passt dann gut zur Autobahn und Advanced macht den V60 zu einem brettharten Auto. Ein derart auf Athletik getrimmtes Volvo-Fahrwerk gab es lange nicht mehr. Gerade das Um-die-Ecken-Pfeifen macht damit enormen Spaß – der oben erwähnte Sitzseitenhalt wird nun gebraucht. Die Lenkung ist ausreichend genau und die Bremsen packen gut zu.

Flotter Start

Im V60 D3 arbeitet ein Fünfzylinder-Turbodiesel. Der trotz seiner ungeraden Zylinderanzahl angenehm laufruhige Motor ist für 163 PS und ein maximales Drehmoment von 400 Nm gut. Und diese 400 Nm sorgen für die nächste Überraschung: Der V60 D3 beschleunigt nach dem Start vehement. Erst mit ein bisschen Gefühl bekommt man einen sozialverträglichen Ampelstart hin. Das Drehmoment liegt bereits ab 1500 U/min an und sorgt im Stadtverkehr für enorme Spritzigkeit. Der Durst des kraftvollen Motors wird durch ein Start-Stopp-System gezügelt. Allerdings erfolgt der Abschaltvorgang irgendwie langsam, der Start funktioniert dann recht spontan.

Lange Wege

In 9,4 Sekunden spurtet der Schwede von null auf 100 km/h, bei 220 km/h ist das Ende des Vortriebs erreicht. Als Durchschnittsverbrauch gibt Volvo für den V60 D3 im NEFZ 5,1 Liter Diesel pro 100 Kilometer an. Mit solch einem niedrigen Wert können wir im kalten Winter nicht dienen. Bei hohem Stadtverkehrsanteil kamen wir auf 7,7 l/100 km und auf der Autobahn bei 220 km/h waren es laut Bordcomputer 10 l/100 km. Die manuelle Sechsgang-Schaltung wird im V60 D3 Ocean Race über einen Lederknauf bedient. Das Einlegen der Gänge gelingt ohne Hakeln, nur die Schaltwege sind etwas lang.

Teuer, aber gut ausgestattet

Das Sondermodell Ocean Race kostet in Verbindung mit dem 163-PS-Diesel mindestens 36.750 Euro. Das ist angesichts der umfangreichen Serienausstattung durchaus fair. Audi, BMW und Mercedes verlangen für ihre vergleichbar großen Modelle ausstattungsbereinigt deutlich mehr Geld. Wer allerdings auf ein Nobelimage verzichten kann, bekommt bei anderen Marken ähnlich motorisierte, aber größere Kombis.