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Autonome Minibusse: Easymiles im Interview

Audi tat sich damit hervor, mit dem A8 das erste normale Auto gebracht zu haben, das im Stau keine Hand mehr am Lenkrad verlangt. Doch im Langsamfahrbereich gibt es längst vollautonome Fahrkabinen

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Bei Kraftfahrzeugen für den Endkundenverkauf zeigt Audi den Stand der Technik im kommenden A8: Anfangs darf der bis 60 km/h durch zähen Verkehr fahren ohne Fahrerüberwachung, ohne Hände am Steuer. Später vielleicht mehr. Bei Spezialfahrzeugen sind die Hersteller jedoch schon weiter. Weltweit bieten mehrere Firmen autonome Fahrkabinen an, die mehr Gemeinsamkeiten aufweisen als Unterschiede. Alle sind elektrisch angetrieben, alle tragen nur eine Handvoll Passagiere und alle laufen in ihren ersten Testinstallationen derzeit als eine Art öffentlicher Betatest. Das französische Startup Easymile stellt in Kooperation ihre vollautomatische Fahrkabine EZ-10 her und bietet außen herum maßgeschneiderte Mobilitätslösungen für die vielzitierte letzte Meile an. Wir sprachen mit diesem vielversprechenden jungen Unternehmen.

Heise Autos:
Woher kommt Easymile?

Easymile:
Wir sind ein Startup aus Toulouse, das sich seit 2014 mit Software-Entwicklung für die Automatisierung aller Arten von Transport beschäftigt. Da lag es irgendwann nahe, auch komplette Automatisierungspakete anzubieten.

Heise Autos:
Wer baut dazu die Hardware, die EZ-10-Fahrkabinen?

Easymile:
Automobiles Ligier stellt diese Fahrzeuge nach unseren Vorgaben her und ist auch finanziell an Easymile beteiligt. Ligier hat viel Erfahrung mit der Herstellung kleiner Fahrzeuge und betrieb von 1976 bis 1996 ein Formel-1-Team.

Heise Autos:
Wie schnell kann die Kabine denn rein technisch gesehen fahren?

Easymile:
Vom Antrieb her ist sie auf 45 km/h ausgelegt. Aus Vorsicht fahren wir jedoch derzeit in allen Installationen nur mit 10 bis 20 km/h.

Heise Autos:
Was kostet eine einzelne Kabine?

Easymile:
Je nach Ausstattung zwischen 200.000 und 220.000 Euro pro Kabine für Hardware und die dazugehörige Software. Dazu kommen normalerweise noch die anderen Bestandteile des Pakets, also zum Beispiel die Einschätzung vor Ort oder Training. Aktuell arbeiten wir noch mit einem speziell trainierten Supervisor, der die Technik gut kennt. Wenn die sich jedoch bewährt, wird es auch Installationen ohne lokalen Supervisor geben.

Heise Autos:
Was brauche ich denn an Voraussetzungen, um Easymile auf meinem Gelände oder gar meiner Stadt einzusetzen?

Easymile:
Wenig. Wir kommen vorbei und betrachten das Areal, auf dem Personen transportiert werden sollen. Daraus erstellen wir einen Use Case, den wir mit dem Kunden ausfeilen. An Technik muss nur mobiles Internet vorhanden sein, damit die Kabinen mit dem Flottenmanagement und untereinander kommunzieren können. Ansonsten brauchen die Fahrzeuge nichts. Sie bewegen sich entlang virtueller Linien, die der Kunde per Software vorgibt. Für Installationen im öffentlichen Raum müssen wir natürlich mit den Kommunen die Zulassungsdetails klären. Das sind aktuell Sondergenehmigungen.

Heise Autos:
Was haben Sie aus den bisherigen Installationen gelernt?

Easymile:
Wir haben eine Menge gelernt über die richtige Fahrgeschwindigkeit, die Sensoren, die Hinderniserkennung, die Autonomie und Details wie die Klimaanlage. Wir verbessern in einem laufenden Prozess.

Heise Autos:
Was sagen die Fahrgäste?

Easymile:
Die Passagiere geben überwiegend sehr gutes Feedback ab. Sie fühlen sich sicher und bewerten die Fahrt als reibungslos. Auch der Umgang mit den Kabinen ist eher interessiert und spielerisch als ängstlich.

Heise Autos:
Wo soll Easymile in Zukunft hingehen?

Easymile:
Wir wollen so viel Sicherheit schaffen wie nur möglich. Dazu arbeiten wir an Einsätzen im öffentlichen Verkehr und entsprechendem Verkehrsrecht. Beide Dinge gehören dazu, einen Markt für automatisierten Personentransport zu entwickeln.

Epilog

Mittlerweile hat sich der Zulieferer Continental an Easymile beteiligt. Das äußert sich außer in den Finanzen zunächst in der Standardbereifung des EZ-10, der nun auf Conti EcoContact rollt. Außerdem hat sich Conti einen EZ-10 besorgt, den die Ingenieure der Abteilungen für automatisiertes Fahren selbst zum Continental-eigenen Versuchsträger umgebaut haben. So sollen unter anderem die eigenen Sensoren auf ihre Tauglichkeit in solchen Fahrzeugen untersucht werden.

Statt der Lidar-Sensoren in Easymiles Konfiguration setzt Conti beim "Cube" getauften Versuchsfahrzeug auf Stereokameras plus Radar, also gezielt Systeme, wie wir sie auch in Autos längst sehen. Dazu kommt ein Außendisplay, auf dem Augen Fußgänger angucken, um ihnen zu zeigen, dass die Objekterkennung sie wahrgenommen hat. Innenkameras erkennen, ob die Passagiere sitzen, damit Lautsprecher sie gegebenenfalls dazu auffordern können. Im nächsten Schritt könnten diese Kameras dem Flottenmanagement auch mitteilen, wie viele Plätze verfügbar sind oder ob ein Passagier etwas liegen gelassen hat. Auch bei Hard- und Software für die Recheneinheiten benutzt Continental die eigenen, bekannten Systeme.

IAA-Besucher: Auf der Messe können Sie keine Fahrt im Cube erleben. Am Continental-Stand steht lediglich eine Art Kasperletheater, das die Form des Cube nachempfindet und Dinge wie die Sitzbezüge zeigt. Aber diese Liebe zum Modellfahrzeug dürfte dem erfahrenen Messegänger ja geläufig sein.