Hohe Ölpreise beschleunigen die Suche nach Alternativen. Besonders vielversprechend sind, neben den pflanzlichen, die synthetischen Treibstoffe

Der perfekte Kraftstoff

Ölkonzerne und Autohersteller forschen an neuen Treibstoffen aus Biomasse, um die Abhängigkeit vom Erdöl zu reduzieren. Die ersten Anlagen haben bereits die Produktion im großen Stil aufgenommen.

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Die hohen Ölpreise haben auch ein Gutes: Sie beschleunigen die Suche nach Alternativen. Eine neue Generation von Biokraftstoffen gilt als Brückentechnologie zwischen Erdöl- und Wasserstoffzeitalter.

"Zwar mögen pflanzliche Öle gegenwärtig für eine technische Nutzung unwichtig sein. Aber im Laufe der Zeit könnten sie durchaus die gleiche Bedeutung erlangen, die unseren heutigen Erdöl- und Kohleteer-Produkten zukommt.“ Glaubte Rudolf Diesel schon Anfang des letzten Jahrhunderts, nachdem seine Motoren versuchsweise mit Erdnussöl gelaufen waren. Zwar unterschätzte der Erfinder des Selbstzünders das Trägheitsmoment der weiteren Automobilentwicklung, doch 103 Jahre später scheint ihm die Geschichte Recht zu geben.

Biodiesel boomt in Deutschland

Biodiesel, hergestellt aus Pflanzenölen, vorzugsweise Raps, boomt wie nie zuvor: 2004 wurden in Deutschland 1,2 Millionen Tonnen Rapsmethylesther (RME), wie der Treibstoff chemisch korrekt genannt wird, produziert und an inzwischen 1900 Tankstellen abgesetzt. Fünfzig Prozent mehr als im Jahr zuvor und immerhin vier Prozent des Dieselverbrauchs von 30 und mehr als zwei Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs von 55 Millionen Tonnen. Damit ist Deutschland weltweit führend und liegt exakt auf EU-Kurs: Entsprechende Richtlinien des Europäischen Parlaments wollen einen Anteil von zwei Prozent, bis Ende 2010 einen Anteil von 5,75 Prozent Biokraftstoffen am Gesamtmarkt umsetzen.

Welt steckt in der Erdölfalle

Biodiesel ist der erste Eckstein einer Treibstoffversorgung, die nicht mehr allein vom Erdöl abhängig ist. Die Treibstoffpreise sind kaum unter Kontrolle zu bringen, die Kohlendioxid-Emissionen des Verkehrs schädigen unverändert unser Klima, der Ölmarkt wird von politischen und wirtschaftlichen Interessen getrieben: Die Welt sitzt tief in der Erdölfalle, und ein radikal neues Energiesystem ist noch nicht in Sicht. Das Wasserstoffzeitalter mit seinen emissionsfrei durch die Landschaft gleitenden Brennstoffzellenautos lässt offenbar noch länger auf sich warten. Deshalb suchen Mineralölkonzerne, Autohersteller und Politik heute nach Alternativen, um die Lücke zwischen Erdöl- und Wasserstoffzeitalter zu schließen.

Materialschlacht Biomasse

Biomasse als Energiequelle ist eine reizvolle Option, weil sie einen eleganten Prozess ermöglicht. Das Kohlendioxid, das man der Natur entnimmt, gibt man ihr am Auspuff wieder zurück. Tatsächlich sind die klimarelevanten Ökobilanzen zwar wesentlich komplexer, sobald man die Herstellung und Logistik des grünen Sprits mit einbezieht. Besser als Treibstoffe fossilen Ursprungs schneidet Biomasse aber in der großen Klimarechnung allemal ab. Angenehme und erwünschte Nebeneffekte: Für die europaweit krisengeschüttelte Landwirtschaft ergeben sich neue Möglichkeiten. Und: Biotreibstoffe können fast überall erzeugt werden, wo Anbaufläche zur Verfügung steht, die Frage ist nur, in welchen Mengen und zu welchen Kosten.

Produktionskapazitäten aufgestockt

Biokraftstoffe herzustellen, ist immer eine Materialschlacht, entscheidendes Kriterium ist der Flächenertrag: Aus einem Hektar Rapsfeld kann man heute rund 1300 Liter Biodiesel gewinnen – oder ein bis eineinhalb Fahrzeuge mit durchschnittlicher Kilometerleistung versorgen. Da letztes Jahr auch die großen Mineralölkonzerne begonnen haben, ihren Dieseltreibstoffen Biodiesel beizumischen – erlaubt und von der Steuer befreit wie der reine Stoff sind fünf Prozent –, wurden die Produktionskapazitäten auf 1,9 Millionen Tonnen weiter aufgestockt, die Anbauflächen haben sich von knapp 800000 auf 1,3 Millionen Hektar vergrößert.

Will man nicht in Konflikt mit der Nahrungsmittelproduktion kommen, werden die Biodiesel-Kapazitäten relativ rasch an ihre natürlichen Grenzen stoßen. Ein Bericht des Finanzministeriums geht davon aus, dass bei 1,5 Millionen Hektar das Rapspotenzial für den Nonfood-Bereich „nahezu ausgeschöpft“ sein wird.