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Deutsche Mobility-Start-ups: Emmy

Zwei statt vier Räder, Nostalgie statt Tech-Flair. Mit elektrischen Rollern, unter anderem Retro-Schwalben, will Emmy sein Stück vom Sharing-Kuchen

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Deutsche Mobility-Start-ups: Emmy 4 Bilder
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

E-Roller gelten unter Experten als das Transportmittel mit den größten Chancen im Kampf der Sharing-Konzepte. Der Akku kann leicht getauscht werden, ist aber trotzdem groß genug, um eine ausreichende Reichweite sicherstellen zu können, dazu gibt es in der Stadt keine Probleme bei der Parkplatzsuche. Theoretisch.

Praktisch ist es so, dass gleich mehrere Gründer und Manager diese Idee hatten, weswegen der Markt vergleichsweise stark umkämpft ist. Aktuell gibt es in Deutschland rund 4200 Sharing-Roller (die meisten in Berlin), das ist ein Zuwachs von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Konkurrenzkampf ist so stark, dass erst kürzlich Coup, ein Tochterunternehmen von Bosch, sein Angebot einstellen musste. Die Elektroroller ließen sich nicht mehr wirtschaftlich betreiben. Rund drei Jahre war die Firma am Markt. Deutlich kürzer am Markt: Janoo. Gleiche Idee, noch kürzerer Atem.

Also braucht es ein Alleinstellungsmerkmal. Sharing? Können alle. Elektroantrieb? Auch. Vintage muss es sein. Städter lieben das. Emmy entschied sich deswegen für die Schwalbe E-Roller. Früher baute Simson seine Knatterbüchsen in Suhl, heute hat die Govecs AG aus München die Rechte an dem Roller und lässt elektrifizierte Versionen in Breslau bauen.

Die Roller sehen genauso aus wie die Klassiker, sind jetzt aber mit Kunststoff verkleidet. Darunter surrt ein Elektromotor. Wer privat einen haben möchte, der ist mit 5590 Euro dabei. Höhere Endgeschwindigkeit, größerer Akku ... ZACK ... sind 7000 Euro und mehr weg. Oder aber man schnappt sich einen bei Emmy. Da kostet der Ostalgie-Stromer 23 Cent pro Minute oder aber 29 Euro pro Tag. Wer gleich ein 500-Minuten-Paket bucht, der zahlt nur noch 19 Cent pro Minute. Aber Vorsicht: Emmy hat nicht nur Schwalbe im Portfolio.

Bislang ist Emmy auf Expansionskurs

Geladen werden die Roller von Mitarbeitern der Firma per Service-Mobil. Die Mieter können und dürfen das nicht. Wichtig ist deswegen auch vor der Fahrt einen Blick auf den Ladezustand des Rollers zu werfen – die App gibt Auskunft.

Bislang scheint Emmy der Atem nicht auszugehen. Im Gegenteil, das Unternehmen ist auf Expansionskurs. Nicht zuletzt, weil die Konkurrenz, die geholfen hat, den Markt zu erschließen, weniger wird. 2000 Roller stehen aktuell für 250.000 Kunden in Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Stuttgart und München bereit. Dazu konnte Emmy jüngst nach Wien expandieren.

Interview: Valerian Seither, Co-Founder & Managing Director

Können Sie uns Ihre Geschäftsidee in drei Sätzen erläutern?
Mit unseren Elektro-Rollern, die überall in der Stadt zur Kurzzeitmiete bereitstehen, bieten wir unseren Kunden eine flexible Mobilitätsalternative, Spaß beim Fahren und vor allem stressfreies Parken ohne Parkplatzsuche. Dabei läuft alles über die App – Anmeldung, Accounterstellung, Führerschein-Verifizierung sowie die Lokalisierung der Roller und die Miete. Fahren muss man natürlich selbst, dafür liegen immer zwei Helme mit Hygienehauben in der Helmbox bereit.

Wer ist Ihre Kundschaft?
Zunächst alle, die einen Führerschein (Klasse B) haben und gerne mit dem Roller von A nach B fahren. Trotzdem zeigt sich, dass die „Young Professionals“ der Großstadt am meisten auf unseren Flitzern unterwegs sind. Wir haben ein ähnliches Kundenprofil wie die großen Carsharing-Anbieter: technologieaffin, berufstätig, mit einem Interesse an Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein.

Wer sind Ihre Konkurrenten und was haben Sie denen voraus?
Unser eigentlicher Konkurrent ist der private PKW, denn damit steht oder fällt die Mobilitätsalternative. In unseren Augen ist Mobilität des urbanen Raums als ein Konzept zu verstehen, das einem auf dem Weg von A nach B immer passende Optionen bieten sollte, die man flexibel und entspannt miteinander kombinieren kann. Meistens entscheidet sich ein Kunde spontan vor seiner Fahrt, welches das beste Verkehrsmittel ist ​– ​häufig der ÖPNV, mal Carsharing, Fahrrad oder eben unser Roller. Wir sehen unseren Service zu vielen anderen Mobilitätsanbietern eher als ergänzende Komponente, die vor allem deshalb so attraktiv ist, weil die Roller einfach Spaß machen und die Parkplatzsuche absolut entspannt abläuft.

Welche konkreten und praktischen Vorteile haben Ihre Kunden durch Ihr Produkt?
Durch das Sharing-Konzept bekommen unsere Kunden Zugang zu Elektro-Rollern überall in der Stadt, ohne sich selber einen Roller kaufen zu müssen oder sich um die Instandhaltung zu kümmern. Bei den über 2000 Rollern in all unseren Städten steht praktisch immer einer um die Ecke, sodass man nach wenigen Minuten den Helm zuschnallen und losflitzen kann. Dabei sind besonders Einwegfahrten ein Pluspunkt, z.B. falls es regnet oder man zu viele Einkäufe dabeihat und einfach mit einem anderen Verkehrsmittel weiterfahren will.
Mit unseren Elektro-Rollern ist man emissionsfrei, lautlos und vollkommen ungebunden in der Stadt unterwegs, ob nun alleine oder zu zweit. Und weil der Motor nur ein sanftes Surren von sich gibt, kann man sich auch während der Fahrt gut unterhalten, z.B. wenn der Beifahrer einen durch unbekannte Ecken navigiert. Aber auch alleine kann man immer auf schnellstem Wege ans Ziel kommen, denn alle Roller haben eine Handyhalterung. Es ist allerdings die Parkplatzsuche, die uns im Sharingbusiness ein bisschen besser als unsere vierrädrigen Kollegen dastehen lässt, denn am Ziel angekommen, findet man super einfach einen Parkplatz.

Wie weit sind Sie mit der Verwirklichung und wo stehen Sie in fünf Jahren?
Mittlerweile sind wir in vier deutschen Städten und seit ein paar Wochen nun auch in Wien am Start. Über 250.000 Kunden haben sich schon für den Service angemeldet und sind mit unseren Rollern viele Millionen Kilometer gefahren. Man wächst natürlich mit seinen Aufgaben, aber wir wollen mehr. Mehr Roller in unsere Städte stellen und auch neue Städte in Europa besetzen. In fünf Jahren sind wir für viele Europäer die erste Wahl für elektrische Mobilität.

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