Die Honda CRF 450 RX bleibt ein Sportgerät

Inhaltsverzeichnis

Köln, 16. August 2016 – Die Honda-Fans wollten schon jubeln: Endlich folgt der weltgrößte Motorradbauer auch in Deutschland dem Beispiel der Konkurrenz und bietet seinen neuen Motocrosser CRF 450 R auch als Enduro-Variante CRF 450 RX für Wettbewerbe an. Doch dann folgte die ernüchternde Botschaft von Honda: Die CRF 450 RX wird es nicht mit Straßenzulassung geben. Sie wird ein reines Wettbewerbsmodell bleiben, das in Deutschland an keinen klassischen Endurorennen teilnehmen kann.

Zwar hat Honda das in der Vergangenheit in etlichen Ländern, vor allem in den USA, schon lange gemacht, aber bislang scheuten sie den deutschen Markt. Dies ist umso erstaunlicher, als KTM, Husqvarna, Yamaha und Suzuki hierzulande seit vielen Jahren mehr oder weniger große Stückzahlen an Sportenduros absetzen konnten. Lediglich bei den eher seltenen Cross-Country-Rennen darf sie starten, weil dort keine Straßenzulassung erforderlich ist und sogar Motocross-Maschinen zugelassen sind.

Vom Motocrosser zur Sportenduro

Die Idee ist für die Hersteller natürlich naheliegend und verlockend, aus den hauseigenen Viertakt-Motocross-Varianten mit 250, 350 oder 450 Kubikzentimeter Hubraum eine straßenzugelassene Enduro zu bauen. Heute unterscheiden sich die beiden Sparten in Sachen Motoren, Rahmen, Fahrwerke und Komponenten wie Tank, Sitzbank und Lenker kaum noch oder gar nicht von einander. Es sind die Feinheiten im Detail, die den Unterschied ausmachen.

So wird die Spitzenleistung der Einzylinder im Endurobereich leicht reduziert zugunsten eines besseren Drehmoments und sanfteren Ansprechens bei niedrigen Drehzahlen. Denn während Motocross ein Sprintrennen über 35 Minuten plus zwei Runden ist, ähnelt ein Endurorennen einem Marathon, der sich über den ganzen Tag ziehen kann. Gabeln und Federbeine sind daher weicher abgestimmt und hinten dreht sich ein 18-Zoll-Rad statt eines 19-Zöllers und sogar die groben Geländereifen müssen eine Straßenzulassung besitzen.

Doch für eine Straßenzulassung müssen Motorräder in Deutschland natürlich außerdem über Scheinwerfer, Rücklicht, Blinker, Rückspiegel, Tacho und ein Lenkerschloss verfügen. Das alles ist technisch ohne weiteres machbar, die entscheidenden Knackpunkte sind allerdings die Abgas- und Geräuschnormen. Zulassungsfähig sind die leichten und leistungsstarken Sportenduros deshalb nur mit schmerzhaft weniger Leistung, bei allen Modellen bleibt weniger als die Hälfte, bei einige sogar nur noch rund ein Viertel der ursprünglichen PS-Zahl übrig. Lediglich bei Wettbewerben ist die „offene“ Leistung zulässig.

Vermutlich hat Honda gar nicht erst darüber nachgedacht, die CRF 450 RX überhaupt für eine Straßenzulassung fit zu machen. Dabei wären die Maßnahmen gar nicht so aufwendig. Die findige italienische Firma Red Moto bietet schon seit Jahren Enduros auf Basis der Honda-Motocrosser an, mit Scheinwerfer, Rücklicht, angepassten Federelementen, Kennzeichenträger und leiserem Auspuff. Selbst in Deutschland können sie per Einzelabnahme für den Straßenverkehr bei entsprechend reduzierter Leistung zugelassen werden.

Keine Straßenzulassung

In den USA erfreuen sich Cross-Country-Rennen sehr großer Beliebtheit und nach Scheinwerfern fragt dort niemand. Deshalb hat Honda die CRF 450 RX für die dortigen Belange mit einem 18-Zoll-Hinterrad, Seitenständer und E-Starter ausgerüstet. Außerdem verweisen sie auf einen „großen Tank“, der mit 8,5 Litern nicht wirklich üppig ausfällt. Die Federelemente wurden für den Enduro-Einsatz überarbeitet und weicher abgestimmt, denn in langsamen, holprigen Passagen sind straffe Motocross-Fahrwerke von Nachteil.

Auch sonst verfügt die CRF 450 RX über erstklassige Qualitäten. Der Zylinderkopf wurde neu konstruiert und geriet kompakter, der Ventilhub sowie die Ventile sind größer, die Verdichtung erhöht und das Einlasssystem lässt die Luft nun auf geraderem Weg einströmen. Honda gibt ein um elf Prozent verbessertes Leistungsgewicht an. Der charakteristische Doppelrohrauspuff blieb erhalten. Tatsächlich ist über den gesamten Drehzahlbereich mehr Power vorhanden, vor allem aber die Spitzenleistung wurde angehoben.

Der Aluminiumrahmen wurde neu entwickelt, wiegt nur noch 9,14 Kilogramm und verfügt über eine modifizierte Geometrie. Der Schwerpunkt der Maschine wurde abgesenkt, was der Handlichkeit zugute kommt und auch die Balance wurde verfeinert. Die Verdrehsteifigkeit des Rahmens wurde um 6,8 Prozent verringert, was zu einem verbesserten Fahrgefühl in Kurven führen soll. Laut Honda bringt die CRF 450 RX vollgetankt 118 Kilogramm auf die Waage.

Vorne kommt eine Showa-Upside-down-Gabel mit 49 Millimeter Durchmesser zum Einsatz. Die ganzen Maßnahmen dienten vor allem einem Zweck, wie Mikio Uchiyama, Projektleiter der CRF 450 R, erklärte: Unsere Aufgabe war, die Beschleunigung gegenüber dem Vormodell um fünf Prozent zu verbessern. Das Entwicklungsmotto lautete: Absoluter Holeshot.“ Als „Holeshot“ wird im Motocross der schnellste Start bezeichnet, denn wer als Führender in die erste Kurve einbiegt, hat gewaltige Vorteile.

Nichts blieb unangetastet, auch die Plastikteile wurden neu konstruiert. Beim Motormanagement der CRF 450 RX können nun über einen Schalter drei Mappings ausgewählt werden. Sie reichen von sanften Ansprechverhalten des Motors bis hin zu sehr direkter Reaktion auf Gasbefehle. Eine LED-Kontrolleuchte am Modi-Schalterknopf zeigt an, welche der drei Fahrstufen aufgerufen ist.

Unverständliche Firmenpolitik

In Anbetracht der langen Verbesserungsliste, glauben wir Honda unbesehen, dass es sich um die beste Sportenduro handelt, die sie je auf die Räder gestellt haben. Umso trauriger für die Fans, dass sie die CRF 450 RX zwar beim deutschen Honda-Händler kaufen, aber nicht auf der Straße fahren können. Bleibt nur der Weg zu Red Moto, die vom umtriebigen Honda-Händler Waldmann in Marktoberdorf importiert wird. Man darf davon ausgehen, dass die Italiener sich bald der neuen Sportenduro annehmen und sie für eine Straßenzulassung per Einzelabnahme ausrüsten werden. Es bleibt unverständlich, warum Honda sich das Geschäft entgehen lässt und der Konkurrenz das Feld überlässt.