Land- und Renntechnik im Citroën 2CV (zweiter Teil)

Eigene Wege II

Im zweiten Teil der Technikgeschichte zum Citroën 2CV geht es weiterhin nur um das Fahrwerk, mit dem bereits der erste Abschnitt begann. Doch keine Sorge, Motor und Antrieb geben noch genügend Stoff für einen umfangreichen dritten Teil.

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  • Florian Pillau
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München, 14. August 2015 – Im zweiten Teil der Technikgeschichte zum Citroën 2CV geht es weiterhin nur um das Fahrwerk, mit dessen Beschreibung bereits der erste Teil begann. Doch keine Sorge, Motor und Antrieb geben noch genügend Stoff für einen umfangreichen dritten Abschnitt.

Der automobile Vorläufer von „Pro-Link®“ war den Ingenieuren noch nicht genug. Sie bauten gleichzeitig eine Interaktionsfederung mit dem schönen, weil treffenden (inoffiziellen) Beinamen „Anti Galop“. Da sich durch die Feder-Anordnung ohnehin die vordere und die hintere Schraubenfeder in einer Linie gegenüberlagen, fasste man sie zusammen. Ihre beiden Fußpunkte sind die gegenüberliegenden Deckel auf einem Rohr. Die Federstreben greifen am anderen Ende der Feder an einem Deckel an, führen zentral durch die Feder und ragen durch ein Loch im Deckel des großen Rohres heraus. Das Ergebnis ist ein sogenannter Federzylinder. Er kann auf einer Führung seitlich am Rahmen innerhalb einer bestimmten Strecke nach vorn und hinten gleiten. Überfährt nun das Vorderrad eine Unebenheit, verschiebt sich dadurch der Fußpunkt der hinteren Feder, wodurch das Hinterrad ausgefedert wird – das lästige und fahrdynamisch unerwünschte Nicken um die Querachse wird jederzeit wirkungsvoll unterdrückt.

Unsichtbare Stoßdämpfer

Stoßdämpfer brauchte der Wagen selbstverständlich auch, und bekam die damals schon eher altmodischen Reibungsdämpfer. Warum? Weil die moderneren Hydraulikdämpfer in Staub und Schlamm (Landwirtschaft! Kolonien!) schnell undicht werden, das Dämpferöl verlieren und dann nur noch ersetzt, aber keinesfalls repariert werden können. Reibungsdämpfer dagegen gehen nicht kaputt, sie verschleißen nur mit der Zeit und können bei Bedarf mit einem Schraubenschlüssel nachgestellt werden. Kaum ein 2CV-Fahrer hat sie je gesehen. Ihre eine Reibscheibe sitzt nämlich in dem Rohr, um das die Schwinge sich dreht, ihr Gegenstück ist in der Schwinge befestigt. Darüber ein Deckel, der Eindringen von Nässe oder Schmutz (Landwirtschaft! Kolonien!) verhindert.

Wegen der Losbrechkräfte, die nötig sind, um den Dämpfer von der Haft- in die Gleitreibung zu bringen, ist das Ansprechverhalten nicht so elegant, wie die Ingenieure es gern gehabt hätten. Daher bekamen die Schwingen zusätzlich einen Massenträgheits-Schwingungstilger. Sein Feder-Masse-System ist so abgestimmt, dass es den typischen Schwingungen entgegenwirkt, indem es sie durch gegensinnige Überlagerung auslöscht. Altmodisch? Nicht wirklich, ein System mit derselben Wirkungsweise ist in der Formel 1 erst 2006 als regelwidrig verboten worden – weil es so gut funktionierte. Der Renault R25 fuhr vom brasilianischen Grand Prix 2005 bis zu seinem Verbot 2006 beim Grand Prix von Deutschland damit, Fernando Alonso am Steuer.

Citroën wurden die französisch „Batteurs“ genannten Dämpfer am 2CV natürlich nicht verboten, doch wurde die Kombination aus Reibungs- und Trägheitsdämpfung erst an der Hinterachse und Mitte der 70er-jahre auch an der Vorderachse gegen herkömmliche Hydraulikdämpfer ersetzt. Das verbilligte die Produktion, nachdem die guten Gründe für die alte Kombination (Landwirtschaft, Kolonien) weitgehend weggefallen war: 1954 sagte sich Indochina von Frankreich los, 1958 Guinea, dem 1960 14 weitere Staaten in Afrika folgten – flächenmäßig einer der größten Verluste. In dieser Zeit wurden aber auch die meisten Straßen auf dem Land in Frankreich asphaltiert.

Gefedert vs. ungefedert

Noch einmal zurück Formel1. In den 60er-Jahren legten viele Rennställe die Bremsen ihrer Autos an die Differenziale, um die ungefederten Massen zu verkleinern. Das hatte der 2CV bekanntlich bereits seit 1949. Hier ging es selbstverständlich nicht um Rundenzeiten, sondern es war einfach intelligent, bei einem Auto mit weiten Federwegen und einer im Verhältnis zum Gesamtgewicht eher schweren und langhubigen Radaufhängung die ungefederten Massen im Auge zu haben. Es waren es ja auch recht massive, gewichtige Trommelbremsen. Doch auch die ab 1981 eingesetzten Scheibenbremsen sind einen Blick wert – es sind Aluminium-Festsattelbremsen mit zwei harteloxierten Leichtmetallkolben pro Sattel. Ein technischer Aufwand, den man sonst nur in sehr sportlichen Autos findet – womit sich der Kreis zum Motorsport wieder schließen ließe – wenn man unbedingt wollte.

Seit 1967 hat man auch alle Bremsschläuche durch feste Bremsleitungen ersetzt, an der Hinterachse waren sie dazu mehrfach gewendelt geschützt im Hinterachsträger untergebracht worden, um die weiten Bewegungen der Schwingen mitmachen zu können, ohne zu brechen. Damit erreichte man ein direktes Bremsgefühl wie es sonst nur Rennwagen mit ihren Stahlflexleitungen bieten. Weiterer Vorteil: Gummibremsleitungen lassen im Gegensatz zu Leitungen mit der Zeit Wasser in die hygroskopische Bremsflüssigkeit übertreten und müssen nach ein paar Jahren getauscht werden – Bremsleitungen nur nach Beschädigung oder Korrosion (letzteres war das eigentliche Thema beim 2CV).

Die Zahnstangenlenkung ist ein anderes Beispiel für konstruktive Robustheit. Ihre Zahnstange ist nicht, wie seinerzeit üblich, an Spritzwand oder Rahmen angeschraubt. Ihr Gehäuse ist das massiv dicke Rohr, um das sich die vorderen Schwingen bewegen. Zahnstange und Lenk-Ritzel sind im quer über den Rahmen verschraubten Rohr gelagert, die Lenksäule ragt direkt und ohne ein Gelenk direkt daraus hervor. In Fahrtrichtung aus dem Rohr zeigen die Kugelköpfe der beiden Lenkspurstangen, welche die beiden Achsschenkel drehen, der Schlitz im Rohr, in dem sie sich bewegen, wird von einem Blech und einer Filz- oder Gummiauflage dahinter abgedichtet, fertig. Die sonst üblichen Gummimanschetten, die mit den Jahren porös werden, konnte man sich so sparen, die Zahnstange bleibt immer gut geschützt.

Heute im Toyota Land Cruiser HZJ

Wie in Lkw waren die Spurstangengelenke selbstnachstellend und konnten im Verschleißfall durch das Wechseln der Gleitsteine repariert werden. Solche Robust-Lösungen aus dem Landmaschinenbau gab es aus guten Gründen zuletzt nur noch in den Heavy-Duty-Ausführungen des Geländewagens Toyota Land Cruiser HZJ. Hier zeigte sich wieder die unbedingte Maxime der Robustheit und Reparierbarkeit.

Die Achsschenkel drehten sich, ebenfalls wie im Lkw-Bau üblich, in Gleitlagern um in die Schwingen eingepresste Achsschenkelbolzen. Eindeutig ein konstruktiver Schwachpunkt, weil unterdimensioniert: Wer sie nicht penibel alle 3000 Kilometer abschmierte, konnte ihrem Verschleiß förmlich zusehen. Gut, dass ihr Ersatz für jeden Dorfschmied mit Gefühl fürs Material ganz einfach zu bewältigen war – schlecht, dass viele normale Autowerkstätten damit oft überfordert waren.

Der Nachlaufwinkel ist mit ca. 14 Grad (modellabhängig) unbeladen extrem und erst in den 80er-Jahren gab es ähnlich große Winkel wieder bei Mercedes-Modellen wie dem 190er „Baby-Benz“ mit rund zehn Grad. Eingeschlagene Räder wirkten im Stand dadurch bei 2CV und Mercedes-Benz immer abenteuerlich gekippt. Im Falle des 2CV ging es aber nicht anders, denn sonst hätte seine Radaufhängung bei hängendem Heck, etwa durch eine hohe Hinterachslast, keine ausreichenden Rückstellkräfte mehr in die Lenkung gebracht. Der Grund: Wegen des Schwingendrehpunkts quer zur Fahrbahn variierte der Nachlauf, aufgrund der weiten Federwege tat er das sehr ausgeprägt. Der Fahrer empfand Rückstellkraft und Geradeauslauf generell als recht ausgeprägt bei leerem Auto – und war dann erst mal überrascht, wie „leicht“ die Lenkung bei vollem Auto wurde.

„Große Räder – kleine Hindernisse“

Galt schon für die ersten Baujahre mit ihren 400-Millimeter-Felgen (entsprechend 16 Zoll) der damalige Marketingspruch: „große Räder – kleine Hindernisse“, so wurde die spätere Ausrüstung mit 15-Zoll-Felgen dann durch die spätere Sonderausstattung mit 135R15-Reifen auch argen Geländepisten einigermaßen gerecht. Das Problem der 125er war weniger ihre Schlankheit, sondern vielmehr ihre verletzliche Flanke. Als eines der allerersten Autos überhaupt kam der 2CV mit Gürtelreifen heraus, deren Aufbau naturgemäß die Robustheit in der Lauffläche konzentriert. Das Auto zwar für Kolonien und Landwirtschaft gedacht, rollte aber mit ausgerechnet dafür nur mäßig geeigneten Reifen aus dem Werk. Der Grund soll die damalige Mehrheitsmacht bei Citroën von Michelin gewesen sein, wo man mit dem kleinen Massenauto den Gürtelreifen in großen Stückzahlen in den Markt drücken wollte – was letzlich ja auch gelang.

Fortgesetzt wird diese Geschichte mit einem Kapitel über die Antriebstechnik in einer weiteren Folge.