Zellentrakt

Elektrokraftrad Zero SR/F

Die neue Zero SR/F überträgt die Optik eines Kraftstoff-Krads auf die eines Batterie-Bikes. Zellen statt Zylinder werden zum zentralen Gestaltungsmittel

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Elektroautos, Zweirad 15 Bilder
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  • iga
Inhaltsverzeichnis

In der Vergangenheit wurden Elektromotorräder oft schon für ihr ungewohntes Äußeres vorverurteilt, bevor man sie endgültig wegen der kurzen Reichweite, der langen Ladezeiten und des hohen Preises zerfledderte. Doch die Hersteller haben nicht nur die Technik stetig verbessert, einige sind auch in Sachen Design vorsichtiger geworden.

Branchenführer Zero hat mit der SR/F ein Elektro-Motorrad vorgestellt, das sich aufs erste Hinsehen wenig von einem Motorrad mit Verbrennungsmotor unterscheidet: Erst auf den zweiten Blick entdeckt der aufmerksame Beobachter die Batterie mit ihren dekorativ angedeuteten Zellen.

Offener Gitterrohrrahmen

Das Hauptquartier von Zero im kalifornischen Santa Cruz hatte offenbar eher konservativ empfindende Umsteiger im Visier. Sie wandten sich deshalb von Aluminium-Brückenrahmen der Zero SR ZF 14.4
ab und strickten einen hübschen Gitterrohrrahmen aus Stahl um den massiven Akku. Dem Ganzen setzten sie eine Tankattrappe auf, in dem sich ein Stauraum und die Ladesteckdosen verbergen.

Die weit nach vorne gezogenen seitlichen Kunststoffteile müssen jedoch keinen Kühler schützen, sondern dienen nur der Optik, denn sowohl die Batterie als auch der Elektromotor sind luftgekühlt. Das kurze Heck mit der zweistufigen Sitzbank könnte auch von einer Honda CB 650 R stammen.

Premium-Komponenten

Zero griff zu hochwertigen und bewährten Fahrwerkskomponenten: Vorne federt eine voll einstellbare Big-Piston-Gabel von Showa, hinten stützt ein nach rechts versetztes Federbein – wie früher bei der Kawasaki ER-6 – die bananenförmige Stahlschwinge ab. Auch das Federbein stammt von Showa und ist komplett einstellbar.

Die Gussfelgen sind nun breit genug, um adäquate Reifendimensionen aufnehmen zu können und glänzen außerdem mit filigranem Speichen-Design. Die Zero SR/F rollt auf den Größen 120/70-17 und 180/55-17, während die Vorgängerin SR ZF 14.4 auf vergleichsweise schmalen 110er- und 140er-Pneus unterwegs war, die ihre Kraft nicht immer bändigen konnten. Auch bei den Reifen wählten die Kalifornier für ihre SR/F ein Premium-Produkt, der Pirelli Diablo Rosso III gilt als zuverlässiger Straßensportreifen.

Die radial angeschraubten Bremszangen am Vorderrad stammen vom spanischen Hersteller J.Juan, der vielleicht noch nicht zur allersten Liga der Bremsenhersteller gehört, aber auf einem guten Weg dorthin sind. Immerhin rüstet KTM seine 790 Duke auch mit Produkten aus dem Haus J.Juan aus.

Batterie als Gestaltungselement

Im Gegensatz zum Vorgängermodell will Zero die Batterie nicht mehr verstecken, sondern lässt ihren Zellentrakt hinter einem Bugspoiler offen zur Geltung kommen. Ja, man geht sogar noch einen Schritt weiter und gestaltet das Gehäuse so, als zeichneten sich die einzelnen Akku-Zellen darunter ab. Bei der SR ZF 14.4 waren die Zellen noch nicht sichtbar. Man hat sich also von den herkömmlichen Motorrädern offenbar abgeschaut, dass offen getragene Technik interessanter ist als schamhaft versteckte. Das Weglassen der Verschalung kommt wahrscheinlich auch der Luftkühlung zugute.

Der Scheinwerfer bekommt standesgemäß LED-Licht und die Fußrastenhalterung nimmt in ihrer Formgebung geschickt den dahinter liegenden Elektromotor auf. Der Kennzeichenhalter folgt einem aktuellen Trend und ist mit einem langen Ausleger an der Schwinge befestigt, so dass zwischen ihm und dem Heck eine unpraktisch große Lücke klafft.

Stärkster Motor in einer Zero

Eine hübsche Schale, keine Frage, aber die größten Fortschritte liegen darunter. Der neue, luftgekühlte ZF75-10-Elektromotor ist der stärkste, den Zero je gebaut hat und sitzt direkt auf der Schwingenachse, den Antrieb zum Hinterrad übernimmt ein wartungsarmer Zahnriemen, ein Getriebe braucht die Zero nicht. Der Motor leistet 110 PS und satte 190 Nm Drehmoment – im Gegensatz zum Verbrennungsmotor ab der ersten Umdrehung. Die 220 Kilogramm schwere Zero SR/F dürfte damit für sensationelle Durchzugswerte sorgen. Der Hersteller gibt die Höchstgeschwindigkeit mit 200 km/h an.

Der Lithium-Ionen-Akku fasst 14,4 kWh und soll für bis zu 175 Kilometer Reichweite gut sein. Ab Herbst bietet Zero gegen Aufpreis einen zusätzlichen Power-Tank an, der die Reichweite auf 320 Kilometer vergrößern soll. Die Ladezeit in der Standard-Version mit 3-kW-Ladegerät dauert, laut Zero, 4,5 Stunden, um den leeren Akku wieder auf 100 Prozent zu bringen.

In der Premium-Variante mit 6-kW-Ladegerät verkürzt sich die Ladezeit auf 2,5 Stunden. Wer das aufpreispflichtige Schnellladegerät ordert, kann an einer Level-2-Ladestation die Wartezeit sogar auf 1,8 bzw. 1,5 Stunden verkürzen. Das Schnellladegerät lässt sich in vier Stufen zwischen drei und 12 kW einstellen. Nach einer Stunde hat die Batterie wieder genug Strom für entsprechend 61 bis 246 Kilometer Reichweite.

Endlich Schlupfregelung

Ein ganz großer Schwachpunkt des Vorgängermodells war die fehlende Schlupfregelung. Schon die bisherige Zero SR hatte 143 Nm Drehmoment und brach in Schräglage gerne mal mit dem Hinterrad aus, wenn der Beschleunigungsdrehgriff am Kurvenausgang auch nur einen Hauch zu rasch geöffnet wurde. Das Problem gehört nun der Vergangenheit an, denn die neue SR/F verfügt über die MSC (Motorcycle Stability Control) von Bosch.

Es ermöglicht Kurven-ABS, Schlupf- und Schleppmomentkontrolle. Integriert wird sie in das von Zero entwickelte Cypher-III-System, das nicht nur die Elektronik des Motorrads überwacht, sondern auch die Einbindung des Smartphones per Bluetooth ermöglicht. Der Fahrer hat so die Möglichkeit, per App auf seinem Handy alle möglichen Parameter der SR/F zu ändern und auch Fahrdaten wie gefahrene Strecke, Geschwindigkeit, Schräglagenwinkel, Batterieladezustand usw. abzurufen, zu speichern und zu teilen. Updates des Herstellers für die SR/F lassen sich so in Sekundenschnelle installieren. Die Zero verfügt über ein farbiges, fünf Zoll großes TFT-Display, an dem sich alle wichtigen Infos kontrollieren und die Modi Street, Sport, Eco, Rain auswählen sowie bis zu zehn selbst konfigurierte Modi speichern lassen.