Fahrbericht BMW R nineT Scrambler

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Garmisch, 13. August 2016 – BMW hat sich mit der R nineT etwas getraut. Zum Glück wurde der Mut mit Erfolg belohnt. Jetzt folgt diesem Pioniermotorrad die kaufmännische Infanterie, die Varianten des Konzepts vermarktet. Ein Stück weiter die Fertigungsstraße hinunter steht eine klassisch aussehende GS-Variante, bereits zum Verkauf steht eine ebenfalls schon ein bisschen GS-ifizierte Ninette in Form der R nineT Scrambler. Die haben wir uns einmal angeschaut.

Die Scrambler fährt jetzt auf GS-Rädern, also 19 Zoll (120/70) vorne, 17 Zoll (170/60) hinten. Damit das vordere Rad einfedern kann, musste der Lenkkopfwinkel flacher ausfallen. Insgesamt kam dann auch minimal mehr Federweg heraus: 125 mm vorn, 140 mm hinten. Die erste Ninette hatte vorne und hinten 120 mm. Wie beim Glanzstück S 1000 R gelang BMWs Ingenieuren dieser Umbau sehr gut. Die Scrambler fährt damit geerdeter, und ihre eigentlich geringere geometrische Handlichkeit fällt mit dem breiten, hohen Lenker kaum auf. Auf den kleinen Sträßchen rund um Bad Tölz passte das für einen sehr entspannten Altherrenschwung. Dazu kommt, dass die Scrambler mit dem großen Vorderrad trotz des hohen Lenkers auf der Autobahn bis zur Endgeschwindigkeit so stabil liegt wie festgenagelt. Man sollte nie vergessen, dass BMWs Marketing nur so gut funktionieren kann, weil auch die Motorräder entgegen aller Hater-Meinungen sehr gekonnt aufgebaut werden.

Der Motor wurde auf Euro 4 abgestimmt, und wie bei den neuen KTM-Modellen merkt man das ohne direkten Vergleich nicht. Es steht dieselbe Nennleistung an, und es klingt weiterhin kernig. Die Laufkultur des Boxers war tadellos. In seinen späten Lebensjahren haben sich vielleicht auch die real gefertigten Toleranzen verbessert, denn den letzten luft-/ölgekühlten Motor kenne ich auch ganz anders. Was mir außerdem sehr gefiel: Es gibt wie bei der ersten nineT keine Mappings im Plural, sondern es gibt ein Mapping im Singular, das sehr gut funktioniert, bei Regen, Hagel und trockenem Asphalt. Dazu kommt eine einfache, einfach am linken Lenkerende abschaltbare Traktionskontrolle für die, die sie möchten.

Grundausstattung, die keiner haben will

Die Grundausstattung der Scrambler schaut so aus: Alugussfelgen, Zweipersonenheck mit hässlichem Hilfsrahmen, grau lackierter Stahltank. Damit kostet sie 13.000 Euro, und BMW sagt, dass sie eben ein etwas günstigeres Produkt auf der "Heritage"-Linie anbieten wollen. Allerdings werden die meisten Kunden die stilgerechteren Speichenfelgen statt Aluguss haben wollen: +400 Euro. Dann der schöne Alu-Tank: +900 Euro im Raw-Finish oder +1000 Euro mit richtigem Finish-Finish. Ein Drehzahlmesser wäre vielleicht schön (Preis noch unbekannt).

Das Zweipersonenheck ist zwar super für Gepäck oder einen Beifahrer, schaut aber so schiach aus, dass es unbedingt weg muss. Die Zielgruppe mit Gepäck und Beifahrer kauft eh besser die R 1200 R mit dem Wasserboxer. Und so weiter. Ich will darauf hinaus: Auch die Scrambler kaufst du nicht aufgrund ihres Preises, sondern weil du sie irgendwie schön findest. Wie die erste Ninette kann dich der Scrambler über 15.000 Euro kosten.

Sie vermissten etwas

Interessant war es, jene Kollegen zu beobachten, die damals auch die Ninette gefahren sind, als sie neu war. Sie vermissten etwas, etwas Vages, schwer zu Artikulierendes. Meine Theorie: Sie vermissten den Effekt, den die Ninette damals einfach hatte: "Eine coole BMW! Wow. Wer hätt's gedacht?" Denn die Scrambler ist ein Spinoff. Sie kann den Auftritt des Neuen nie erreichen. Sie muss das auch nicht. Wer die Ninette damals nur von Bildern her mitbekommen hat, kann sich beim Händler durchaus daran erfreuen, wie nett das Krad gemacht ist, dass es gut fährt und interessant klingt. Dazu kommt obendrein, dass die erste nineT als schwarzer Kaffeehausraser einfach cooler aussieht als die Scrambler mit ihrer Prenzlbergprüderie. Wenn es nur noch diese beiden Motorräder gäbe auf der Welt, fiele es mir nicht schwer, mich für die Schwarze zu entscheiden.