Fahrbericht Can Am Ryker

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Seit 2007 produziert BRP unter der Hausmarke „Can Am“ Spaß-Dreiräder für die Straße. Jetzt will der Konzern die Verkäufe in diesem Bereich verdoppeln. Das ist erstens nicht schwer, weil die absoluten Zahlen so niedrig liegen, und zweitens gibt es einen Präzedenzfall: Der Sea-Doo Spark tat dasselbe im Segment der Aufsitz-Jetboote. Das Rezept des „Ryker“ genannten Gefährts folgt also eng dem des Spark: Mache dasselbe simpler, zugänglicher, spaßiger und vor allem ein starkes Stück billiger. Heraus kam dann auch dasselbe wie beim Spark: ein Vehikel, das trotz des niedrigeren Preises mehr Laune macht als die Väter im Segment.

Im Dreirad-Chassis hängt jetzt der ACE-900-Motor – derselbe Reihen-Dreizylinder, der auch den Spark antreibt. Er leistet 82 PS und treibt das Hinterrad über ein CVT-Riemengetriebe und eine offen laufende Kardanwelle an, deren nicht abgestützte Antriebsmomente den Ryker wie eine alte BMW GS hinten etwas aus den Federn heben. Alternativ dazu bietet BRP einen Reihen-Zweizylinder an, im konstruktiven Prinzip der Drilling mit einem Drittel abgesägt. Er leistet 50 PS und richtet sich an Einsteiger. Beim Test konnten wir nur den Dreizylinder fahren, und den nur in der „Rallye“-Version.

Flotter auf Schotter

Diesen Namen wählte BRP mit gutem Grund. Für den Ryker zaubert BRP einen unerwarteten Partytrick aus dem Hut: Schotterstrecken-Spaß. Wer den Can Am Spyder kennt, weiß eines: Es ist gar nicht so einfach, mit diesem Ding sicher kontrolliert schnell zu fahren. Daher auch die sehr früh eingreifenden, nicht abschaltbaren Fahrhilfen, vor allem ESP, die schon seit der ersten Serie das Schlimmste verhindern sollen. Einerseits sollen Can-Am-Fahrzeuge sicher genug für den öffentlichen Straßenverkehr sein, andererseits geht es im Powersport-Bereich ja um die Freude an der Fortbewegung, nicht den Ortswechsel an sich.

Also dreht der Ryker beim Anfahren mit Vollgas das Hinterrad kräftig durch und das Heck darf im Sportmodus einen etwas größeren Bogen fahren, als die Vorderräder ihm beschreiben. Mit zunehmender Geschwindigkeit reduziert sich der mögliche Driftwinkel zügig bis auf null. Noch etwas mehr geht jedoch im Rallye-Modus auf Schotter.

Auf losem Grund lädt der Ryker selbst Anfänger so zum Spielen ein, dass der gesamte Verband am liebsten nur noch Rallye-Etappen gefahren wäre. Wenn du den Ryker mit einem kleinen Flick bei niedriger Geschwindigkeit ins Eck wirfst, stark einlenkst und Vollgas gibst, sind mit ein bisschen Gefühl schöne Drifts möglich. Häufig rennt man auch ins ESP, dann versucht man es eben noch einmal. Wie auf Asphalt reduziert sich der erlaubte Driftwinkel sehr schnell, bis er bei 50 km/h praktisch verschwindet.

Dieser Kompromiss zwischen Spieltrieb-Befriedigung und Sicherheit wird den meisten Fahrern reichen. Ich vermisse einen „alles-aus“-Spielmodus. Wo man das in Deutschland machen soll, ist die andere Frage. Ein Kollege aus dem Norden sagte: „Da bei mir, zwischen Borstigehoden und Fistelheim [ich rekonstruiere aus dem Gedächtnis], da könnte man eine legale Schotterstrecke fahren.“ Damit fasste er schön Problem und Versprechen des Ryker Rallye zusammen.

Alle Nachteile vereint

Dem Fahren auf Asphalt tut das geringere Gewicht und der minimal kürzere Radstand des Ryker gut. Wirklich schnell ums Eck fährt jedoch auch das verbesserte Dreirad nicht. In Kurvenfahrt verlagert sich das meiste Gewicht aufs kurvenäußere Rad, das Heck wird leicht, und dann kronkt noch das ESP auf die Vorderachse, um das Heck einzufangen. Der Ryker bringt Verbesserungen, aber die grundsätzlichen Probleme der Can-Am-Dreiräder bleiben. Die Konstruktion vereint die Nachteile von

Einspur- und Zweispur-Fahrzeugen. Du sitzt offen oben drauf. Du kommst aber wie ein Auto nirgends durch, und das Leistungsgewicht reicht nicht aus für Krad-typisch knackekurze Überholvorgänge. Die Kurvengeschwindigkeit ist niedriger als auf dem Motorrad, das bereits nicht den Kurven-Speed von Autos geht. In Sachen Dynamik stinkt das Dreirad also nicht nur dem Motorrad, sondern auch einem sportlichen Cabrio gegenüber ab. Der Kundschaft wird es egal sein. Sie fährt typischerweise in Gruppen in moderatem Tempo.

Can Am richtet sich damit dann auch gar nicht an Motorradfahrer, denn auch der Ryker bietet nur einen Bruchteil der Fahrdynamikerfahrungen. Stattdessen sind alle Menschen gemeint, die aus psychischen oder physischen Gründen kein Motorrad fahren können oder wollen. Die meisten Händler haben zum Beispiel sehr viel Erfahrung mit Umbauten für Behinderungen. Can Am richtet sich außerdem an Menschen, denen die Idee des Motorradfahrens grundsätzlich gefällt, die aber nicht so heiß auf das Erlebnis sind, dass sie den Schein machen (für die Dreiräder langt der Autoführerschein).

Alles in allem eine überschaubare Zielgruppe. Wenn Sie jedoch Interesse haben, zu dieser Gruppe zu gehören, habe ich einen guten Tipp: Vergessen Sie die teuren Spyder-Modelle und fahren Sie gleich einen Ryker. Planen Sie eine Schotterpiste auf Ihrer Proberoute ein. Sie werden dasselbe feststellen wie ich: Der Ryker ist der bessere Spyder – super, weil er gleichzeitig viel weniger kostet.