Fahrbericht Ducati Panigale V4 S

Inhaltsverzeichnis

Die komplexen elektronischen Assistenzsysteme der Panigale V4 S hier alle detailliert zu erläutern, würde den Rahmen sprengen. Daher zähle ich sie hier nur kurz auf: Kurven-ABS, Antriebschlupfregelung (sog. „Traktionskontrolle“), Slide-, Launch-, Wheelie-Regelung und Motorbremsmoment, alle mehrstufig einstellbar. Kleiner Tipp: Am besten bei allen elektronischen Assistenzsystemen die größtmögliche Hilfe zulassen, denn hier gilt es, einen brutalen Rennmotor zu zügeln.

Für die Leistung sind die Geraden zu kurz

Es ist schwer in Worte zu fassen, wie es ist, ein 214-PS-Motorrad auszufahren. Die Leistungsfähigkeit des Motors übertrifft die aller Superbikes, die ich bisher gefahren bin – und das waren schon einige. Der zivile Ducati-V4 profitiert natürlich von 103 Kubikzentimeter Hubraumplus gegenüber den Reihenvierzylindern, die es bei einem Liter belassen. Nicht nur die Höchstleistung, sondern auch der Drehmomentverlauf liegt oberhalb der 1000er aus Japan. Möglicherweise kann die neue, 207 PS starke BMW S 1000 RR (Test) mit ihren variablen Steuerzeiten gegenhalten, aber der Test stünde noch aus. Wirklich ausreizen kann man die gewaltige Power der Ducati nur auf der Rennstrecke und selbst da fällt es schwer, die volle Leistung abzurufen.

Ohne die vielen elektronischen Helfer wäre die Panigale V4 wohl kaum fahrbar. Wer Antriebschlupfregelung und Slide-Control abschaltet, wird im besten Fall ein permanent durchdrehendes Hinterrad erleben, viel wahrscheinlicher aber in der ersten Kurve per Highsider abfliegen. Ohne den Wheelie-Verhinderer würde dem Fahrer noch bei 130 km/h der Lenker ins Gesicht knallen. Die Panigale V4 S bis zur von Ducati angegebenen Höchstgeschwindigkeit von 299 km/h zu treiben, ist sogar auf den meisten Rennstrecken kaum möglich, weil dafür die Geraden zu kurz sind.

Topspeed-Versuch

Ich mag es nicht, auf Autobahnen schnell zu fahren, das verursacht nur Stress. Andererseits verspüre ich natürlich die Pflicht, die behaupteten 299 km/h auch einmal zu fahren. Ich suche mir daher eine dreispurige Autobahn zu einer Tageszeit aus, zu der kaum Verkehr herrscht. Man kann mit der Panigale V4 S entspannt bei Autobahnrichtgeschwindigkeit im sechsten Gang dahingondeln, der Motor schnurrt zufrieden vor sich hin und die stark gewölbte Scheibe hält den Fahrtwind recht gut vom Oberkörper fern. Die Rückspiegel vibrieren leider ziemlich, andererseits wird sich der Ducati gleich ganz sicher kein Fahrzeug von hinten nähern. Einmal atme ich noch tief durch und schalte einen Gang runter, was dank des Quickshifters sogar ohne Ziehen des Kupplungshebels funktioniert, und drehe den Gasgriff auf Anschlag.

Die Panigale reißt den Asphalt unter sich weg

Was dann passiert ist atemberaubend. Die Panigale beschleunigt nicht einfach, sie macht einen Satz nach vorne, scheint den Asphalt unter sich wegzureißen. Einen Wimpernschlag später überspringt der Tacho die 200, die Ducati reißt es weiterhin vorwärts als wäre sie gerade erst von der Ampel gestartet. Ich presse mich flach auf den Tank. Ein rotes Flackern aus dem Cockpit ermahnt mich hochzuschalten, der Drehzahlmesser zeigt in Nullkommanix den roten Bereich bei 14.500 U/min an.