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Fahrbericht Ducati Panigale V4 S

Lammfromm, brutal und unglaublich agil. Die Vierzylinder-Ducati ist eine Rennmaschine für die Straße, der man kaum Kompromisse anmerkt. Das feinfühlige Fahrwerk ist eine Offenbarung und eine hellwache Elektronik zähmt die brachiale Gewalt des Motors

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Fahrbericht Ducati Panigale V4 S 15 Bilder
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  • iga
Inhaltsverzeichnis

Ich gebe zu, zunächst entsetzte mich Ducatis Plan, seinen legendären V2 in der Panigale durch einen V4 zu ersetzen. Wie konnten sie nur? Der V2 – in der letzten Ausbaustufe satte 1285 Kubikzentimeter groß – war eine über Jahrzehnte gereifte Ikone, Leitbild aller Ducatisti, ihn auch nur anzuzweifeln ein Sakrileg.

Ducati will den Titel

Aber Ducati wollte endlich wieder den Superbike-WM-Titel holen und gegen die Power der vierzylindrigen Konkurrenz war der Zweizylinder aus Bologna zum Schluss machtlos gewesen. Immerhin beruhigte es etwas, dass die neue Ducati V4 sehr dicht am Design der wunderschönen Panigale 1299 blieb. Der 90-Grad-V4 mit 1103 Kubikzentimetern Hubraum leistet 214 PS. Der V2 in der 1299 Panigale R Final Edition war aber mit 209 PS nur unwesentlich schwächer und sie wog laut Hersteller acht Kilogramm weniger als die Panigale V4. Außerdem brachte es die 1299 Panigale R auf brachiale 142 Nm bei 9000/min, die Neue belässt es bei 124 Nm und braucht dafür auch noch tausend Kurbelwellenumdrehungen mehr.

Liebgewonnene Klischees sollte man nicht zu lange mit sich herumtragen und die nackten Zahlen geben die Realität oft nur unzureichend wieder. Also eine Probefahrt. Ducati stellte uns eine Panigale V4 S zur Verfügung. Die S-Variante bietet im Gegensatz zur Basis-Panigale ein semi-aktives Öhlins-Fahrwerk, geschmiedete Alu-Felgen, eine Lithium-Ionen-Batterie und wiegt ein Kilogramm weniger. Ducati beschreibt den Stil als „elegant, muskulös, technologisch“. Wir finden, es sieht gelungen aus.

Wie ein Gewitter im engen Tal

Doch was nach dem Drücken des E-Starters passiert, klingt, als ob sich ein Gewitter in einem engen Tal austobt. Die V4 S donnert mit eingetragenen 107 dB(A) im Stand vor sich hin. Eindrucksvoll – aber die Nachbarn! Bloß weg hier, bevor es Ärger gibt. Während der Fahrt wird die Ducati zwar immer noch nicht gerade leise, aber doch wesentlich sozialverträglicher.

Überraschung Nummer zwei: Die Sitzposition ist zwar sportlich, aber weit entfernt von der früheren Kasteiung, zu der einem die tiefen Lenkerstummel und die hohe Sitzbank in Verbindung mit einem langen Tank einst zwangen. Ducati gestaltete den kompakten 16-Liter-Tank an der Panigale V4 recht kurz, sodass der Oberkörper nicht ganz so weit vorgebeugt werden muss.

Der Vierer kann lammfromm sein

Bereits in der Stadt offenbart sich der große Unterschied zur alten Panigale mit V2-Motor: Der V4 lässt sich selbst im vierten Gang lammfromm mit Tempo 50 bewegen. Der Zweizylinder hätte bei der Aktion wütend gebockt wie ein Pferd beim Rodeo. Die Laufkultur des V4 ist um Welten besser, der Motor geht präzise, aber butterweich ans Gas und zieht selbst aus dem Drehzahlkeller sauber raus. Wenn der Fahrer es wollte, könnte er im sechsten Gang von Tempo 50 bis auf 299 km/h beschleunigen. Allerdings entwickelt sich im Stop-and-go-Verkehr der Innenstadt eine enorme Hitze vom fetten Krümmer her, der sich direkt unter der Sitzbank windet. Die Panigale hat sozusagen serienmäßig eine Sitzheizung.