Fahrbericht Jaguar I-Pace

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Es gibt eine Kategorie von Fahrzeugen, die wir eigentlich gar nicht testen brauchen, weil ihre Interessenten sie blind vorbestellen. Dazu gehören (ohne jede Vollständigkeit gelistet) Ducatis, Ferraris, M-BMWs, Teslas und jüngst auch wieder Jaguars. Das neue Elektroauto I-Pace des britischen Herstellers war in Deutschland bereits ausverkauft, bevor jemand die Maschine gefahren war. Die Vorstellungskraft hat gereicht als Kaufgrund, die technischen Eckdaten oder das Design, das mir sehr gut gefällt, obwohl es in der Redaktion auch andere Meinungen gab (“Schreib das mit dem kackenden Hund!“). Jetzt bin ich das Auto gefahren und kann sagen: Es ist wirklich so toll, wie du es dir vorgestellt hast.

Zwei Tonnen Skateboard

Jaguar ging den Weg, gleich beim ersten eigenen Elektroauto komplett auf ein dementsprechendes Chassis zu setzen, statt zunächst eines der bestehenden anzupassen. Der I-Pace hat also den typischen batterielektrischen Aufbau, den US-Startups mittlerweile „Skateboard-Design“ nennen: ein Chassis, bei dem ein großer, flacher Batterieträger tief zwischen weit nach außen gesetzten Rädern liegt. Jaguar-typisch nimmt über diesem Skateboard eine selbsttragende Alu-Karosserie die restlichen Kräfte auf. Die nichttragenden Karosserieteile bestehen ebenfalls aus Alu. Trotz der geduckten Design-Linie gibt es damit innen fast so viel Platz wie in einem XJ. Der I-Pace kommt auf eine Gesamtmasse von 2130 kg, 605 kg davon wiegt die 90-kWh-Batterie. Das reine Zellgewicht der Pouch-Zellen ohne Träger liegt bei 370 kg.

Wie bei anderen Elektroautos sorgt der tiefe Schwerpunkt dafür, dass der Brummer dennoch gut auf der Straße liegt. An jeder Achse treibt ein beinahe gleiches Paket aus Motor und Wandler von jeweils rund 80 kg die Räder an. Jaguar kann also das Drehmoment zwischen den Achsen sehr fein verteilen, was dem Auto mehr Allrad-Skills gibt, als das Aussehen suggeriert. Die Drehmomentverteilung zwischen links und rechts übernehmen offene Differenziale in Verbindung mit ESP-Eingriffen (virtuelles Differenzial).

Die Permanent-Magnet-Motoren hat Jaguar selbst entworfen, auf interessante Art: Sie sind an beiden Enden offen, das Planetengetriebe zur Reduktion sitzt konzentrisch innen. Aus dieser zylindrischen Einheit ragen an beiden Seiten die Antriebswellen für die Räder. So habe ich das auch noch nicht gelöst gesehen. Es soll Gewicht und Bauraum sparen und dem niedrigen Schwerpunkt helfen. Batterie und Motoren hängen an zwei getrennten Kühlkreisläufen unterschiedlicher Temperaturen.

Am Rad drehen

Schon der F-Pace fuhr unglaublich gut für einen SUV. Der I-Pace gefällt mir noch einmal deutlich besser. Ungewohnt: Beim vollen Druck aufs Pedal röhrt und vibriert es vorne aus einem Lautsprecher. Wahrscheinlich will Jaguar den Kunden damit die Umgewöhnung erleichtern. In den Modi Eco und Komfort stört es kaum, da könnte ich mir sogar vorstellen, das eher leise Geräusch als akustischen Drehzahlmesser zu verwenden. Auf „Dynamic“ wird es jedoch so laut, dass es mich nervt, vor allem auf Zwischenstücken unter Teillast. Zum Glück kann man es leiser oder ganz aus schalten. Das simulierte Automatik-Kriechen kann man ebenfalls abschalten.

Die große Batterie nimmt kurzfristig bis zu 150 kW elektrische Bremsleistung auf. Der I-Pace erreicht damit rein elektrisch die gesetzlich vorgeschriebenen Bremswerte (nicht, dass die heute irgendjemand ausreichen würden). Man kann ihn über weite Strecken einpedalig fahren, wenn die hohe Rekuperation eingestellt ist. Ich habe sie auf „low“ gestellt, weil das näher am Gewohnheitswert liegt und sich zudem effizienter fahren lässt. Ein leichter Druck auf die Bremse gibt dir erst die volle Rekuperationsleistung, dann die Scheibenbremsen. Aufgrund der hohen elektrischen Bremsleistung wurden mir die klein aussehenden Bremsen auf der Landstraße längst nicht so heiß wie erwartet – top.

Auf der Autobahn beschleunigt der Wagen zügig auf seine Endgeschwindigkeit von 200 km/h, die er ohne Temperaturprobleme hält. In der Bedienungsanleitung steht übrigens aufgrund der Permanentmagneten eine Abschleppgeschwindigkeit im einstelligen Bereich. Entwicklungs-Vater Wolfgang Ziebart war sich jedoch sehr sicher, dass die Schutzschaltungen es erlauben, das Auto mit üblichen Geschwindigkeiten abzuschleppen. Nur konnte er sich mit dieser Ansicht im Konzern offenbar nicht bis ins Handbuch durchsetzen.

Der Fahrspaß hängt aber nicht alleine an den Motoren. Eine Mehrlenker-Hinterachse und Doppelquerlenker-Aufhängungen an der Vorderachse führen die Räder feinfühlig am Boden entlang. Jaguar bietet optional ein Luftfahrwerk an (aktuell in der „First Edition“), das über die Modi gelungene Kompromisse zwischen „so weich wie möglich“ und „so hart wie nötig“ findet. Nur wenig schlechter schaffen das technisch bedingt die elektronisch eingestellten Dämpfer mit Stahlfedern (Standard). Vor allem aber sitzt du in diesem riesigen Eimer drin und spürst dennoch wie im F-Pace genau, wo welches Rad gerade wie über welchen Asphalt rollt. So ein Fahrverhalten in SUV-Karosserien bauen, das schafft derzeit sonst nur Alfa Romeo.

Über Nacht nicht voll

Maximal soll die Batterie dauerhaft 110 kW Ladeleistung vertragen, in Vorbereitung auf einen Ausbau der 100-kW-Ladestationen. I-Pace-Kunden erhalten einen Plugsurfing-Schlüssel, der an recht vielen Ladestationen funktionieren soll (wir haben es noch nicht selber probiert). Beim Laden ist jedes Mal die erste halbe Stunde frei. Weiteren Reisen steht damit also nur mangelhafte Infrastruktur entgegen. Weniger gut schaut es beim daheim Laden aus: Der I-Pace lädt an der Wallbox mit 7,2 kW einphasig, also bei 32 A Stromstärke. In den Technischen Anschlussbedingungen sind bei den meisten Stromanbietern Lasten über 20 A (entspricht bei 230 V 4,6 kW) anzumelden, über 12 kW gibt es zudem eine zusätzliche amtliche Genehmigungspflicht. Herr Ziebart sagte uns, er habe noch keinen Stromanbieter gefunden, der 7,2 einphasig nicht freigeschaltet hätte, Sie müssen hier aber mit Ihrem konkreten Anbieter über Ihren konkreten Hausanschluss sprechen.

Es könnte Vielfahrer stören, dass 7,2 kW Ladeleistung eben in Relation zu 90 kWh Kapazität stehen. Jaguar selbst gibt eine Ladung von ganz leer mit 12,9 Stunden an (Ladekurven flachen oben ab). Es kann also sein, dass Heimlader (das sind derzeit über 95 Prozent) nicht die voll aufgeladene Reichweite des Autos zum täglichen Pendeln, Schultaxi, Einkaufen nutzen können, weil es über Nacht zu kurz steht. Jaguar will in einem Update daher einen Drehstromlader anbieten. Die Technik kostet derzeit im Bereich 1000 Euro Aufpreis. Schön wäre, wenn Jaguar dreiphasig 32 A anböte, also 22 kW Ladeleistung. Aber auch 11 kW wie bei BMWs i3 wären schon ein Fortschritt für die Anwendung „über Nacht“.

Verbräuche zwischen 25 und 30 kWh

Der I-Pace ist mit 24 kWh pro 100 km im WLTP-Zyklus homologiert. Das erreichen Fahrer, die es erreichen wollen. Üblicher werden allerdings Verbräuche zwischen 25 und 30 kWh / 100 km sein, bei denen die Fahrt einige Beschleunigungen zum puren Spaß an der Freude enthält.

Natürlich verbaut Jaguar im I-Pace ein aufwendiges Thermo-Management der Batterie und eine Wärmepumpe für die Innenraumluft. Das sind aber bei diesem Trumm von Auto Marginalien. Zwei Tonnen auf breiten, eher sportlichen als holzigen Reifen leisten schlicht relevant Widerstand. Ein I-Pace auf Leichtlaufreifen wäre eine Fehlplanung. Die Serienreifen Goodyear Eagle F1 sind ein dem Fahrzeug angemessener Kompromiss zwischen Haftung und Rollwiderstand.

Die Kosten für die Überführung wurden von Jaguar übernommen, jene für Strom vom Autor.