Fahrbericht Renault Mégane RS Trophy R

Alle an die Front

Mit dem Trophy R legte Renault bei den virtuellen Nordschleifenrekorden nach, die die Hersteller sich so gegenseitig in die Inbox legen. Wir fahren einen R, der noch einmal nachgeschärft wurde

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Adenau, 14. Juli 2015 – Der Frontantrieb hat zu Recht einen schlechten Ruf unter Rasern. Wenn die Vorderräder sowohl die Aufgaben der Lenkung als auch die des Antriebs übernehmen sollen, quittieren sie diese Bürde zum Beispiel mit Lenkeinflüssen beim Beschleunigen oder der Tendenz, unter Last stark zu untersteuern. Das muss aber nicht zwangsläufig schlimm oder gar langsam sein. Hondas neuer Civic Type R zeigt das schön. Der Godfather of Front-Wheel Drive bleibt jedoch Renaults Mégane RS. Ich habe dieses Auto geliebt. Und deshalb musste ich unbedingt noch die Version Trophy R fahren.

Renault Deutschland hat den Testwagen bei Patrick Kirfel abgestellt, der in Adenau in geschäftsgünstiger Nähe zum Nürburgring eine Vertragswerkstätte betreibt. Herr Kirfel gehört zu den guten Verrückten, die den Nürburgring trotz der vielen schlechten Verrückten am Leben erhalten. Und Renaults Mégane RS gehört zu DEN Autos für Ring-Verrückte, denn er schafft den Spagat zwischen bezahlbarem Alltagsauto und spaßigem Sportwagen wie kaum ein anderes Fahrzeug. Man kann mit einem RS am Ring leben und nur ein Auto haben. Deshalb gibt es rund um Adenau eine entsprechende RS-Population, um die sich Patrick Kirfel und Kollegen kümmern können.

Ein Boxster GTS wirkt nicht halb so krass

Die auf 250 Exemplare limitierte R-Version des RS Trophy baute Renault der Ringsage nach, um Seats Nordschleifen-Rekordzeit für Fronttriebler im Cupra 280 zu unterbieten. Hier trennt mich ein Verständnisgraben vom restlichen Nordschleifen-Volk, denn ich werde nie verstehen, warum diese Zeiten, die doch nur Hersteller-Angaben sind, so viel Relevanz unter Lesern wie Schreibern haben. Weckt mich, wenn diese Autos zu denselben Bedingungen am selben Tag mit den denselben Messpunkten mit einer unparteiischen Schiri-Uhr antreten. Siehe auch: Type R. Für alle relevant bleibt: Auch diese Spitzenversion des RS hat Renault auf der Nordschleife (auch) für die Nordschleife entwickelt.

Patrick Kirfels Beiträge zu diesem Auto entstanden aus seiner Nordschleifen-Erfahrung: etwas mehr Nachspur vorne, um das Kurvenverhalten zu verbessern. Etwas mehr Vorspur hinten, um das Heck zu stabilisieren. Spurverbreiterung vorne und hinten. Relativ weiche Dämpferabstimmung, denn die Nordschleife ist bucklig. Und Pauarr, viel davon, denn die Nordschleife ist ein Highspeed-Kurs. Kirfel hat den Motor eigentlich nur sauber eingestellt und dann ein paar Änderungen an den Ladedruck-Einstellungen vorgenommen. Er spricht von "über 300 PS", und wenn man diesen Motor fährt, wirkt es wie "deutlich über 300 PS", was wahrscheinlich auch an der fleischigen Drehzahlmitte liegt. Sagen wir es so: Porsches Boxer im Boxster GTS mit 330 PS wirkt mit seiner saugertypischen Mitte-Oben-Auslegung nicht halb so krass.

Der Trophy R beschleunigt, dass ich dabei jedes Mal kurz an meine Mami denken muss, was mir selbst bei erheblich schnelleren Fahrzeugen nicht passiert. Dieses Auto zerrt mit einer Rohheit an der Lenkung, die sonst nirgends mehr verkauft wird. Die extrabeiten Reifen mit den haftstarken Semi-Slicks machen einen großen Teil der Lenkmomente reduzierenden Radaufhängung rückgängig, das weiche Gummi folgt Spurrillen, das Sperrdifferenzial zerrt dich aus dem Eck wie ein Hinterradantrieb schiebt, und obwohl der Motor vorne hängt, brüllt dich von hinten die Akrapovic-Abgasanlage aus Titan durch den weitgehend ungedämmten Boden an. Jeder Produktentwickler, der diese Soundgeneratoren verbauen will, sollte sich sein Auto vielleicht zuerst einmal ohne Dämmung anhören. Dämmung ist Ballast. Soundgeneratoren sind mehr Ballast wegen Ballast, also eine schwere Sünde.

Machen und machen lassen

Zum Thema Ballast: Der Trophy R wiegt knapp 100 kg weniger als der Standard-RS, also gut 1300 kg – immer noch etwas schwer, aber die richtige Richtung. Besitzer der Standardversion mögen mitschreiben, wie billig das zu haben ist: Der größte Brocken mit über der Hälfte des Gewichts sind verzichtbare und daher entfernte Dinge wie Rückbank, Dämmung oder hinterer Scheibenwischer nebst Waschanlage. Wer danach Geld ausgeben will, kann eine LiFePO-Starterbatterie kaufen, die laut Renault im Vergleich zur Bleibatterie 16 kg spart und bei Renaultsport ex Fabrik (also ohne Steuer) 890 Euro kosten soll. Man kaufe eine im Zubehör für einen realistischen Preis. Den Motor boosten und testen lassen: Kirfels fragen, oder den Renault-Freundlichen des Vertrauens, wenn er was vom Motorsport versteht. Sollte sich für einen dreistelligen Betrag machen lassen.

Mit Kirfels kleinen Anpassungen läuft dieser Motor wie Sahne. Wie eine sehr brutale Insgesichtschlagsahne, aber letztendlich immer noch Sahne – Dosierbarkeit ist gut, Drehmoment liegt in allen Drehzahlzeigerlagen satt an. Und wo sich zeigt, dass Renault eher für Fahrer baut als für Poser, ist die Einstellmöglichkeit der Gaspedalkennlinie. Die meisten Hersteller koppeln die an das Grundsetting des Autos und stellen sie auf "Sport" so ein, dass sie den Drosselklappenöffnungswinkel stark vorzieht: Bei wenig Gaspedalbetätigung steht dann schon viel Öffnungswinkel an.

Das fühlt sich beim in der Stadt herumlullern wie ein stärkerer Motor an, das verliert aber durch diese vorziehende Biegung der Öffnungskurve erheblich an Dosierbarkeit im mittleren und unteren Bereich. Ein 1,3-Tonnen-Auto mit 300 PS braucht sowieso sehr oft ein strack durchgetretenes Pedal. Dazu hilft einem Sportwagen wie dem R eine Dosierbarkeit auf dem schmalen Grat, auf dem die Haft- in eine Gleitreibung übergeht. Mir taugt die lineare Kurve am besten, mein Mitfahrer bevorzugte sogar die progressive Kurve, die den Öffnungswinkel unten-Mitte zugunsten noch besserer Dosierbarkeit dort nachzieht, um gegen Ende progressiv steiler zu werden. Natürlich darf man auch auf "Sport" oder "Extrem" stellen, wenn man schon bei fußfauler Gaspedalbetätigung das Gefühl eines stärkeren Motors möchte.

Die Vorderreifen kommen durch das Gewicht auf der Vorderachse und den Antriebsschlupf früher auf Temperatur als die Hinterreifen. In dieser Übergangszeit schwingt das Heck noch locker herum, wie es manche Mégane-Fahrer auf manchen Mickey-Mouse-Kursen mögen. Auf Temperatur kleben die Pirellis das leichtere Heck als Windanker auf den Asphalt, was die richtige Einstellung für die schnelle Nordschleife ist, genauso wie die Dämpferabstimmung. Bei noch kaltem Dämpferöl trampelt das Fahrwerk noch ziemlich hart, aber auf Betriebstemperatur empfanden wir beide den Fahrkomfort als alltagstauglich. Dazu der Disclaimer: Mein Mitfahrer ist ein Raser und ich fahre Einzylinder. Unsere Ansichten über Fahrkomfort weichen daher wahrscheinlich von denen eines Citroen-C6-Fahrers signifikant ab.

Deswegen

Letztendlich war unser Herumgehoone durch die Eifel nur die Überbrückung des Wartens, bis die Nordschleife endlich aufmacht, denn dafür wurde dieser Wagen abgestimmt und zum Teil sogar gebaut. Doch Renault muss das geahnt haben. Kurz vor Öffnung klingelte das Telefon mit: "Wo seid ihr, wo ist das Auto, wann könnt ihr zurück sein?" Unser vorsichtiger Einwand mit "aberaber: Nordschleife" wurde nicht erhört. Keine Zeit. Zusammenpacken. Wir fuhren dann eben mit anderen Fahrzeugen. Und der Plan mag aufgeschoben sein, aber aufgehoben haben wir ihn nicht. Denn in einem waren wir uns vollkommen einig: Wegen solchen Fahrzeugen macht es Spaß. "Es" kann dabei dieser Job sein, die Autoszene, die Nürburgring-Gemeinschaft, das Leben mit der Fahrzeugindustrie, Techniknerden und natürlich fahren. Mein neues altes Projekt: Dieser Trophy R muss nochmal auf eine Rennstrecke. Mein neues neues Projekt: Er sollte dort gegen den Type R antreten. Unabhängige Schiris vor!