Fahrbericht: Volvo XC90 B5 AWD

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Eine Million elektrifizierte Volvo sollen bis 2025 auf den Straßen unterwegs sein. Dieser ambitionierte Plan gilt, seit die schwedische Marke 2017 ankündigte, ab 2019 schrittweise die gesamte Modellpalette zu elektrifizieren. Rein elektrisch angetriebene Autos werden dieses Ziel in den nächsten sechs Jahren allerdings ebenso wenig allein ermöglichen, wie Plug-in-Hybrid-Varianten. Die Basis für diese Strategie bilden folglich die Mild-Hybride. Wir haben uns dieser Basis von oben genähert und waren unterwegs im neuen Volvo XC90 B5 AWD.

Neu ist, das fällt schon beim Blick auf die Kofferraumklappe auf, die Benennung der Antriebsvariante. Während Benziner- und Dieselvarianten sich bisher noch durch ein „T“ beziehungsweise „D“, gefolgt von einer Ziffer für die Ausbaustufe voneinander unterschieden haben – beispielsweise T5 oder D5 – ist bei den Mild-Hybriden künftig alles nur noch ein „B“, unabhängig davon, ob ein Selbstzünder oder Ottomotor seinen Dienst verrichtet. Mit dem Modelljahr 2020, also ab November 2019, wird der B5 den D5-Dieselmotor ersetzen und neben dem B6-Benziner den ersten Mild-Hybrid der Baureihe darstellen.

Kern der Mild-Hybrid-Variante ist ein paralleles 48V-Bordnetz mit integriertem Startergenerator (ISG) und Lithium-Ionen-Batterie. Seine E-Maschine wandelt beim Bremsen kinetische in elektrische Energie um, die den im Heck befindlichen Akku lädt. Die dort gespeicherte Energie wird über den ISG zum Motorstart genutzt. Zudem wird in geeigneten Betriebszuständen Strom für das 12-Volt-Bordnetz produziert.

Direktantrieb statt Unterstützung des Laders

Darüber hinaus wird die elektrische Energie für einen Boost des Dieselmotors verwendet: 10 kW leistet der Elektromotor und kann immerhin 40 Nm Drehmoment beisteuern, um das Ansprechverhalten des Antriebsstrangs zu verbessern. Bisher verwendete Volvo einen Pumpspeicher, um die Turbolader anzublasen und damit schneller auf Drehzahl zu bringen – Volvo nennt diese Technologie „PowerPulse“. Dieses System musste im Zuge der umfangreichen Neukonstruktion des Motors allerdings weichen und so unterstützt nun der Elektromotor den Verbrenner direkt in seiner Anfahrschwächephase (dem sogenannten Turboloch) bevor die sequenziell arbeitenden VTG-Turbolader auf Drehzahl kommen.

Im Zuge des Umbaus der Drive-E-Motorenfamilie auf Mild-Hybride setzt Volvo nun auch ein Brake-By-Wire-System ein, um den Übergang zwischen Rekuperations-Bremsvorgang mittels Generator und tatsächlichem Anlegen der Bremsbeläge sinnvoll zu modellieren zu können.

Im Alltag macht sich der Umstieg auf den Mild-Hybrid zunächst nicht nennenswert bemerkbar. in Beschleunigungsphasen lässt sich kaum beurteilen, welchen Beitrag nun der kleine Elektromotor beisteuert. Das Ansprechverhalten des Dieselmotors ist angenehm direkt. Das ließe sich aber auch bereits mit der aufwändigen sequenziellen Aufladung erklären. Mittels eines in Reihe geschalteten kleinen Turboladers mit direktem Ansprechverhalten und eines großen Turboladers für die maximalen (relativen) Ladedrücke von bis zu 2,5 Bar, sowie der variablen Turbinengeometrie schon konstruktiv viel gegen ein Turboloch getan. Wobei es bei diesem Thema natürlich nicht nur um die Fahrbarkeit geht, sondern immer mehr auch um die Einhaltung der Abgas- und Verbrauchsnormen.

Hervorragendes Anfahrverhalten mit Stopp/Start-System

Viel interessanter wird es beim Stop & Go, denn nachdem ich kürzlich wieder einige grobschlächtige Startvorgänge im Stadtverkehr mit einem Smart Fortwo erleben musste, gilt Volvo umso mehr Respekt für den seidenweichen Motorstart. Wie ruhig der Dieselmotor in Verbindung mit dem neuen mittels Shift-By-Wire arbeitenden Getriebe durch den ISG wieder ins Leben gerufen wird, ohne jegliche Vibrationen oder Geruckel – dafür muss man Volvo wirklich Respekt zollen. Der Motorstart geht derart ruhig vonstatten, dass man davon nichts mitbekommt, würde man nicht gelegentlich auf den Drehzahlmesser schauen.

Zusätzlich hilft die intelligente Nutzung von Sensor-, Kamera- und Navigationsdaten, die Anzahl nerviger und unpassender Motorstopps auf ein Minimum zu reduzieren. So wird der Motor nicht abgestellt, wenn das vorausfahrende Fahrzeug sich bewegt oder an Kreisverkehr, Kreuzung, Stop-Schild oder Zebrastreifen zum Stillstand abbremst. Selbst wenn, wäre das dennoch kein Problem, so schnell und verzögerungsfrei, wie sich mit dem B5 nach automatischem Motorstopp wieder anfahren lässt. Störende Verzögerungen, Leistungslöcher oder plötzliches Losschießen aus dem Stand, wie man es von so manch anderem Stopp-Start-System kennt, sind Umgangsformen, die dem XC90 B5 völlig fremd sind.

Wie sehr sich das System auf den realen Verbrauch auswirkt, lässt sich ohne direkten Vergleich natürlich nicht beziffern. Volvo spricht davon, dass die Mild-Hybrid-Technologie unter Alltagsbedingungen für bis zu 15 Prozent Kraftstoffeinsparung sorgen kann. Auf Basis der Datenblätter ist ein sinnvoller Vergleich zumindest nicht möglich: Der durchschnittliche Verbrauch für den B5-Diesel wird von Volvo mit 5,9 Litern angegeben, gemessen nach WLTP und RDE und dann umgerechnet auf NEFZ. Für den D5-Diesel gab Volvo seinerzeit noch 5,7 Liter im Schnitt an, allerdings noch ermittelt nach NEFZ-Rahmenbedingungen.

Verbrauchsentwicklung

Im Zuge der Testrunde über ein paar hundert Kilometer während der Fahrveranstaltung stand letztlich ein Verbrauch von 7,7 Litern auf dem Bordcomputer, was angesichts der Leistung von 173 kW (235 PS), die im Zuge der Fahrt häufiger abgerufen wurde, ein akzeptabler Wert zu sein scheint. Eine Recherche im Testwagenarchiv ergab einen Gesamtdurchschnittsverbrauch von 7,5 Litern Diesel über knapp 2000 Kilometer im XC90 D5 (Test) mit 165 kW (225 PS) bei deutlich gemäßigterer Fahrweise – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Fahrprofile also zumindest eine Indikation für einen möglichen Fortschritt.

Erkennbare Fortschritte hat tatsächlich das Getriebe gemacht, wo nun dank „Shift-By-Wire“ die Kraftübertragung elektronisch statt mechanisch gesteuert wird. Die tatsächlich bisher durchgehend etwas trägen Schalt- und Reaktionszeiten der Aisin AWF8F35 Wandlerautomatik sind nun deutlich fixer geworden und laden auch zum Griff an die Schaltwippen ein, wenn’s denn unbedingt mal etwas beherzter um die Kurven gehen soll. Die Reaktionszeiten beim plötzlichen Beschleunigen mit Herunterschalten einiger Gänge sind dagegen zwar besser geworden, aber immer noch nicht wirklich grandios.

Die Überarbeitung des Volvo XC90 für das Modelljahr 2020 kommt kleineren Schönheitskorrekturen gleich. Die moderne Volvo-Optik blieb dabei überwiegend unangetastet. Noch immer prangt Thors Hammer in den (aufpreispflichtigen) Voll-LED-Scheinwerfern und dominiert damit die Fahrzeugfront, die sich ansonsten durch einen überarbeiteten Kühlergrill und eine leicht modifizierte Frontschürze auszeichnet. Dazu gibt es neue Felgen sowie zahlreiche Farbvarianten für Ex-, und Interieur.

Die Ausstattungslinien wurden von Volvo ebenfalls angepasst und erweitert. Die Basisversion Momentum enthält nun serienmäßig wählbare Fahrmodi, Innen- und Außenspiegel mit Abblendautomatik, eine 12V-Steckdose im Gepäckraum, sowie das 12,3“ große Digitale Cockpit/Kombiinstrument. Darauf aufbauend folgt nun eine neue „Momentum Pro“-Ausstattungslinie mit Volvos Sensus-Navigationssystem und Smartphone-Integration (Android Auto und Apple CarPlay). An der Spitze stehen weiterhin die Inscription als edlere und R-Design als sportlichere Ausstattungslinie.

Feinarbeit

Neben dem Umstieg auf die Mild-Hybrid-Variante blieben also wirklich tiefgreifende Änderungen aus. Der einzig mir auffällige Makel am XC90, die knarzende/rasselnde Sitzbank in der zweiten Reihe wurde zwar nach wie vor nicht korrigiert, trotzdem ist der XC90 weiterhin ein ganz vorzügliches, komfortables SUV, welches als eines der wenigen auch für bis zu sieben Personen Platz bietet. Der Geräusch- und Fahrkomfort ist auf hohem Niveau und das optionale Bowers & Wilkins Soundsystem gehört immer noch zu einem der besten, die derzeit in Autos eingebaut werden. Veraltet oder in die Jahre gekommen fühlt sich im XC90 nichts an. Das liegt auch an den starken Assistenzsystemen: der Pilot Assist dient als erweiterter Spurhalteassistent und adaptiver Tempomat, kann auf Temposchilder reagieren und ist eine fein arbeitende Ergänzung für lange Autobahnetappen. Neu ist eine automatische Anpassung der Kurvengeschwindigkeit. Die City Safety Funtkion bietet zudem nun eine Lenkunterstützung für Ausweichmanöver und der Cross Traffic Alert soll mit seiner Notbremsfunktion Unfälle beim Ausparken verhindern.

Für das Modelljahr 2020 ist der XC90 stellt Volvo mit den B5-Motorisierungen die Weichen für eine fortschreitende Elektrifizierung. Es bleibt dennoch ein Rätsel, warum bisher eine Abgaseinstufung nur nach Euro 6d-TEMP erfolgt, denn Volvo bittet, durchaus tief in die Tasche zu greifen: Mindestens 65.150 Euro werden für den B5 Diesel fällig, 65.750 Euro für den 250 PS starken B5-Benziner. Den B6 wird es dagegen nur als Benziner und nur als Inscription- oder R-Design-Variante geben, er wird mindestens 74.650 (R-Design) beziehungsweise 75.550 (Inscription) Euro teuer. Verfügbar werden diese Modelle erst ab Februar 2020 sein.