500L "Kompressor"

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Mailand, 11. Juli 2013 – Als "Großraumlimousine mit beinahe magischen Fähigkeiten" und als "kompaktesten Siebensitzer auf dem Markt" rühmt Fiat seinen nagelneuen 500L Living. Starke Worte. Aber ist es überhaupt möglich, auf nur 4,35 Meter Länge Raum für sieben Reisende zu schaffen?

Familienwachstum oder nice to have a niche

Die Modellfamilie des Fiat 500 wächst. Nach dem 500, dem 500C und dem 500L ergänzen nun der 500L Living sowie der 500L Trekking die Baureihe. Für Mitte 2014 ist dann noch ein 500X zu erwarten, ein SUV mit optionalem Allradantrieb, das den Sedici ablösen soll. Der 500L basiert übrigens in allen Varianten auf der modernisierten Punto-Plattform. Der 500L Living ist mit 4,35 Meter immerhin 20 Zentimeter länger als der normale 500L. Er soll wie erwähnt der kompakteste Siebensitzer auf dem Markt sein. Am nächsten kommen ihm der Citroën Berlingo Multispace mit 4,38 Meter sowie der Peugeot Partner Tepée mit exakt der gleichen Länge und ebenfalls bis zu sieben Sitzen. Das Prädikat kompaktester Siebensitzer hat der Living also verdient, auch wenn die geringen Längenunterschiede für den Fahrer kaum relevant sein dürften.

Mehr Platz als ein Kompaktkombi

Der Kofferraum bietet bei zwei- oder fünfsitziger Konfiguration 560 beziehungsweise 1708 Liter Raum. Damit hat der Living mehr Platz als Kompaktkombis, die typischerweise 500 bis 1500 Liter Stauraum aufweisen. Lange Gegenstände lassen sich im Living verstauen, indem man die Beifahrersitzlehne umklappt, was serienmäßig möglich ist. Ein Einlegeboden egalisiert die Ladeschwelle und macht den Kofferraum gut nutzbar. Die optionalen Zusatzsitze, die das Auto zum Siebensitzer werden lassen, lassen sich leicht aufklappen. Dahinter bleibt dann allerdings kaum mehr Platz für Koffer – 168 Liter sind nicht viel. Alles im soliden Bereich, aber unter "magischen Fähigkeiten" stellen wir uns etwas anderes vor.

Viel Platz im Fond, hohe Kompression in Reihe drei

Die zweite Reihe ist durchaus angenehm, schiebt man die asymmetrisch geteilte Bank in die hinterste Position, ist die Kniefreiheit sogar sehr gut: Bei unserer mittelgroßen Testperson bleiben etwa zwölf Zentimeter zwischen Kniescheibe und Vordersitzlehne, über dem Kopf sind es etwa vier Zentimeter. Anders sieht es mit Reihe drei aus. Vor dem Einsteigen in die dritte Reihe muss die Fondbank wieder ganz nach vorne geschoben werden. Löst man die Lehnenverriegelung in Reihe zwei wickelt sich der ganze Sitz um seine eigene Achse und klappt im Ganzen nach vorne.

Der Einstieg klappt so, doch ganz hinten fristet man als Erwachsener ein bemitleidenswertes Dasein: Die Knie stoßen fast ans Kinn, man ist so eingeklemmt, dass ein Gurt entbehrlich scheint. Die letzte Reihe eignet sich also nur, um gelegentlich die Nachbarsgören in den Kindergarten mitzunehmen. Beim "kompaktesten Siebensitzer auf dem Markt" handelt es sich also um einen 5+2-Sitzer mit fünf normalen und zwei Notsitzen.

Kleiner, hoher Fahrersitz

Auch auf dem Fahrersitz wird man als Mittelgroßer nicht glücklich: Die Position ist unangenehm hoch. Das ist umso schlimmer, weil einen der Sitz nicht wirklich festhält. Die Beinauflagefläche ist zu kurz, der Seitenhalt gering. Auch die Materialverarbeitung fällt negativ auf, vor allem die Grate an mehreren Stellen. Große Teile des Cockpits sind aus Hartplastik in unzeitgemäßer Lederoptik. Die näher an den Insassen liegenden Armaturenbrett-Teile werden bei der Topversion Lounge mit Wildleder bezogen. Besser sieht die Grundvariante Pop-Star aus, wo glatte, glänzende Dash-Pads – beim Testwagen in Schwarz – das Auge erfreuen. Dazu passt die Klavierlackoptik des optionalen Navigationsgeräts. Auch die großen Drehregler mit Rastung für die Klimaeinstellungen gefallen. Für die schlecht beleuchteten Rundinstrumente und die altbackenen orangefarbenen Zusatzanzeigen gilt das Gegenteil.

Fahrwerk: Komfortabel, aber unambitioniert

Das Fahrwerk passt zu einem Familienauto: Es ist ausreichend komfortabel. In Kurven neigt sich das Auto jedoch stark nach außen. Mutet man dem 500L Livingkleine Rechts-Links-Kombinationen zu, wirkt das Auto schwammig. Für scharfe Kurven ist der 500L Living eben weniger geeignet - wer zackig fährt, ist mit einem genauso geräumigen Kombi wegen des niedrigeren Schwerpunkts besser bedient.

Kultiviert und kräftig mit dem großen Diesel

Drei Motoren werden für den 500L Living angeboten. Neben dem Zweizylinder-Turbobenziner mit 105 PS sind das ein 1,3-Liter-Diesel mit 85 PS sowie ein 1,6-Liter-Selbstzünder mit 105 PS. Letzterer bot im Testwagen guten Durchzug – bei 320 Nm Drehmoment kein Wunder. Akustisch bleibt er unauffällig, auch dank eines 2009 eingeführtenEinspritzverfahrens mit bis zu acht Einspritzungen pro Zyklus.

Ein Turboloch tut sich nicht auf, obwohl der Lader keine variable Geometrie aufweist, die Euro-6-Norm hält das Aggregat noch nicht ein. Der Motor wird mit einer Sechsgang-Schaltung kombiniert, die an der Grenze zu hakelig ist. Den Normverbrauch gibt Fiat mit 4,5 Liter je 100 Kilometer an. Wie gewohnt, zeigte der Bordcomputer nach unserer Ausfahrt etwas mehr, nämlich 6,1 Liter. Beim Spritsparen hilft eine serienmäßige Start-Stopp-Automatik.

Wie gut der 1,6-Liter-Selbstzünder im 1.6 Multijet ist, erkennt man im Vergleich mit dem etwa gleich großen und ebenfalls siebensitzig erhältlichen Citroën Berlingo Multispace HDi 115. Der Citroën-Motor hat trotz etwas höherer Leistung wesentlich weniger Drehmoment, nämlich nur 240 Nm statt der erwähnten 320. Der Franzose braucht 13,9 Sekunden, um Tempo 100 zu erreichen, der Italiener nur 12,2. Auch die Höchstgeschwindigkeit des Fiat liegt mit 180 km/h etwas höher und der Normverbrauch um 0,6 Liter niedriger.

Einstiegspreis wohl unter 19.000 Euro

Während es beim 500L vier Ausstattungen gibt, wird der 500L Living nur in den hochwertigeren Versionen Pop-Star und Lounge angeboten. Die Preise für den 500L Living wurden noch nicht mitgeteilt, doch der Einstiegspreis soll unter 19.000 Euro liegen. Danach dürfte der getestete 500L 1.6 Multijet rund 21.000 Euro kosten. Den Citroën Berlingo Multispace HDi 115 gibt es ab 22.300 Euro. Die zwei Zusatzsitze, die aus dem Fünf- einen Siebensitzer machen, kosten bei Fiat rund 750 Euro, bei Citroën 890 Euro. Insgesamt wird deutlich, dass der Fiat keinesfalls teuer ist. Als Hightech-Extras gibt es unter anderem adaptive Dämpfer – eine Premiere in dieser Klasse –, ein City-Notbremssystem und eine Rückfahrkamera.