Heiß und kalt

Formel 1: Die Ferrari-Niederlage von Monza

Mercedes hat Ferrari ausgerechnet beim Rennen in Italien geschlagen: Mit kühler Berechnung statt Emotionalität gelang es Hamilton in unterlegenem Auto, die Scuderie hinter sich zu lassen. Eine Niederlage, die die Italiener aufwecken sollte

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
6 Bilder
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Es gibt in der Formel 1 ein paar ungeschriebene Gesetzmäßigkeiten, die trotz aller Veränderungen noch immer ihre Gültigkeit haben. Eine davon ist, dass man sich auf eine Dominanz nur selten verlassen kann. Schon kleine Entwicklungen reichen in diesem Sport aus, um einen deutlichen Unterschied auf der Strecke auszumachen. Eine zweite ist, dass Fahrer, die um die Weltmeisterschaft ernsthaft mitkämpfen, für einen solchen Erfolg bestimmte Rennen gewinnen müssen. Beides hängt natürlich zusammen. Das Traditionsteam Ferrari muss, will es in diesem Jahr beide Titel mitnehmen, diese Lektion lernen. Und zwar schnell.

Kein Order

Ferrari wollte es besonders gut machen: Die Verantwortlichen betonten schon vor dem Rennwochenende, dass es keine Stallorder geben solle, beide Fahrer sollten frei fahren können. Das ist im Sinne des Sports sehr löblich und absolut begrüßenswert. Erstaunlich allerdings die Entscheidung, im Qualifying nicht jedem Fahrer eine Runde im Windschatten zu gönnen – Sebastian Vettel landete so am Samstag nur auf Platz 2 hinter seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen. Knapp dahinter Lewis Hamilton, wobei der geringe Abstand seine fahrerischen Qualitäten einmal mehr unterstrich. Seinem Teamkollegen Valtteri Bottas fehlte schon mehr als eine halbe Sekunde auf den Spitzenreiter.

Schadensbegrenzung

Die Tifosi feierten die Ferrari-Piloten, wobei Räikkönen leise daraufhin wies, dass dies nur die halbe Miete sei. Er sollte recht behalten. Beim Rennstart hielt er seinen Teamkollegen knallhart hinter sich. In der „Variante della Roggia“ versuchte Vettel es innen, was eine Lücke für den im Windschatten folgenden Hamilton öffnete. Der setzte sich neben Vettel, dessen Auto in der Kurve untersteuerte. So rutschte Vettel in das Auto seines Konkurrenten, drehte sich und hatte dabei noch Glück, vom restlichen Verkehr nicht in der ersten Runde komplett aus dem Rennen geworfen zu werden. Was blieb war eine Schadensbegrenzung, die auf Platz vier endete. Schlussendlich fuhr er 16 Sekunden hinter dem Sieger über die Ziellinie, hatte allerdings auch einen Boxenstopp mehr gemacht.

Ausgetrickst

Mercedes taktierte dagegen schlau. Erst wurde ein Boxenstopp angedeutet, der Ferrari dazu bewog, Räikkönen früher reinzuholen als eigentlich nötig. Die folgenden Runden von Hamilton zeigten, dass der Ferrari-Boxenstopp womöglich zu früh war, denn Hamilton drehte auf den vermeintlich alten Pneus eine schnelle Runde nach der anderen. Räikkönen schloss auf Hamiltons Teamkollegen Bottas auf, der vorher von der Box den Auftrag bekam, den Ferrari möglichst lange aufzuhalten. Das gelang, und so konnte Hamilton nach seinem Boxenstopp auf Räikkönen aufschließen, der sich im Windschatten von Bottas seine Reifen ruinierte. Dort ist der Abtrieb geringer, das Auto rutscht dann mehr, der Reifenverschleiß steigt. Als Bottas an die Box kam, erbte Räikkönen die Führung, doch der Kampf gegen Hamilton war einer mit stumpfen Waffen. Der Brite hatte seine Reifen geschont und ging in der Folge mühelos am Finnen vorbei.

Beide Mercedes-Tricks mögen nicht unbedingt die feine Art des Rennsports sein, doch darum geht es nicht in diesem Millionen-Poker. Es geht um die Weltmeisterschaft, und kaum einer wird sich im Anschluss noch an solche Feinheiten erinnern. Mercedes hat Ferrari beim Rennen in Monza eine schmerzhafte Niederlage zugefügt. Das es vor heimischen Publikum war, wird Ferrari leichter verschmerzen als die Tatsache, dass sie eigentlich das schnellere Auto hatten. In dieser Saison sind sich Mercedes und Ferrari oftmals so nahe, dass es sich keines der Teams leisten kann, eine temporäre Überlegenheit nicht in Punkte zu verwandeln.