Gibt es Mobility-Start-ups mit Chancen?

Berühmte und hochbewertete Mobility-Start-Ups erzählen die Geschichte von der schönen neuen Welt. Am Straßenrand liegen Milliardenverluste, fragwürdige Umweltbilanzen und prekäre Jobs. Doch es geht auch anders

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Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Berühmte und hochbewertete Mobility-Start-Ups erzählen die Geschichte von der schönen neuen Welt. Am Straßenrand liegen Milliardenverluste, fragwürdige Umweltbilanzen und prekäre Jobs. Doch es geht auch anders.

Die Straßen sind voll von E-Scootern und in den zu Büroflächen umgebauten Industriegebäuden der Großstädte tummeln sich hippe Start-ups. Sie alle haben eine gemeinsame Geschichte. Sie wollen einen neuen Service anbieten, die Mobilität neu erfinden und den Verkehr nachhaltiger machen. Die Welt retten! Mindestens. Allein: es gelingt kaum einem. Viele erreichen sogar das Gegenteil.

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Nicht einmal die Fusion von DriveNow und Car2Go zu einem Unternehmen hilft BMW und Daimler ...

Dass es auch anders geht, wollen wir mit dieser kleinen Serie zeigen. Wir stellen elf handverlesene Start-ups aus Deutschland im Mobility-Bereich vor, aus denen mehr werden könnte als unfassbar teure Marketinggags mit Elektroantrieb. Ganz frei von E-Scootern und fliegenden Taxis. Oft sind die Geschichten, die erzählt werden, gar nicht die interessantesten. Es sind manchmal die, die nicht erzählt werden.

Nicht erzählt wird aktuell die Geschichte von Moia. Moia ist eine Tochter von Volkswagen. Sie bietet in Hamburg und Hannover Sammeltaxi-Fahrten an. Natürlich in rein elektrischen Bussen (das Stück für rund 250.000 Euro). Vor rund einem Jahr war der Plan noch, den Dienst stark auszuweiten. In bis zu 50 weiteren Städten sollte Moia bald aktiv sein. Geblieben ist davon nichts. Der Geschäftsführer musste gehen, der neue soll vor allem die Kosten senken. 50 weitere Städte? Wahrscheinlich ist man bei Moia froh überhaupt noch in zwei aktiv zu sein. Moia ist freilich nicht die einzige Tochterfirma etablierter Hersteller, die mit ihrer Mobilitäts-Idee gegen die Wand gefahren ist. ShareNow und FreeNow (einst Drive-Now, Car2Go und MyTaxi) verstopfen die Bilanzen von BMW und Daimler mit monatlichen Verlusten in zweistelliger Millionenhöhe.

VW, BMW und Daimler haben vor allem eines geschafft: Sie haben mehr Autos in die Stadt gebracht. Denn die Angebote stehen eher in Konkurrenz zum öffentlichen Personennahverkehr als zum eigenen Auto. Das verkauft eben keiner, nur weil er Kurzstrecken jetzt im Sammeltaxi unternehmen kann.

Die neueste Idee zur Revolutionierung der urbanen Mobilität sind E-Scooter. Sie sollen dafür sorgen, dass in Städten weniger Autos fahren. Der schöne Traum dahinter heißt, dass die Städter das Klima retten, wenn sie nur E-Roller fahren. Das Problem ähnelt dem, das auch Moia und Co. haben: E-Roller ersetzen nicht das Auto, sondern das Gehen und den ÖPNV, wie eine Studie der Strategieberatung Nunatak zeigte. Es sind nicht die Autofahrer, die auf E-Roller umsteigen, sondern die Fußgänger. Weil die Produktion der Billig-Scooter aber extrem energieaufwendig ist und viele nach nur wenigen Monaten bereits kaputt sind, ist die Umweltbilanz verheerend.

Damit die Dinger überhaupt fahren, tingeln außerdem „Juicer“ durch die Städte – ein englischer Euphemismus für einen prekären Arbeitsplatz. Irgendwer muss die Dinger ja aufladen. Bird (einst der erste E-Roller-Vermieter auf dem Markt) und seine Kopien Tier und Lime machen dabei nicht einmal Gewinn. Im Gegenteil. Sie verbrennen das Geld. Die Firmen gibt es, weil Wagniskapitalgeber Geld hineinpumpen. 700 Millionen Dollar waren es seit Gründung 2017 allein bei Bird. 275 Millionen davon kamen erst im Herbst 2019 dazu, weil es das Unternehmen sonst mittlerweile nicht mehr geben würde.

Gutes Stichwort für Uber. Die Vision von Travis Kalanick, dem Gründer, war einmal, dass eine Flotte autonom fahrender Elektroautos Passagiere von A nach B bringt. Das wäre tatsächlich eine Mobilitätsrevolution. Aktuell ist Uber aber nicht mehr als eine hochdefizitäre App, die private Taxidienste vermittelt und die dazu geführt hat, dass mehr Autos auf der Straße unterwegs sind.

Das Manager Magazin hat ermittelt, dass es im Jahr 2016 rund 0,8 Milliarden Taxifahrten in den USA gab. Plus 1,9 Milliarden Uber-Fahrten (insgesamt also 2,7 Milliarden Shuttle-Fahrten). Im Jahr 2018 waren es nur noch 0,6 Milliarden Taxifahrten, aber 4,2 Milliarden Uber-Fahrten (insgesamt als 4,8 Milliarden Fahrten). Das ist ein Zuwachs von 78 Prozent.

Auch Uber gibt es nur noch, weil zunächst Wagniskapitalgeber Geld reinschossen und im Mai 2019 der Börsengang satte 8,1 Milliarden Dollar in die Kassen spülte. Geld, das gebraucht wurde, um ausufernde Verluste auszugleichen. Uber, Bird, Tier und Lime haben gemein, dass sie nichts wirklich Neues erfunden haben, außer einem Marketingkonzept. Sie bedienen Marktlücken, die es nicht gibt mit Geld, dass ihnen nicht gehört auf Kosten von Menschen, die sie nicht kennen.

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(fpi)