Das Elend mit der Elektroförderung, Teil 1

Die Armen, die Reichen, die Elektrischen

Mit dem Porsche Panamera S E-Hybrid elektrisch durch Stuttgart gleiten darf als Kunstprojekt gelten, das die gesamte Situation der Elektroförderung mit seltsamem LED-Licht beleuchtet

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Porsche Panamera S E-Hybrid – Wahrscheinlich gibt es derzeit kein Auto, das näher an einem kaufbaren Kunstwerk mit der Aussage "Elektrofahrzeugförderung ist sehr seltsam" liegt. Ich habe vor einiger Zeit einige wirklich hart arbeitende Steuerzahler verärgert, als ich sagte: Wir brauchen keine Zuschüsse für Elektroautos. Ob ich es ihnen neide, fragten sie, dass sie sich eben solche Autos kaufen können. Nein, darum ging es gar nicht. Mir ging es darum, dass damit Geld umverteilt wird in Richtungen, die unnötig sind, denn die Käufer können sich diese Autos ja offenbar leisten. Es gibt keine staatlichen Zuschüsse beim Kauf. Mir ging es vor allem aber darum, dass Deutschland und Europa Unsummen von Geldern mit dem Feuerwehrschlauch überall draufhalten, wo "Elektro" draufsteht, was in der Vergangenheit schlecht funktioniert hat, heute schlecht funktioniert, und eine bessere Zukunft scheint es uns auch nicht zu kaufen.

Ganz langweilig nüchtern betrachtet müssen wir wahrscheinlich noch ein, zwei Jahrzehnte warten, bis in Deutschland ein relevant großer Anteil batterieelektrischer Autos fährt. Die Frage ist nur, welcher Weg dorthin am sinnvollsten sein mag. Ich habe mich gegen Elektroschaufenster und Fördergelder ausgesprochen, die der Staat an riesige Hersteller zahlt, obwohl die sich die Entwicklung eines E-Fahrzeugs problemlos selber leisten können. Diese Fördergelder schaffen kurzzeitig eine künstliche Situation, deren Effekte selten so aufblühen, wie sich das ein gut meinender Politiker mal gedacht hat. Was haben wir für einen Haufen Kohle rausgehauen, um die Solarzellentechnik zu fördern, in der Deutschland mal führend war! Innovation! Die muss man doch mit Geld bewerfen! Aber irgendwie wurden die Innovateure dann bequem, sagen manche, auf jeden Fall ist heute China technisch vorne bei den Panels.

15 Kilometer elektrische Reichweite

"Die deutschen Hersteller verschlafen die Hybrid-Zukunft!", schrien dann ein paar der üblichen Schreier, als Toyota mit dem Prius einen gesellschaftlichen Nerv in Kalifornien traf. Der Prius-Antrieb ist unbestreitbar clever und elegant. Wahrscheinlich hätten deutsche Hersteller das tatsächlich so nicht gebaut. Sie tun es ja bis heute nicht. Aber die deutschen Lösungen, die es mittlerweile gibt, sind in der Praxis nicht schlechter, nur anders gelöst. Beim ersten Panamera-Hybrid damals musste ich lachen. Meinen die das ernst? Sie meinen es ernst. Die aktuelle Generation lagert einen fetten Li-Ion-Akku mit 9,4 kWh im Heck. In der Stadt fährt der Panamera S E-Hybrid damit ziemlich genau 15 km rein elektrisch, bei 25° C Außentemperatur mit Klimaanlage auf 21° C, entspannt cruisend. Das ist nicht besonders viel. Es reicht aber, um einmal durch die Stadt zu kommen. Man kann dieses riesige Schiff allein vom 70-kW-Elektromotor durch die Stadt schieben lassen, und genau das liegt dem Limousinencharakter am nächsten.

Porsche hat sich damit so viel Mühe gegeben, weil sie das wirklich verkaufen wollen. "Das muss gut funktionieren", sagt Porsche, "sonst kauft es keiner. Wir meinen es ernst in diesem Segment." Und das, obwohl Porsche selber zugibt, dass unterm Strich der Panamera Diesel das sparsamere Auto bleibt, so wie bei den meisten Autos der Diesel den Hybrid aussticht. Das liegt auch an der unrunden Fahrpraxis eines großen Teils der Autofahrer. Um wirklich etwas von der elektrischen Bremse nebst ihrer Energierückgewinnung zu haben, muss der Kunde seinen Fahrstil der Technik anpassen. Ein Audi-Abstand von fünf Zentimetern zur voranfahrenden Stoßstange macht jeden Vorteil solcher Technik zunichte. Aber Porsche muss eben wie jeder Andere an die Menschen verkaufen, die es gibt, statt an wünschenswerte Illusionen. Also: Wer kauft sowas und warum?

Das "Überschreitungsgramm"

Die erste und naheliegendste Antwort liegt nicht in Förderung, sondern in Sanktionierung. Wer als Hersteller die CO2-Grenzwerte der EU über die gesamten verkauften Fahrzeuge im Schnitt nicht einhält, zahlt für jedes Auto für jedes Gramm CO2 pro Kilometer über dem Grenzwert (das Überschreitungsgramm) einen Betrag. Der hängt (Autolobby sei Dank) wie bei der Energieeffizienz auch an der Masse, läppert sich aber dennoch sehr schnell zu mehreren hundert Millionen Euro im Jahr für einen typischen Hersteller zusammen. Irgendjemand muss die bezahlen. Dieser Irgendjemand ist der Kunde. Er bezahlt dann für ein typisches deutsches Auto mit Premium-Vermarktung mehrere hundert Euro mehr. Auf lange Sicht soll der so beeinflusste Markt zu einem insgesamt verbrauchsgünstigeren Gesamtangebot führen. Die Maßnahme kneift Autohersteller so empfindlich, dass die Autolobby sie immer wieder aufgeweicht hat. Selbst Renault, die mit ihren vielen kleinen Motörchen sanktionstechnisch recht gut dastehen, spürt das schmerzhaft: CEO Carlos Ghosn forderte unlängst, man solle den Autoherstellern diese Last erleichtern. Auch Porsche sagt: "Natürlich ist der Flottenverbrauch ein Grund für den Hybrid. Ganz klar."

Wahrscheinlich wirkt die Flottenverbrauchs-Sanktion langfristig recht gut als Regulatorium. Sie bevorzugt nicht nur Elektroautos, sondern alle Techniken, die wenig Kohlenwasserstoffe verbrennen. Brennstoffzelle? Mit Null drin, wenn sie mit Wasserstoff arbeitet. Atomreaktor? Wäre auch mit Null drin. Panamera Hybrid? Mit 70 Gramm drin, immerhin. Das sind 60 Gramm unter Grenzwert, die für 60 Gramm eines Cayenne Turbo S aufkommen. Wie gesagt: Das läppert sich.

Ein anderes Beispiel einer Sanktionierung findet sich in Norwegen. In Norwegen gibt es keine großen Automobilhersteller, also gibt es auch keine Autolobby, die Gesetze mitgestalten darf. Norwegen hat sich darauf geeinigt, dass Verbrauch, Stickoxidausstoß, Motorleistung und genau gegenteilig wie in Autodeutschland auch das Gewicht bei der Zulassung massiv besteuert wird. Die Details hat Kollege Christoph Schwarzer hier einmal beschrieben und verlinkt, der Effekt dieser Steuer ist jedoch eine enorm hohe Form der Luxussteuer auf große, starke Autos, die sehr schnell sehr fünfstellig ausfallen kann. Wer in Norwegen einen M5 oder einen großen 7er fährt, hat richtig Asche. Diese Registrierungssteuer fällt für E-Fahrzeuge weg, genauso wie 25 Prozent Mehrwertsteuer.

Zweitwagensteuerbefreiung

Das heißt: Ein elektrisches Allrad-Luxusauto wie der Tesla S kostet dort teilweise nur die Hälfte eines benzingetriebenen Allrad-Luxusautos, was erklärt, warum wohlhabende Norweger so viele Tesla S kauften. Volkswagens E-Golf kostet dort ausstattungsbereinigt weniger als der kleinste Benziner. Das Programm war so erfolgreich, dass die 50.000 Elektroautos auf Norwegens rund fünf Millionen Einwohner, die bis spätestens 2017 dergestalt bevorteilt werden sollten, längst verkauft sind. Das Programm läuft weiter, wird aber irgendwann reduziert werden müssen. Es kostet den Staat einfach zu viel. Zudem besteht ein Großteil der Käufer aus Leuten, die Geld übrig haben, um ein Elektroauto als Zweitwagen zu kaufen. Es ist kein genereller technischer Umstieg.

Immerhin zeigt das Beispiel Norwegen, dass Menschen keine grundsätzlichen Einwände gegen Elektroantriebe haben, sobald der Preis für Elektromobilität vergleichbar wird mit dem für Verbrennermobilität. Will ich ein Auto für 120 km, das toll ausgestattet ist und toll fährt oder eins mit Benziner, das aufwendiger gewartet werden muss, aber beliebig weit fährt für einen kleinen Aufpreis? Hybridfahrzeuge wie der Panamera erfahren ebenfalls eine (wenn auch kleinere) Förderung, sodass Porsche diesen Antrieb dort gut verkauft, ebenso wie in anderen Ländern mit vergleichbaren Luxusautoförderprogrammen.

Zertifikatfabrik Tesla Motors

Das dritte Beispiel kommt aus Kalifornien. Dort erhalten Hersteller für verkaufte Elektrofahrzeuge ZEV credits, die sie anderen Herstellern analog den anderswo verwendeten CO2-Zertifikaten an einem dafür eingerichteten Markt verkaufen können. Tesla hat daran in der Vergangenheit so gut verdient, dass viele witzelten, die Firma sei kein Hersteller für Autos, sondern eine Zertifikatfabrik. Mittlerweile machen die Zertifikate nur noch einen kleinen Teil des Umsatzes aus, aber sie haben ihre Rolle gespielt beim Wachstum Teslas.

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Dieser Rant wurde so lang, dass wir ihn hier geteilt haben. Hier finden Sie den zweiten Teil. Das ist auch ein Experiment. Sagen Sie uns also gern, ob Sie besonders lange Riemen eher gut oder eher schlecht finden: autos@heise.de