Das Weg ist das Ziel

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Jetzt habe ich endlich auf der 800er-VFR die erste große Reisegeschichte mit Koffersystem fahren können, die aus dem letzten Jahr verschoben werden musste, weil es rum war, als die Koffer hier ankamen. Wir sind nach Santiago de Compostela gefahren, über ein verlängertes Wochenende, weil ich da schon lange mal hinwollte, aber nicht zu Fuß über den Jakobsweg voller Fußgänger, die dir erzählen, vor welchen Problemen sie weglaufen. Wenn man auch ein paar Kurven zirkeln will, sind das hin und zurück weit über 4000 Kilometer von Stuttgart aus. Es bedeutete bis zu 13 Stunden am Tag im Sattel, ein Denken in Tankfüllungen der reichweitenschwächeren KTM, die gut 300 Kilometer weit kam: "Eine Tankfüllung noch, dann machen wir Schluss für heute."

Es bedeutete auch, dass Wetter etwas sein musste, das unabhängig von weiterer Fahrt passiert. Und das wiederum hilft vielleicht, anderen Motorradfahrern zu erklären, warum es diesen Markt sehr teurer Tourenkombis gibt, den hauptsächlich Rukka und BMW unter sich aufteilen. Als ich zum Beispiel auf der KTM 690 Duke mit BMWs Tourenanzug "StreetGuard 4" zu ihrem ersten Test knapp 200 Kilometer durch den April nach Weibersbrunn fuhr, war mir das Teil trotz herausgenommenen Innenfutters schon zu warm für die herrschenden 18° C trockenen Frühlingswind. Als wir jetzt jedoch 700 Kilometer lang durch 6 bis 8° C kalten Regen in Nordspanien fuhren, hätte BMW von mir aus gern noch ein paar Heizpellets aus gekapseltem Plutonium-238 im Schultergürtel verbauen (lassen) können, denn nach einigen Stunden im Regen herumsitzen kühlt der Körper einfach aus. Dass sowohl die Stadler-Kombi meines Mitfahrers Philipp als auch meine BMW-Kombi 10 Stunden lang alle Schichten ab der Membran trocken und zumindest aushaltbar warm hielten, zeigt mir, dass man hier doch für mehr bezahlt als für kleine Aufnäherlogos. Ich versuche altersbedingt mittlerweile zu vermeiden, mit einem Pulli am Ziel abzusteigen, den ich auswringen muss, auf einem Körper, der auf ein halbwegs soziales Funktionsniveau erst fremderwärmt werden muss.

Reisen vs. Rasen

Selbst die Grundregeln der Geschwindigkeit ändern sich. Auf der Hausstrecke bist du schnell, wenn du alles gibst. Über Frankreich bist du schnell, wenn du abends heile in Spanien bist. Also zählt der Verbrauch von Treibstoff in Relation zur Tankgröße und der Verbrauch von Aufmerksamkeit in Relation zur Ausgeschlafenheit. Über den Tag macht Gleichmäßigkeit schnell, weil sie in jeder Hinsicht sparsamer ist als die Kampffahrt. Ich kann mich erinnern, als ich mich gegen Ende der Rückfahrt beim letzten Tanken von Philipp verabschiedete und nach ihm wieder auf die Autoroute fuhr. Nach einiger Zeit überholte er mich mit großer Differenzgeschwindigkeit. Zuerst dachte ich, er habe sich irgendwo verfahren, er erklärte aber später das Warum: "Weil ich viel schneller gefahren bin als du."