Klartext: Die Südbarbaren schlagen zurück

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Oder die Kawasaki 1400 GTR, ein riesiger, höchst aufwendig konstruierter Toureneimer, dem das banale Standardzubehör ALLER Konkurrenten fehlte: Heizgriffe. Einen Tourer ohne Heizgriffe anbieten, ja mei, das kann man schon machen, aber dann verkauft es sich halt nicht. Dem verzweifelten Importeur erlaubte es Akashi gnädig, gebrandete Heizhandschuhe mit umständlichem Gesteckere als Zubehör anzubieten. Sie dürfen dreimal raten, was der Kunde tat: Er kaufte kopfschüttelnd bei BMW. Eisenhart bot Kawa erst Jahre später zum Modellupdate Heizgriffe an. Ich habe noch nie eine Erstserien-GTR in freier Wildbahn gesehen.

Japan baut, die Restwelt VERbaut

Oder Honda. In der Firmenwiege in Hamamatsu hat sich über viele Jahrzehnte des Maschinenbaus mit eigenen Lösungen der Gedanke festgesetzt, dass der Rest der Welt einfach keine Ahnung hat, wie man ein Motorrad baut, am wenigsten einen Motor. Als sich die Firma zum weltweit größten Hersteller motorisierter Zweiräder aufschwang, blieb es nicht aus, dass anderswo Werke gebaut werden mussten, sei es nun aus Gründen des Zolls oder der Transportkosten. Was jedoch dabei stets klar war: Die Satelliten dürfen schon ein bisschen was bauen, vielleicht gar einen Rahmen, aber das Herz, der Motor, der kommt aus Japan, und koste es Zoll, dass die Schwarte kracht. Wie stolz war das Werk in Atessa (Italien), als es wenigstens den 125er-Motor der Varadero selbst zusammenstecken durfte, obwohl die Teile dazu immer noch aus Japan geliefert wurden!

Überraschungsei-Motorrad "Gladius"

Am entrücktesten gibt sich jedoch Suzuki. Der Europäer weiß bei jedem einzelnen Modell, dass seine speziellen, eigenen kulturellen Wünsche entweder auf die gefertigte Stangenware passen oder er eben Pech gehabt hat. Lange Gesichter, als Suzuki das Überraschungsei-Motorrad "Gladius" brachte. Der Europäer hatte auf eine Neuauflage der sportlichen Allrounder der SV-Familie gehofft. Stattdessen bekam er eine östrogenisierte Bonbon-Perversion seines Wunsches, die in kaum eine Fahrgruppe passte, wohl aber auf den Festivalumzug zum Christopher Street Day. Zuletzt auch wieder Suzukis 125er: nichts dran, was der Europäer gerade wünscht.

Asien ist die Welt

Den banalen Grund vermutete der Motorpresse-Kollege Ralf Schneider: Die japanischen Hersteller wollen die teure, umständliche europäische Individualfertigung nicht mitmachen, obwohl sie sehr viel Geld abwirft. Sie wollen lieber möglichst das Gleiche verkaufen, mit dem der Kunde dann selber individualisieren soll. Natürlich liegt die Containerschifffahrt als Hindernis zwischen Hersteller und Kundenindividualisierung, aber andere Hersteller ohne individuelle Fertigung im Werk schaffen das auch, indem sie diese Aufgabe auf die Händler auslagern.

In Asien fahren die japanischen Hersteller mit dieser Tour immer noch sehr gut. Ein Flaggschiff ganz oben gibt ein Familien-Gesicht vor, das dann bis ganz herunter zu den Kleinvolumern durchgeführt wird, wo es junge Kunden zieht. Gegen die Stückzahlen Asiens in diesem Gesamtbild zählt Europa verständlicherweise wenig. Aber ich bin gespannt auf die Effekte der ersten Gegenangriffe Europas und Amerikas auf diesen Massenmarkt. KTMs kleine Dukes laufen in Asien trotz ihres dort hohen Preises sehr gut. Vielleicht müssen die Japaner doch noch zu unseren Lebzeiten wieder auf den Geist der Achtziger, Neunziger umschwenken. Was spricht gegen eine Fireblade mit Heizgriffen im Konfigurator? Der BMW S 1000 RR hat es nicht geschadet, im Gegenteil. Sie hat bei den Verkäufen alle japanischen Superbikes abgehängt. (cgl)