Klartext: Klassische Meinungsbildung

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Das Update war für Euro 4 nötig, Triumph hat es aber genutzt für einige weitere Verbesserungen, manche davon dringend nötig. Die Euro-3-Modelle waren zum Beispiel so leise, dass an einer Ampel im Schwarm deiner Kumpels akustisch nicht feststellbar war, ob dein eigener Motor lief. Selbst ich als Feind des lauten Auspuffs empfand das als störend. Die Motorradszene mit ihrem verbreiteten Krachfetisch fand es schlimmer. Die Zahl der sofort getauschen Auspuffanlagen spricht Bände. Die neue Generation tönt mir schon zu laut, wird also für die Kundschaft genau richtig sein. Der originale Auspuff kann montiert bleiben, was auch optisch ein Gewinn ist, denn das wunderschöne Finish der Originaltüten muss der kleine Auspufftöpferer erst einmal hinkriegen. Geblieben: handlinierte Tanks und Verkleidungsteile – ebenfalls in einer Qualität, die der Tanklinierer anderswo schwerlich übertreffen wird.

Neu hinzu kam das ab 2017 verpflichtende ABS, dessen Hochdruckpumpe ganz tief in den Innereien versteckt wurde. Für die Wartung wird das Grütze sein, aber der Optik tut es gut, und auf sie kommt es wohl an. Das Fahrverhalten ist deutlich weniger schlecht als in der Vorgängergeneration. Die (jetzt flüssigkeitsgekühlten) Motoren verbrauchen weniger und sind auf dieseliges Drehmoment von ganz unten ausgelegt. Das hat zu einiger Kritik von Seiten der Fachpresse geführt, über die ich mich freute, weil sie wie gesagt selten ist. Ich stimmte der Kritik damals zu. Nach dem Fahren habe ich meine Meinung aber geändert: Der kleine Motor mit seinen 55 PS passt mir besser zum Konzept als der große 1200er.

Sweet Spot

Bis etwa 6000 U/min produziert er viel mehr Leistung als sein Vorgänger, und dort gurkt man eben mit so einem Teil hauptsächlich herum. Es macht sogar einigen Spaß, den Motor in seinem Sweet Spot zwischen 2500 und 4000 U/min zu halten, wo er mit schönem Schlag Drehmoment auspulst. Vor allem jedoch punktet der kleinere Motor mit einer butterweichen Gasannahme wie aus Gleichdruckvergasern, wo der 1200er ans Gas ruppt wie eine alte KTM, als wolle er doch noch irgendwas mit Sporrccht in seinem Leben tun. Aus dem Mittelgebirgs-Eck pumpen beide Motorisierungen sowieso mit derselben von der Traktionskontrolle diktierten Geschwindigkeit. Man kann sie abschalten, sollte ich hier schreiben, obwohl das kaum ein Kunde je tun wird, weil er sie nicht bemerken wird.

Der Kunde hat offenbar auch kein Problem mit der Minderleistung jenseits der 6000 U/min – vielleicht, weil er dort sowieso nicht hinwill. Die Klassik-Triumphs mit dem kleinen Motor verkaufen sich europaweit sehr gut, besser als die Vorgänger. Die Bonneville Bobber mit dem großen Motor ist sogar das erfolgreichste Neumodell ever bei Triumph. Das Werk hat schon zwei Mal dessen Produktionskapazitäten hochgefahren, um die unerwartet hohe Nachfrage zu bedienen. Selbst für mich tritt der Grund dafür unschwer erkennbar hervor: Das Teil ist einfach sehr schön gemacht. Je näher du dieser Maschine kommst, umso eher wirst du das statt einer Harley kaufen wollen. Es fährt, wie es das Aussehen erwarten lässt. Das wird den Freund solcher Wuthocker freuen. Wer allerdings Kurvenflow sucht, wird sich sehnlich eine Street Triple wünschen.

Damit habe ich mit weniger Hass dasselbe gesagt wie zur letzten Generation der Wieder-aufwärmer-Modelle von Triumph: Wenn das die einzig existierende Sorte Motorrad wäre, würde ich lieber Fahrrad fahren. Und wir sehen aus dem Fenster: Auch diesmal ging die Welt nicht unter. Möge jeder mit seiner Sorte Fahrzeug glücklich werden und die Anderen ihren gefühlten Scheiß fahren lassen. (cgl)